Als der auslaufende Vertrag von Heribert Bruchhagen im Mai 2016 nach dem Klassenerhalt in der Relegation auslief, vom Aufsichtsrat nicht verlängert wurde und die Trennung nach fast 13 Jahren feststand, lag viel Wehmut in der Luft.
Die Eintracht ist so etwas wie Bruchhagens Lebenswerk, mit ihr hat er zwischen 2003 und 2016 Tiefen (zwei Abstiege), aber auch Höhen (zwei Aufstiege, Pokalfinale 2006 zwei Europacup-Teilnahmen) erlebt.
Bruchhagen führte den Verein mit viel Ruhe und Seriosität gemeinsam mit vielen Wegbegleitern zurück zu wirtschaftlicher Stabilität und erhält dadurch auch heute noch Anerkennung in der Main-Metropole. Zu jedem Spiel wird Bruchhagen vom Verein eingeladen, auch beim Halbfinal-Rückspiel in der Europa League in London wird er dabei sein - als Fan und nicht mehr in verantwortlicher Position.
Bruchhagen fühlt sich immer noch als Teil des Frankfurter Erfolgs
Dort folgte im Sommer 2016 Fredi Bobic auf Bruchhagen, auch auf dessen Anraten. Die Fans positionierten sich damals mit Plakatbotschaften klar gegen ein Engagement und schickten dem Aufsichtsratsvorsitzenden Wolfgang Steubing sogar Drohbriefe. Heute ist Bobic mit seinen klugen Transfers über jeden Zweifel erhaben. Sehr zur Freude von Bruchhagen.
"Da sind gute Entscheidungen getroffen worden und ein bisschen fühle ich mich da auch mitverantwortlich, weil ich sowohl Bobic als auch Niko Kovac als Trainer mit implementiert habe", sagt Bruchhagen im exklusiven Gespräch mit SPOX und Goal.
Mit Kovac an der Seitenlinie schaffte die SGE im Mai 2016 den kaum noch für möglich gehaltenen Klassenerhalt über die Relegation gegen den 1. FC Nürnberg und gewann zwei Jahre später den DFB-Pokal. Bobic und auch Bruno Hübner, der laut Bruchhagen immer etwas in Vergessenheit gerate, stehen jedoch auch in der Post-Kovac-Ära sinnbildlich für den Erfolg der Eintracht.
Eintracht im Höhenflug: Lob für "Baumeister" Bobic "Voll gerechtfertigt"
"Sie machen es einfach gut", stellt Bruchhagen fest. Den größten Anteil habe aber definitiv Bobic, der zuletzt von der FAZ als "Baumeister einer neuen Eintracht" betitelt wurde. Eine Bezeichnung, die für Bruchhagen "voll gerechtfertigt" sei, allein schon aufgrund der "Personalentscheidungen, die er getroffen hat, Luka Jovic als Reservespieler von Benfica Lissabon zu holen, die Investition in Filip Kostic vorzunehmen, Sebastian Rode zurückzuholen".
Besonders Rode, der aktuell von Borussia Dortmund an die Frankfurter ausgeliehen ist, sei für ihn "ein Paradebeispiel" für Bobic und seine Transfercoups gewesen. "Er rundet die Eintracht fußballerisch ab, denn genau so ein Spielertyp hat noch gefehlt. Das spricht dann natürlich für Bobic und Hübner", sagt Bruchhagen, der den defensiven Mittelfeldspieler seit dem 18. Lebensjahr kennt.
Rode, der aufgrund zahlreicher Verletzungen sowohl beim FC Bayern München als auch beim BVB kaum Spielzeit bekam und bei der Eintracht an lange zurückliegende Höchstleistungen anknüpft, sei "ein toller Junge" und "in jederlei Hinsicht ein Vorzeigeprofi". So wünsche man sich jeden Bundesligaprofi, stellt Bruchhagen klar.
Wie es für einen der Schlüsselspieler der aktuellen Saison im Sommer weitergeht, steht jedoch noch in den Sternen. Nach Informationen der Frankfurter Rundschau besitzt die SGE keine Kaufoption für den 28-Jährigen, doch angesichts der starken Leistungen von Rode gilt es als wahrscheinlich, dass die Eintracht und der BVB intensive Gespräche führen werden.
Gerüchte um Jovic, Haller, Rebic: "Höchstens ein Spieler geht"
Doch die Personalie Rode ist bei weitem nicht die einzige, die aktuell viel am Main diskutiert wird. Für reichlich Gesprächsstoff sorgt besonders der fast schon im wöchentlichen Rhythmus kolportierte Wechsel von Luka Jovic zu einem europäischen Topklub.
Der beste Angreifer der SGE (26 Tore in 33 Bundesliga- und Europa-League-Spielen) ist aktuell noch von Benfica ausgeliehen, wird jedoch dank einer von Bobic ausgehandelten Kaufoption im Sommer fest von der Eintracht verpflichtet. Vergangene Woche berichtete die spanische AS über eine Einigung zwischen Jovic und Real Madrid, Bobic dementierte unverzüglich.
Ein Verbleib von Jovic sowie der ebenfalls umworbenen Sebastien Haller und Ante Rebic (angeblich Wunschtransfer von Niko Kovac beim FC Bayern) über den Sommer hinaus hängt wohl auch vom Ausgang der Saison in Europa League und in Bundesliga ab. Große Hoffnung, dass die Eintracht im Falle einer Qualifikation zur Königsklasse alle drei offensiven Leistungsträger wird halten können, hat Bruchhagen kaum, obwohl die Vertragssituationen der SGE "alle Möglichkeiten geben".
"So viel ich weiß, geht höchstens ein Spieler", sagt Bruchhagen über einen drohenden personellen Aderlass im Sommer. "Weil die Flut bekanntlich alle Boote hebt und die Vertragsgestaltungen mit dem Erfolg von der Eintracht teurer werden, muss Fredi Bobic einen verkaufen", erklärt der 70-Jährige. Das habe Bobic auch in Interviews stets offen kommuniziert. "Aber er wird sicherlich nicht zwei abgeben", kündigt Bruchhagen an.
Eintracht Frankfurt und das Sturm-Trio Haller, Jovic, Rebic
Spieler | Spiele | Tore | Torvorlagen |
Luka Jovic | 30 | 17 | 6 |
Sebastien Haller | 27 | 14 | 9 |
Ante Rebic | 26 | 9 | 4 |
Eintracht-Fans: Auswärts mit 15.000? "Nichts Ungewöhnliches mehr für uns"
Das Gros dieser begeisternden Frankfurter Mannschaft dürfte also vorerst zusammenbleiben. Die drei Leihspieler um Rode (Vertrag beim BVB bis 2020), Torhüter Kevin Trapp (Vertrag bei PSG bis 2020) und Fan-Liebling Martin Hinteregger (Vertrag bei Augsburg bis 2021) hätten laut Sportdirektor Hübner bereits signalisiert, bleiben zu wollen.
Doch zumindest bei Trapp sollen sich die Chancen verschlechtert haben. Einem Bericht der Sport Bild zufolge soll Paris Saint-Germain auf eine Rückkehr des 28-Jährigen pochen, weil der Vertrag von Torhüter-Ikone Gianluigi Buffon nicht verlängert wird. Das alles rückt für Bruchhagen jedoch angesichts des anstehenden Saisonendspurts in der Bundesliga und dem Europa-League-Halbfinale gegen Chelsea in den Hintergrund.
"Sich einfach freuen" sei genau die richtige Einstellung für die letzten Spiele dieser außergewöhnlichen Spielzeit, obwohl die hohe Belastung mittlerweile "offensichtlich" sei. Keines der vergangenen drei Bundesligaspiele hat die Eintracht gewonnen, vergangene Woche folgte eine derbe Pleite gegen Bayer Leverkusen (1:6).
Unabhängig davon, wie das Spiel an der Londoner Stamford Bridge ausgehe (1:1 im Hinspiel), sei diese Europapokalsaison ohnehin schon etwas ganz Besonderes. "Aber das war es aufgrund der Publikumsstruktur und der Fans schon immer", sagt Bruchhagen und erinnerte sich an die bis dato letzte Europa-League-Spielzeit in Frankfurt.
"Das tut dem deutschen Fußball gut", stellt Bruchhagen besonders mit Blick auf die Euphorie der Fans, die jedes Spiel auf internationalem Comeback feiern, als sei es das Letzte, fest: "Als wir vor fünf Jahren, damals noch mit Trainer Armin Veh, dort gespielt haben, sind auch schon 15.000 Fans mit nach Bordeaux und Porto gefahren. Das ist nichts Ungewöhnliches mehr für uns."