Was Dr. Theo Zwanziger momentan erlebt, hat der DFB-Präsident vor rund einem Jahr so in etwa schon mal mitgemacht. Nur andersherum. Damals wollte Zwanziger vor der WM in Südafrika mit Bundestrainer Joachim Löw verlängern, handelte sich allerdings einen Korb ein.
Die deutsche Elf spielte am Kap der guten Hoffnung eine überragende WM und ganz Deutschland hoffte, dass Löw auch übers Turnier hinaus Bundestrainer bleiben wird - was er bekanntlich auch tat: Ende Juli 2010 unterschrieb Löw seinen neuen Kontrakt.
Die Unterschrift von Silvia Neid holte sich Zwanziger dieses Mal schon vor dem Turnier. Die Bundestrainerin verlängerte kurz vor dem WM-Start bis 2016. Doch anders als die Männer spielten die DFB-Frauen nun eine miserable WM. Und anders als bei Löw hofft deshalb derzeit wohl kaum jemand, dass Neid auch in Zukunft Bundestrainerin bleiben wird.
Zwanziger stärkt Neid
"Warum wurde der Vertrag mit Neid ohne Not vor der WM verlängert? Ein Vertrag, der nun nicht mal mehr die Buchstaben auf dem Papier wert ist", schimpfte Potsdams Meistertrainer Bernd Schröder. Die Bundestrainerin ist angeknockt und wird öffentlich in Frage gestellt.
Beim DFB will man davon überhaupt nichts hören. Neid war dort vor der WM über jeden Zweifel erhaben - und ist es auch heute noch. "Sie ist das Beste, was wir haben können. Da gibt es doch gar keine Frage", sagte Zwanziger kurz nach dem Viertelfinal-Aus.
"Diese Frau hat uns soviel weiter gebracht im Frauen-Fußball, dass es darüber beim DFB überhaupt keine Diskussionen gibt."
Neid lässt Zukunft offen
Eine vorzeitige Trennung ausgehend vom DFB ist ausgeschlossen, Neid selbst scheint nun aber plötzlich Zweifel an einer weiteren Zusammenarbeit zu haben. "Ich brauche jetzt erst mal Abstand", so die 47-Jährige im "Bild"-Interview. "Erst wenn ich in ein paar Wochen wieder im Alltag angekommen bin, werde ich mich fragen: Was will ich eigentlich? Kann ich mich für eine EM in zwei Jahren nochmal motivieren? Und dann auch eine Antwort finden."
Neid scheinen die Diskussionen um ihre Person in den letzten Tagen doch arg zu schaffen zu machen. Unmittelbar nach dem Ausscheiden hatte die Bundestrainerin noch betont "keine Motivationsprobleme" zu verspüren. Nun also der Rückzieher.
Was wird aus der Mannschaft?
Angesichts dessen bleibt auch offen, wie die Mannschaft in Zukunft aussehen wird. Klar ist, dass mit Ariane Hingst und Birgit Prinz zwei Urgesteine ihre Nationalmannschaftskarriere beenden. Das hatte das Duo schon vor der WM bekanntgegeben und daran wird sich auch nichts mehr ändern. "Es gibt ganz sicher keine Möglichkeit, dass ich zurückkehre", sagte Prinz.
Bei allen anderen Spielerinnen ging Neid bislang davon aus, dass sie auch künftig zur Verfügung stehen. Doch wie für die Bundestrainerin gilt nach der verkorksten WM auch für die eine oder andere Spielerin die Frage: Kann man sich für künftige Aufgaben nochmal motivieren?
Zumal mit der verpassten Qualifikation für die Olympischen Spiele 2012 ein großer Anreiz zum Weitermachen wegfällt. Das nächste Großereignis steht erst in zwei Jahren mit der EM in Schweden auf dem Programm. Nadine Angerer, Inka Grings (beide aktuell 32), Kerstin Garefrekes und Martina Müller (beide 31) wären dann zumindest schon im fortgeschrittenen Fußballer-Alter. Und einen EM-Titel hat jede von ihnen schon gewonnen.
Was hat die WM gebracht?
Die sportlichen Auswirkungen des frühen WM-Ausscheidens aufs Nationalteam sind die eine Seite, doch welche Folgen hat der K.o. für den deutschen Frauen-Fußball generell? Was bleibt von der Euphorie der WM zurück? Und schafft man es tatsächlich, den Frauen-Fußball in Deutschland durch die WM auf eine neue Stufe zu bringen?
Beim DFB ist man optimistisch. "Das Interesse, selbst zu spielen oder zumindest sich die Spiele anzuschauen, ist gestiegen. Solche Veranstaltungen reißen doch immer mit", sagte DFB-Vizepräsidentin Hannelore Ratzeburg auf "dfb.de". "Die Menschen sind neugierig auf Frauen-Fußball."
Top-Quoten im TV
Das belegen auch die TV-Einschaltquoten. 16,95 Millionen Zuschauer im Schnitt verfolgten das Japan-Spiel an den Fernsehgeräten, so viele wie nie zuvor bei einem Frauen-Länderspiel. Auch die anderen deutschen Spiele erreichten ähnliche Zahlen.
"Der Frauen-Fußball ist angekommen", glaubt "ZDF"-Sprecher Walter Kehr. "Die Leute haben ein großes Interesse. Dem wird sicher auch in der Berichterstattung nach dieser WM Rechnung getragen werden." Man darf gespannt sein, ob dieser Ankündigung auch Taten folgen, schließlich erwarben die Öffentlich-Rechtlichen vor kurzem die TV-Rechte an der Frauen-Bundesliga.
Auf die mediale Begleitung legt man auch beim DFB großen Wert. Der Frauen-Fußball soll nach der WM nicht wieder aus dem Fokus der Öffentlichkeit verschwinden. "Wir werden versuchen, den Kernbereich, und das ist die Frauen-Bundesliga, langsam aber stetig in eine größere Aufmerksamkeit zu bekommen", sagte Zwanziger.
Das Ziel: "Wir müssen es schaffen, die Frauen-Bundesliga in die Nähe der 3. Liga der Männer zu bekommen", so der DFB-Präsident. "Dass man in der Sportschau und den dritten Programmen regelmäßig Berichte hat."
Die Skepsis bleibt
An den erhofften Hype glaubt man allerdings wohl nicht so recht. "Es werden wieder andere Dinge in den Vordergrund rücken", sagt Zwanziger und stellt sich selbst die Frage: "Waren diese vielen Zuschauer bei der WM reine Event-Menschen, die sich über jedes Event freuen und für die das anschließend erledigt ist, oder sind das Menschen, die grundsätzliches Interesse speziell am Frauen-Fußball haben?"
Eine Antwort darauf steht freilich noch aus, wirklich optimistisch sind die DFB-Frauen allerdings nicht. "Wir wissen selbst, dass wir jetzt künftig nicht vor zig tausenden Zuschauern spielen werden", sagt Nationalspielerin Celia Okoyino da Mbabi. "Wir hoffen aber, dass wir den einen oder anderen dazu bewegen konnten, sich auch künftig mal ein Spiel anzuschauen."
Eine erfolgreiche WM hätte wohl zumindest für den einen oder anderen mehr gesorgt.
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