Erst Triple-Sieger mit Barcelona, nun Nationaltrainer der Ukraine: Lluis Cortes soll den Frauenfußball voranbringen

Von Ameé Ruszkai
Lluis Cortes führte die Frauen des FC Barcelona an die europäische Spitze, nun soll der Triple-Trainer die Ukraine voranbringen.
© getty

Lluis Cortes führte die Frauen des FC Barcelona an die europäische Spitze, nun soll der Triple-Trainer die Ukraine voranbringen.

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Man stelle sich vor, Pep Guardiola gewinnt mit Manchester City in der laufenden Saison das Triple aus Champions League, englischer Meisterschaft und FA Cup - und entschließt sich zum Rücktritt, um wenige Monate später Nationaltrainer von Australien zu werden. Klingt utopisch? Nun, im Frauenfußball ist etwas ganz Ähnliches in den vergangenen Monaten passiert. Konkret geht es um Lluis Cortes.

Der Spanier führte die Frauen des FC Barcelona auf den europäischen Thron, holte mit einer Mannschaft um die Ausnahmespielerin Alexia Putellas erstmals in der Klubgeschichte das Triple und trat dann zurück.

Die eigentliche Überraschung folgte aber im November. Denn da wurde bekannt, dass Cortes Nationaltrainer der ukrainischen Frauen wird. Was diese mit den australischen Herren zu tun haben? Beide liegen auf Platz 35 ihrer jeweiligen Weltrangliste, gehören also nicht unbedingt zu den Top-Nationen.

Ukraine mit hohen Zielen im Frauenfußball

Was reizt Cortes aber nun an seinem neuen Job? Es ist die Vision, die der ukrainische Verband UAF im Frauenfußball verfolgt. Denn die UAF will die Frauen aus dem Schattendasein herausholen und strebt eine führende Rolle in Europa an. 2025 will die Ukraine die Europameisterschaft ausrichten, und auf Klubebene sorgte der Klub Zhytlobud-1 aus Kharkiv zuletzt in der Champions League für Aufsehen.

Cortes ist in den Überlegungen von UAF-Präsident Andriy Pavelko die Schlüsselfigur, um den Frauenfußball im eigenen Land zu entwickeln. Denn er soll nicht nur die Nationalmannschaft trainieren, sondern auch im Hintergrund Prozesse vorantreiben. Solch eine Doppelfunktion kennt Cortes auch schon aus Barcelona. "Ich werde dasselbe versuchen, aber in einem größeren Szenario", sagte Cortes im Gespräch mit SPOX und GOAL. Der 35-Jährige erzählt, dass es Pavelkos "persönliches Ziel" gewesen sei, ihn zu holen.

Das Projekt empfindet er dabei als besonders spannend. "Der Verband hegt große Ambitionen im Frauenfußball. Sie wollen sich verbessern, ich will mich verbessern. Und was das Wichtigste ist: Auch die Spielerinnen wollen sich verbessern", sagte Cortes.

Champions-League-Finale 2018 als Dosenöffner

Doch wie kommt es, dass die Frauen im ukrainischen Verband plötzlich solch eine Rolle spielen? Laut Sergey Novikov, Vizechef für Frauenfußball in der UAF, war die Ausrichtung des Champions-League-Finals 2018 in Kiew ein Wendepunkt. "Viele Präsidenten, Offizielle und normale Fans haben es gesehen und erkannt, dass der Frauenfußball ein Existenzrecht hat", berichtete Noviko im Gespräch mit SPOX und GOAL. Auch hätten viele Mädchen erkannt, dass es für sie noch eine andere Möglichkeit gibt - nämlich die, Profifußballerin zu werden.

Die UAF führte eine Strategie ein, wonach alle Männerklubs auch mit Frauenklubs zusammenarbeiten sollen. "Das eröffnet landesweit die Chance für neue Klubs und neue Schulen", erklärte Valentyna Kotyk, Cheftrainerin von Zhytlobud-1 Kharkiv. Ihr Klub qualifizierte sich in der laufenden Saison für die Gruppenphase der Champions League und holte dort in einer Gruppe mit Paris Saint-Germain, Real Madrid und dem isländischen Vertreter Breidablik vier Punkte. Der Sieg gegen die Isländerinnen brachte die Ukraine in eine gute Position, um ab 2023 zwei Klubs in den Wettbewerb schicken zu können.

Ohnehin ist Zhytlobud-1 eine Art Blaupause für das, was sich die Entscheider im Verband vom ukrainischen Frauenfußball in den kommenden Jahren erhoffen. Der Klub plant die Errichtung eines neuen Stadions für die Frauen sowie die Eröffnung einer Schule für talentierte Nachwuchskickerinnen. "Wenn man sich die Pläne des Klubpräsidenten vor Augen führt, wissen wir, dass wir viel Arbeit vor uns haben", sagte Kotyk.

Cortes erinnert sich an Spanien zurück

Bei Cortes kommen beim Blick auf die Entwicklung in der Ukraine Erinnerungen an seine Heimat zum Vorschein. "Das Land ist jetzt da, wo wir in Spanien vor zehn bis 15 Jahren waren", meint er: "Es ist wahr, dass wir weit entfernt sind von den großen Ländern, in denen der Frauenfußball populärer ist. Aber es ist ebenso wahr, dass wir uns verbessern können."

Wichtig sei es laut Cortes, Frauenfußball aus der Ecke des Ungewöhnlichen herauszubekommen. "Als Erstes müssen wir die Mentalität der Leute ändern. Die Leute müssen verstehen, dass es heutzutage normal ist, wenn ein Mädchen oder eine Frau Fußball spielt", sagte er. Diese Erkenntnis und eine umfangreichere Berichterstattung führten dann schließlich zu mehr Aufmerksamkeit und zu mehr Sponsoren, was wiederum Einfluss auf die Qualität der Liga und auch der Nationalmannschaft habe. "Alles hängt zusammen, aber wir müssen viel arbeiten", so Cortes.

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