"Vor der Moschee lagen 15 Tote"

Von Interview: Felix Götz
Pfannenstiel (l.) mit dem früheren Hertha- und Nürnberg-Profi Sanneh in Pakistan
© SPOX

Eine waghalsige Hilfsaktion und Ärger mit den Behörden: Lutz Pfannenstiel geht dahin, wo es wehtut. Im Interview spricht der Fußball-Globetrotter über eine tränenreiche Reise ins pakistanische Überschwemmungsgebiet. Zudem berichtet der 37-Jährige von Psychoterror in Simbabwe, der einen Singapur-Flashback auslöste.

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SPOX: Herr Pfannenstiel, im September waren Sie mit ihrem gemeinnützigen Fußballverein Global United in Pakistan, um vor Ort den Hochwassergeschädigten zu helfen. Wie kam es dazu?

Lutz Pfannenstiel: Wir sind da mit vier Mann von "Global United" mit der Hilfsorganisation "Gift of the Givers" hingefahren, um Soforthilfe zu leisten. Auch die Organisation "Kinder sind unsere Nr. 1" hat das unterstützt.

SPOX: Wer war außer Ihnen mit dabei?

Pfannenstiel: Die ehemaligen Fußballer Michel Mazingu-Dinzey, Tony Sanneh und Wynton Rufer.

SPOX: Und?

Pfannenstiel: Wir haben unter anderem Reis, Wasser, Medikamente und Milchpulver ausgeliefert.

SPOX: Wie war die Lage vor Ort?

Pfannenstiel: Fürchterlich. Wir sind mit Booten in Gebiete gefahren, in denen seit drei Wochen keiner war. In einem Dorf mit ungefähr 1000 Einwohnern standen beispielsweise nur noch zehn Häuser, darunter die Moschee. Davor lagen auf einem Platz so um die 15 Tote.

SPOX: Eine Erfahrung, die Sie an Ihre Grenzen gebracht hat?

Pfannenstiel: Obwohl es hart war und auch Tränen geflossen sind, muss ich sagen, dass ich es sofort wieder machen würde, weil es ein besonderes Gefühl ist, wenn man vor Ort wirklich helfen kann. Allerdings ist es wiederum ein grausames Gefühl, wenn da irgendwo 5000 Leute dringend was zu essen brauchen, man aber nicht genug dabei hat. Da gab es kritische Situationen, bis hin zur Massenpanik.

SPOX: Wollten Sie mit so einer krassen Aktion auch beweisen, dass Sie es mit Ihrer Organisation ernst meinen?

Pfannenstiel: Wir wollten natürlich schon zeigen, dass wir nicht nur irgendwo zum Fußballspielen zusammenkommen, sondern auch da hingehen, wo es weh tut. Aber meine Jungs und ich machen das in erster Linie ganz einfach deshalb, weil es für uns eine Herzensangelegenheit ist.

Pfannenstiel: "So eine Erfahrung ist unbezahlbar"

SPOX: Nicht nur in Pakistan, sondern auch in Simbabwe haben Sie für Schlagzeilen gesorgt. Sie wurden von den Behörden festgehalten. Warum?

Pfannenstiel: Mir wurde vorgeworfen, dass ich ohne Arbeitserlaubnis gearbeitet hätte.

SPOX: Warum waren Sie überhaupt dort?

Pfannenstiel: Ich gebe für DFB, FIFA und CAF Torwarttrainer-Ausbildungskurse weltweit. Ich war in Simbabwe, um einen Kurs Anfang 2011 vorzubereiten und gleichzeitig haben mich mein ehemaliger Cheftrainer aus Namibia, Tom Saintfiet, und der simbabwische Verband darum gebeten, das Level des Torwarttrainings und der Torhüter im Land zu begutachten. Deshalb habe ich eine offizielle Einladung vom simbabwischen Verband erhalten.

SPOX: Wie entstanden dann die Probleme?

Pfannenstiel: Ein Problem war, dass ich eben beim Training auch auf dem Platz war. Aber ich wollte mir das Torwarttraining genau anschauen, deshalb war ich schließlich da. Eingegriffen habe ich aber nur in sofern, dass ich ein paar Tipps gegeben und ein paar Übungen gezeigt habe.

SPOX: Deshalb die ganze Aufregung?

Pfannenstiel: Das grundsätzliche Problem in Simbabwe war, dass einige den Vorgänger von Saintfiet behalten wollten. Deshalb steht der da auch extrem in der Schusslinie.

SPOX: Was dann auch auf Sie überging?

Pfannenstiel: Richtig. Da stand plötzlich in den Zeitungen, dass jetzt noch ein Weißer aufgetaucht ist und der dem einheimischen Torwarttrainer den Job wegnehmen möchte. Damit war ich gemeint. Aber diese Gerüchte hatten überhaupt keine Grundlage.

SPOX: Saintfiet hatte keine Arbeitsgenehmigung, oder?

Pfannensteil: Der simbabwische Verband hatte versprochen, sich darum zu kümmern. Erst dann hat Saintfiet begonnen, in das Training einzugreifen. Und schon ging das Gerücht um, dass die Einwanderungsbehörde kommen würde, um ihn abzuholen.

SPOX: Kam es dazu?

Pfannenstiel: Saintfiet bekam während einer Nachmittagseinheit mitgeteilt, dass er in zwei Stunden das Land verlassen solle, oder er würde verhaftet. Daraufhin hat er sich ins Auto gesetzt und ist elf Stunden lang nach Botswana gefahren.

SPOX: Ist Ihnen nicht mulmig geworden?

Pfannenstiel: Ich habe den Verband gefragt, ob ich auch mitfahren soll. Da wurde mir gesagt, dass es wegen mir keine Probleme geben werde. Darauf habe ich mich verlassen und habe dann entschieden, einen Tag später auszureisen.

SPOX: Ein Fehler?

Pfannestiel: Naja, beim Blick in die Zeitung ist mir am nächsten Morgen dann doch unwohl geworden. Auf der ersten Seite wurde getitelt: 'Die schwarze Vergangenheit des Torwarttrainers Lutz Pfannenstiel'.

SPOX: Eine Anspielung auf Ihre Verhaftung in Singapur, als Ihnen nach drei gewonnenen Spielen Manipulation vorgeworfen wurde und Sie im Gefängnis saßen?

Pfannenstiel: So ist es. Das Problem war, dass die Medien in Simbabwe diese Geschichte nicht vollständig wiedergegeben haben. Das wurde so hingedreht, dass ein Leser, der meine Geschichte nicht kennt, glauben muss, dass da etwas dran ist. Die Story war komplett unter der Gürtellinie.

SPOX: Wobei man Sie doch auch in Afrika kennt. Auch dort sind Berichte über Ihre gesamte Karriere im Fernsehen gelaufen.

Pfannenstiel: Das stimmt und deshalb glaube ich auch nicht, dass so viele Menschen dem Zeitungsbericht geglaubt haben. Bei der Nationalelf war es zum Beispiel so, dass die Spieler zu mir gekommen sind und gesagt haben: Dich kennen wir doch aus dem Fernsehen. Meine Story ist in Afrika monatelang rauf und runter gelaufen. Zudem weiß man von mir, dass ich mich immer im Kampf gegen Korruption im Sport eingesetzt habe.

SPOX: Der Zeitungsbericht ist Ihnen also wie Rufmord vorgekommen?

Pfannestiel: Aus diesem Grund bin ich zum Verbandspräsidenten gefahren und habe ihm gesagt, dass wir dagegen vorgehen müssen. Er hat mir dann zugesichert, dass er mich unterstützen wird, weil ihm das auch nicht passt.

SPOX: Wie ging es weiter?

Pfannenstiel: Ich bin zum Flughafen gefahren. Und als ich zum Schalter für die Passkontrolle gegangen bin, habe ich schon ein Foto von mir liegen sehen.

SPOX: War sofort der Gedanke da, dass Sie jetzt wieder eingesperrt werden könnten?

Pfannenstiel: Ich hatte eine riesige Angst und in den nächsten zehn Tagen kamen immer wieder schlimme Singapur-Flashbacks herauf. Ich konnte nicht mehr schlafen - das war Psychoterror.

SPOX: Dann wurde Ihnen die Ausreise verweigert?

Pfannenstiel: Es hieß dann, dass man mich festhalten müsse, weil ich illegal im Land gearbeitet hätte. Ich habe denen dann meine Einladung vom Verband gezeigt und klargestellt, dass ich hier keinen Vertrag habe oder hatte und mir auch keiner Angeboten worden ist. Außerdem habe ich kein Geld für meinen Besuch bekommen.

SPOX: Aber die Behörden hatten noch ein Ass im Ärmel?

Pfannenstiel: Die haben mich dann erstmal warten lassen und wie wild durch die Gegend telefoniert. Plötzlich gab es einen anderen Vorwurf. Bei meiner Einreise musste ich ein Formular ausfüllen. Da wurde unter anderem gefragt, ob ich vorbestraft sei. Das habe ich wahrheitsgemäß verneint. Jetzt hieß es aber, dass ich meinen Gefängnisaufenthalt in Singapur nicht erwähnt hätte.

SPOX: Ein Fehler?

Pfannenstiel: Mir wurde gesagt, dass ich entweder das mit Singapur unterschreiben müsse oder das mit der illegalen Arbeit. Also habe ich die deutsche Botschaft angerufen und um Rat gefragt. Die haben mir geraten, dass ich unterschrieben soll, dass ich in Singapur im Gefängnis war, die Geschichte aber auf der Rückseite des Zettels genau erklären solle. Das habe ich gemacht und ich durfte gehen.

SPOX: Aber die Geschichte war damit nicht zu Ende. In Simbabwe wurde angeblich in einer Zeitung geschrieben, dass man Angst davor hätte, dass Sie die Spieler beeinflusst haben könnten, was den Ausgang des nächsten Länderspiels angeht.

Pfannenstiel: Genau. Das ist totaler Rufmord. Wenn so etwas in Deutschland geschrieben wird, dann kann ich sicher sein, dass ich einen saftigen Schadensersatz bekomme. Das hat mir auch mein Anwalt bereits bestätigt. Was mich wirklich ärgert ist: Ich habe in den letzten zehn Jahren extrem viel Charity gemacht, Global United gegründet und viel gegen Korruption im Sport gekämpft. Und dann muss man sich so eine Scheiße anhören.

SPOX: Werden Sie dagegen vorgehen?

Pfannenstiel: Ich habe die FIFA und den DFB benachrichtigt. Die waren auch empört. Ich werde jetzt mal überlegen, die Zeitung zu verklagen.

Pfannenstiel: "Schönen Dank, Herr Blatter"