Lieber Beerschot als Real Madrid

Von Maurice Kneisel
Entschied sich gegen Real Madrid und für seine Familie: Mats Rits von Germinal Beerschot Antwerpen
© Imago

Germinal Beerschot ist selbst in Belgien eine graue Maus - dabei entwickelt die Jugendabteilung des Vereins einige der hoffnungsvollsten Fußballer des Landes. Einer von ihnen gab kürzlich sogar Real Madrid einen Korb.

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In Belgien hoffen angesichts der Krise, in die die Nationalmannschaft nach der WM 2002 gestürzt ist, alle auf die sogenannte Goldene Generation, die bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking den vierten Platz holte.

Junge belgische Spieler wie Eden Hazard (OSC Lille), Thomas Vermaelen (FC Arsenal) oder Marouane Fellaini (FC Everton) haben sich in den letzten Jahren zu Leistungsträgern bei größeren europäischen Klubs entwickelt.

Auch in der heimischen Jupiler Pro League stehen einige Juwele (noch) unter Vertrag, darunter der 17-jährige Wunderstürmer vom Rekordmeister RSC Anderlecht, Romelu Lukaku, Brügges dribbelstarker Flügelflitzer Maxime Lestienne und Toptorjäger Jelle Vossen (16 Tore in 19 Saisonspielen) vom KRC Genk.

Deutlich weniger Beachtung findet die Nachwuchsarbeit von Germinal Beerschot. Dabei steht dort unter anderem ein 17-Jähriger in der ersten Mannschaft, hinter dem schon Real Madrid her war. Aber eins nach dem anderen.

Fusion 1999

Der K.F.C. Germinal Beerschot ist ein belgischer Erstligaverein aus dem Süden der Hafenstadt Antwerpen. Der Klub entstand 1999 in Folge einer Fusion des siebenfachen belgischen Meisters K. Beerschot V.A.C. mit dem KFC Germinal Ekeren. GBA gewann 2005 den belgischen Pokal.

In der laufenden Saison tun sich die Flamen aber bislang schwer und stehen auf Platz 13. Star der Mannschaft ist der sechsfache Nationalspieler Faris Haroun, der auch zur belgischen Olympiamannschaft von 2008 gehörte.

Antwerpen ist mit knapp einer halben Million Einwohner die größte Stadtgemeinde Belgiens, die Provinz umfasst über 1,7 Millionen. Trotzdem kommen zu Heimspielen von Beerschot in dieser Saison gerade mal durchschnittlich 8.300 Zuschauer.

Starke Konkurrenz in der Region

Hauptgrund dafür ist die verhältnismäßig starke Ballung von Fußballstädten in der Region. Im Umkreis von nur 50 Kilometern liegen die Erstliga-Vereine KVC Westerloo, Sporting Lokeren, Lierse SK und KV Mechelen sowie der inzwischen zweitklassige Traditionsverein KSK Beveren (nach einer Fusion Waasland-Beveren). In der zweiten Liga spielt zudem auch der vierfache belgische Meister und Lokalrivale Royal Antwerpen.

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Die Klubs machen sich gegenseitig Zuschauer und Sponsoren streitig, dementsprechend fehlen die finanziellen Mittel und somit auch die Chance, dauerhaft an die etablierten Drei (RSC Anderlecht, Club Brügge, Standard Lüttich) heranzurücken.

In den vergangenen 30 Jahren konnte sich kein vierter Klub dauerhaft an der Spitze des belgischen Fußballs behaupten: 25 Meisterschaften gingen an einen der drei Großen, nur fünfmal setzte sich ein Außenseiter durch, zweimal immerhin der KRC Genk.

Zwei Möglichkeiten für die kleinen Klubs

Für die finanziell schwächeren Teams bestehen nur zwei Möglichkeiten: Entweder setzen sie auf günstige Profis aus dem Ausland, oder sie holen junge Spieler frühzeitig für kleines Geld in den Verein, bilden sie aus und verkaufen sie später an einen der belgischen Topklubs oder ins Ausland.

Germinal Beerschot verfolgt eindeutig den zweiten Weg: "Das ist die Philosophie unseres Klubs. Wir versuchen, die jungen Spieler zu entwickeln", bestätigt Beerschots Jugendkoordinator Guy Lemmens im Interview mit SPOX.

Kooperation mit Ajax

Bis vor vier Jahren bestand eine Kooperation mit Ajax Amsterdam. Zwischen 2000 und 2004 wechselten Jan Vertonghen, Toby Alderweireld, Tom de Mul und Thomas Vermaelen aus der Jugend von Germinal zum niederländischen Rekordmeister. Alle vier Spieler haben mittlerweile für die belgische Auswahl gespielt und sind, mit Ausnahme von de Mul, daraus nicht mehr wegzudenken.

Der 25-jährige Vermaelen ist nicht nur Kapitän der Roten Teufel, sondern auch Leistungsträger beim FC Arsenal. In der Premier League spielt zudem mit Moussa Dembele (FC Fulham) ein weiterer Nationalspieler aus der Beerschot-Jugend.

"Wir sind sehr stolz auf die Jungs", versichert Lemmens. "Es ist natürlich sehr schade für uns, dass diese Spieler den Verein verlassen haben. Aber außerhalb von Belgien boten sich ihnen einfach bessere Möglichkeiten."

"Wenn die großen Klubs kommen, können wir nicht mithalten"

Derzeit stehen neun Talente im Alter zwischen 16 und 20 in der ersten Mannschaft von Germinal Beerschot, darunter vier junge Belgier, die der Verein bereits mit Profiverträgen ausgestattet hat: Thomas Kaminski, Mats Rits, Oumar Diouck und Mats Smets.

Wie lange die Antwerpener Freude an den Youngstern haben werden, ist allerdings fraglich. Dessen ist sich Lemmens auch bewusst: "Es ist unser Ziel, die Jungs zu halten und zu Leistungsträgern für Beerschot zu machen. Aber wenn die großen Klubs kommen und ihnen große Beträge bieten, können wir leider nicht mithalten."

"Ein außerordentliches Talent"

Das derzeit größte Juwel des Klubs ist Thomas Kaminski. Der gerade mal 18-Jährige ist nicht nur bereits Stammkeeper der Antwerpener, sondern auch die Nummer eins der belgischen U 19.

"Thomas ist ein außerordentliches Talent. Er hat den Mut, zu den erfahrenen Spielern zu gehen und ihnen zu sagen, was sie auf dem Feld besser machen können. Er ist ein hervorragender Anführer und ein Top-Torwart", zeigt Lemmens sich von seinem ehemaligen Schützling begeistert.

Was für ein Debüt

Das prominenteste Talent im Kader ist aber Mats Rits. Der inzwischen 17-Jährige feierte sein Erstliga-Debüt am 3. Oktober 2009 gegen den KVC Westerloo, als er nach 30 Minuten für den verletzten Daniel Cruz beim Spielstand von 0:1 eingewechselt wurde.

In der 60. Minute setzte der ehemalige Hertha-Spieler Bart Goor Rits mit einem Pass in Szene, dieser verwandelte per Linksschuss zum Ausgleich. Und es kam noch besser, in der 90. Minute erzielte Rits den Treffer zum 3:1-Endstand. Was für ein Debüt.

Trotzdem wird der fünffache U-17-Nationalspieler in Antwerpen behutsam aufgebaut. In der bisherigen Saison kam er erst in fünf Liga- und einem Pokalspiel zum Einsatz. Das ändert aber nichts am Potential, das in dem offensiven zentralen Mittelfeldspieler steckt.

"Ich denke, er wird in den nächsten Monaten seine Chance nutzen. Er muss geduldig sein. Ich hoffe, er macht die erwarteten Fortschritte, dann wird er bald ein fester Bestandteil der ersten Mannschaft sein", ist Lemmens optimistisch.

Korb für Real Madrid und Ajax

Auch wenn der beidfüßig starke Rits den meisten Fußballfans außerhalb Belgiens noch kein Begriff ist, steht er bereits seit Jahren auf den Wunschzetteln diverser europäischer Topklubs. Noch vor seinem spektakulären Debüt bemühte sich im Sommer 2009 neben dem RSC Anderlecht auch Real Madrid um Rits.

Die Königlichen wollten ihn seinerzeit mitsamt seiner Familie in die spanische Hauptstadt holen und boten zwei Millionen Euro - aber Rits lehnte ab. "Madrid ist einfach zu weit entfernt von Antwerpen und wir wollen unseren Sohn nicht verlieren", begründete Vater Ludo die Entscheidung.

Auch Ajax Amsterdam legte ein Vertragsangebot vor. "Ich muss zugeben, dass ich lange überlegt habe, bevor ich mich schließlich zu einer Entscheidung durchringen konnte", so Rits: "Ajax war der letzte verbliebene Kandidat auf der Liste. Aber letztendlich haben außersportliche Aspekte den Ausschlag gegeben."

"Dadurch, dass ich mich für Germinal Beerschot entschieden habe, kann ich auch bei meiner Familie bleiben, hier weiter zur Schule gehen und meinen Abschluss machen", erklärte Rits. Im Anschluss unterschrieb er bei GBA seinen ersten Profivertrag, mit gerade mal 15 Jahren.

Talentschmiede für andere Vereine

Eines steht fest: Entwickelt Rits sich weiter wie bisher, dann wird er früher oder später zu einem größeren Klub wechseln. Das Gleiche dürfte für Kaminski und einige seiner Kollegen aus der Jugendabteilung gelten. Germinal Beerschot hat weder den sportlichen Erfolg noch die finanziellen Mittel, um seine Talente auf Dauer halten zu können.

Die Antwerpener werden weiterhin auf kostengünstige junge Spieler aus dem In- und Ausland setzen und als Talentschmiede für andere Vereine dienen. Ajax, Arsenal und Co. werden es ihnen danken. Und die belgische Nationalmannschaft ebenso.

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