Die Rüpel von der Stamford Bridge

SID
Frank Lampard (r.) ist mit Chelsea auf dem besten Weg, einen Negativrekord aufzustellen
© Getty

Der FC Chelsea mutiert unter Andre Villas-Boas zur Rüpel-Truppe der Premier League. Der Karten-Rekord wackelt schon nach zwölf Spielen bedenklich. Juventus und Inter befeuern sich weiter über die Medien. Der Grund: Juves aberkannter Titel von 2006. Und: Jose Mourinho sorgt wieder für Ärger in Spanien. Unsere Korrespondenten vor Ort berichten.

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Serie A

von Oliver Birkner

Explosionsgefahr bei Allegri: Es war kein Happy Weekend der italienischen Referee-Gespanne. Am Sonntagabend stahl ein falsches Abseits-Winken Romas Pablo Osvaldo ein Traumtor - das war allerdings nichts im Vergleich zum schwarzen Samstag. Inter ging gegen Cagliari per Abseits-Tor in Führung, Napoli und Milan hingegen wurden zwei klare Tore wegen abstruser Abseits-Entscheidungen aberkannt. Umso ärgerlicher, da beide Teams 0:0 spielten. Dem AC wurde in Florenz zudem ein Elfmeter verweigert. "Ich will die Szenen nicht noch einmal sehen, denn sonst explodiere ich", wetterte Milan-Trainer Allegri, der den Referees im Kabinengang einige warme Worte mit auf die Heimreise gab. Die deutlich unterlegene Fiorentina war mit dem torlosen Remis also ziemlich gut bedient, was TV-Experte Zibi Boniek äußerst poetisch umschrieb: "Manchmal fällst du in eine Kloake und steigst angenehm duftend wieder heraus." Die Fernseh-Protagonisten bilanzierten ohnehin mal wieder einige Sternstunden. Ein Tor von Cristiano Ronaldo in Valencia wurde auf "Sky" mit den Worten kommentiert: "Genau so hat Ciro Immobile heute für Pescara gegen Gubbio getroffen." Darauf der legendäre Co-Kommentator Jose Altafini: "Exakt! Das hat er sicher bei uns auf "Sky" gesehen und nachmachen wollen." Wer kennt sie nicht, Ronaldos glühende Passion für Ciro Immobile und Italiens Serie B.

Juve, Calciopoli und kein Ende: Wenig zu quengeln gab es in Turin - auch wenn der aussortierte und führerscheinlose Luca Toni da anders denken mag. Ein Spiel weniger und trotzdem Tabellenführer, so lautet die aktuelle Juventus-Bilanz - weiterhin ungeschlagen und mit dem besten Start seit dem Manipulationsskandal 2006. Calciopoli und die beiden aberkannten Scudetti sorgen allerdings weiter für politischen Ärger. Jüngst verkündete Juve-Chef Andrea Agnelli deshalb die kongeniale Idee, vom Verband 444 Millionen Euro Schadenersatz einklagen zu wollen. Juve und Inter seien während des Prozesses mit zweierlei Maß behandelt worden, lautet die Begründung. Abgesehen von der Tatsache, dass der Verband den Titel 2006 besser überhaupt nicht vergeben hätte (der Scudetto ging über den grünen Tisch an Inter), erweist sich die leidige Polemik um Calciopoli von Seiten der Turiner langsam als ermüdend. Im Dezember wird zwischen Verband, Inter und Juve nun ein runder Friedens-Tisch organisiert. "Wenn dadurch endlich Frieden entstünde, wäre ich überglücklich", sagte Inter-Patron Massimo Moratti. "Das bezweifle ich aber. Ich hoffe unter dem Tisch sind keine Messer versteckt. Wir werden uns zur Sicherheit lieber nicht hinsetzen." Aber wohl kaum zu stehenden Ovationen.

Der einzige Normale: Italien und die Klub-Präsidenten, das ist ja traditionell eine recht amüsante Liaison. In Genua verließ Patron Enrico Preziosi beim Duell zwischen seinem Genoa und Novara bereits zur Pause das Stadion und wütete: "Das kann sich doch kein normaler Mensch anschauen!" 20.000 Unnormale harrten hingegen bis zum Ende aus und sahen zumindest Miguel Velosos Siegtor drei Minuten vor Schluss. Da war Preziosi sicher schon daheim und erfreute sich vielleicht an der Wiederholung der Partie zwischen Pescara und Gubbio - wie sicher auch Cristiano Ronaldo, der dabei noch einmal genau die Künste seines Idols Ciro Immobile unter die Lupe nahm.

Premier League

von Raphael Honigstein

Die Rüpel der Liga: In seiner ersten Saison droht Andre Villas-Boas einen neuen Rekord an der Stamford Bridge aufzustellen: Nach zwölf Ligaspielen hat sein Chelsea bereits 31 Gelbe und drei Rote Karten eingesammelt, im Durchschnitt gab es pro Match also 2,83 Mal einen Karton für die Blauen. Das läuft auf eine neue Bestmarke in der Premier League hinaus, der bisherige Rekord liegt bei 2,37 Karten aus der Saison 1998-99. Ist es ein Zeichen von Frust über eine Offensiv-Taktik, die von den Spielern nicht verstanden wird oder einfach nicht umgesetzt werden kann? Besonders "Verteidiger" David Luiz scheint derzeit von allen guten Geistern verlassen. "Er bewegt sich, als ob ihn ein Zehnjähriger auf der PlayStation steuert", sagte "Sky-Sports"-Experte Gary Neville beim 1:2 gegen Liverpool, der dritten Niederlage im dritten Spitzenspiel. Villas-Boas ist jedenfalls seine Coolness erstmal los. Der 34-Jährige Portugiese hatte vor dem Match erklärt, Fernando Torres belaste dessen Transfersumme (59 Millionen Euro) ebenso wenig wie ihn selbst die 15 Millionen Pfund, die Roman Abramowitsch dem FC Porto für seine Unterschrift überwiesen hat. "Mir ist das gleichgültig", sagte er am Freitag. Am Sonntag hörte sich allerdings ganz anders an. "Der Eigentümer hat nicht 15 Millionen bezahlt, um mich von Porto los zu eisen, um danach ein Vermögen auszugeben, um mich wieder loszuwerden", sagte er, nach Fragen zu seinen beruflichen Aussichten sichtlich angefressen. Der Wink mit dem Zaunpfahl dürfte angekommen sein, doch auf die Rationalität seines Arbeitgebers sollte sich der jüngste Spitzentrainer der Welt besser nicht verlassen. Gerade weil Abramowitsch ein Vermögen für sein Hobby ausgibt, hat er keine Lust auf die Europa League.

Griechische Fahrstühle für die Fitness: Für Phil Jones geht es derzeit nur steil bergauf. Nach den Länderspielen wurde der Verteidiger von Manchester United von Fabio Capello sogar als "der neue Franco Baresi" tituliert, ein Lob, das doch etwas voreilig anmutet. Seit einem Internetchat auf "Manutd.com" ist aber zumindest klar, wie der 21-Jährige zu seinen super Fitnesswerten kommt: vom Treppensteigen. Nein, Jones hat nicht eine persönliche Version des Mount Magath im Vorgarten stehen, dafür aber eine ausgewachsene Angst vor Fahrstühlen. Vor ausländischen Fahrstühlen, um genau zu sein. "Als ich zehn Jahre alt war, bin einmal mehrere Stunden in einem Lift in Griechenland stecken geblieben", verriet er. "Seitdem steige ich im Ausland in keinen Fahrstuhl." Der "Daily Mirror" fühlte sich angesichts dieser Enthüllung übrigens an einen Streich erinnert, den United-Assistenztrainer Brian Kidd vor einem UEFA-Pokal-Spiel in Russland spielte. "Kidd erzählte Becks, dass wegen des Unglücks in Tschernobyl das Leitungswasser verstrahlt sei", schrieb das Blatt. "Beckham wusch sich während des Trips aus Angst die Haare mit Evian."

"Chipsgate"-Affäre: Manchester City gab vor dem 3:1 gegen Newcastle den Rekordverlust von 227 Millionen Euro bekannt. Am Samstag wurde klar, warum nicht genügend Geld in die Kassen kommt. "Wir bedauern, Ihnen mitteilen zu müssen, dass es heute keine Chips zu kaufen gibt", sagte der Stadionsprecher kurz vor der Halbzeit. Tausende City-Fans mussten so ohne Fritten auskommen, aber der Klub nahm die große "Chipsgate"-Affäre mit Humor. "Es war nicht so, dass die Newcastle-Fans alles aufgegessen haben oder ein Engpass bestand", teilte City mit. "Wir hatten ganz einfach ein Problem mit der Gasversorgung." Das kann natürlich schon mal passieren. Gut, dass der Sponsor Etihad heißt, nicht Gazprom.

Primera Division

von Paula Villamarin Temperan

"Feiern ist keine Beleidigung": Jose Mourinho bestimmt mal wieder die Schlagzeilen der spanischen Gazetten. In dem hitzigen Duell Real gegen Valencia lieferte er sich ein schönes Wortgefecht mit seinem Gegenüber Jordi Alba und feierte die Tore seiner Mannschaft sehr ausgelassen. Das kam in Spanien nicht besonders gut an und wurde dem Portugiesen wieder einmal als Arroganz ausgelegt. Doch Mou ließ sich davon nicht beeindrucken und konterte: "Die Kritiker sagen wir seien arrogant, wenn wir die Tore nicht feiern und jetzt sagen sie, wir sind arrogant, weil wir sie feiern." Einmal angefangen, legte der Portugiese gleich nach: Valencia darf sich geschmeichelt fühlen, dass wir so gefeiert haben. So feiert man nicht in einem normalen Spiel gegen einen normalen Gegner. So feiert man große Siege, für die man leiden muss. Und Valencia hat eine Mannschaft, die Meister werden kann. Feiern ist keine Beleidigung!" Recht hat er!

Geschmackverirrungen in Kastilien: Da Real Valladolid in der Segunda Division gegen den FC Cartagena weder das Standard- noch das Ausweichtrikot (lila-weiß bzw. schwarz) benutzen darf, wurden die Vereinsoffiziellen erfinderisch. Kurzerhand wurden die Anhänger im Internet gefragt, welche Farbe das dritte Trikot haben soll. 2174 Leute haben abgestimmt, starke 1114 waren für die Farbe Rosa. Jetzt geht's am nächsten Samstag in sexy rosa Trikots aufs Spielfeld. Immerhin 683 Fans waren für Königsblau, 221 für Grün und 156 Anhänger wollten himmelblaue Jerseys. Das Trikot soll nur einmal getragen werden. Spitzfindig wie sie sind in Valladolid, gibt es das Trikot in limitierter Auflage im Fanshop zu kaufen. Der Preis liegt zwischen 45 und 49 Euro.

Premiere bei Athletic Bibao: Bei Athletic Bilbao, die sich selbst als baskische Nationalmannschaft sehen und nur baskische Spieler einsetzen, debütierte am Wochenende der 18-Jährige Ramalho. Nichts Besonderes? Doch! Ramalho ist der erste dunkelhäutige Spieler, der in einem Pflichtspiel für die erste Mannschaft eingesetzt wurde. Aber kein Grund zur Panik für die baskischen Nationalisten. Der Sohn eines Angolaners und einer Baskin ist in Bilbao geboren und erfüllt somit die Vereins-"Kriterien". Gott sei Dank! Zusammen mit Iker Muniain steht der U-19-Europameister für die erfolgreiche Zukunft von Athletic Bilbao.

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