Serie A
von Oliver Birkner
Inters Milan-Problem: Zuerst zum Wesentlichen. Sulley Ali Muntari heißt eigentlich Muntari Ali Sulley. Das wollte der Ghanaer kürzlich mal in aller Deutlichkeit klarstellen, da ihn ja jeder Sulley Muntari nennt. Bei Inter hieß er im Fanjargon hingegen "bidone", was Mülltonne bedeutet, und im Fußballbereich für eine verpflichtete Gurke steht.Inter kennt sich mit "bidoni" allerbestens aus. Hat jemand einmal den Gurkenstatus bei Inter erreicht, bleibt ihm nur ein Ausweg - er wechselt zu Milan. Kürzlich tauschte Sulley (oder Muntari oder wie auch immer) die Farben von Schwarzblau in Rotschwarz. Der 27-Jährige kostete Inter 2008 14 Millionen Euro und kickte seine Wertigkeit seither dermaßen nach unten, dass man ihn Ende Januar gratis zum AC auslieh. Dort gab er am Sonntag sein Debüt, traf prompt nach 29 Minuten und war einer der besten Akteure auf dem Platz. Wenig überraschend, denn Sulley ist ja nicht der erste in der innerstädtischen Erfolgsgeschichte. Clarence Seedorf beispielsweise spielte als burleske Eigenkopie einst bei Inter, bevor er im Tausch mit Francesco Coco (Francesco who?) beim AC anheuerte und wieder zum echten Seedorf avancierte. Andrea Pirlo nannten die Inter-Fans nur "pirla" (Mailänder Dialekt für das männliche Geschlechtsorgan) - dann wechselte er zu Milan, der Rest der Geschichte ist hinlänglich bekannt. "Sie haben wahrscheinlich laut geflucht, als Muntari heute traf", suggerierte ein Journalist Inter-Coach Claudio Ranieri am Sonntag. Der antwortete lapidar: "Blödsinn. Ich weiß, dass selbst unser Zeugwart eine Lawine von Toren schießen würde, wenn er beim AC unterschriebe." Der ist zwar schon fast 60, doch einen Gedanken könnte der AC durchaus riskieren.
Auf die Knie vor einem Schüler: Es bedeutet derzeit wirklich tausend Nadelstiche, Inter im Herzen zu tragen. Am Freitag brachte es der Klub tatsächlich fertig, daheim 0:3 von Bologna gedemütigt zu werden. Allein die Gegentore waren das Eintrittsgeld wert, wenn man einen Sinn für Satire besaß. Zumindest erlebte ein Neunjähriger dadurch kurzzeitigen Ruhm. Ein gewisser Filippo offerierte auf der Tribüne folgendes Plakat: "Könnt ihr bitte gewinnen? Ansonsten werde ich in der Schule wieder durch den Kakao gezogen. Grazie!" Inter ließ sich nicht lumpen und verbesserte die Bilanz auf ein Remis, fünf Niederlagen und 4:15 Tore aus den letzten sechs Partien. In Turin präsentierte die Kurve tags drauf das Spruchband: "Filippo, wechsel' die Schule oder den Verein!" Zur Schmerzlinderung lud Inter den gepeinigten Jungen am Sonntag ins Trainingscamp ein - Kapitän Javier Zanetti und Andrea Ranocchia gingen vor ihm auf die Knie und entschuldigten sich für die jüngste Misere. Später traf er Coach Ranieri und bemängelte: "Wir schießen zu wenig aufs Tor. Wenn man nicht schießt, kann man auch nicht treffen." Mit diesem unbezahlbaren Tipp sollte es schleunigst wieder bergauf gehen. Falls nicht, kann Filippo immer noch die Schule wechseln.
Respekt vor Falcao: Sollte die brillante Taktik "schießen, schießen, schießen" dennoch nicht weiterhelfen, offerierte der römische Lokal-Kommentator des Spiels Lazio gegen Atletico Madrid unter der Woche eine Universal-Genugtuung für jeglichen Krisenklub. Nach dem zweiten Treffer von Stürmer Falcao zischte er ins Mikrofon: "Den würde ich jetzt gerne mal richtig umwichsen - mit Respekt natürlich." Solange das mit Respekt geschieht, geht das zweifelsohne völlig in Ordnung.
Premier League
von Raphael Honigstein
Brightons Pokerspieler: Stevenage, Leicester, Birmingham: es war ein gutes Pokalwochenende für die unterklassigen Klubs, mit einer Ausnahme. Zweitligist Brighton & Hove Albion ging beim FC Liverpool mit 6:1 unter und brachte dabei gleich zwei große Kunststücke fertig. Zum einen ließen die "Seemöwen" Reds-Stürmer Andy Carroll wie einen richtigen Mittelstürmer aussehen, zum anderen fabrizierten sie drei Eigentore (zwei Mal Liam Bridcutt, Lewis Dunk) - das hatte in der 140-jährigen Geschichte des FA Cups noch keine Mannschaft in einer Partie geschafft. Dunks' Treffer nach einer missglückten Jongleur-Einlage auf der Linie war dabei besonders sehenswert. "Wir waren naiv, wir sind noch keine Erstligamannschaft", sagte Brighton-Trainer Gus Poyet. Der Klub von der Südküste ist übrigens im Besitz von Tony Bloom, einem professionellen Pokerspieler, der seine Millionen mit Fußballwetten gemacht hat. Aber das ist bestimmt - mal wieder - nur alles Zufall.
Jose Villas-Boas: Die "Sun" hat Andre Villas-Boas nach dem schwachen 1:1 gegen Birmingham City schon begraben. "RIP AVB: Neapel sehen und sterben", titelte das Blatt vor dem Trip zum SSC Neapel in der Champions League gewohnt geschmackssicher. Der Portugiese hat einen zunehmend schweren Stand an der Themse, weil die erfahrenen Spieler seinen Reform-Kurs nicht mittragen und Vorgänger Mourinho von Spanien aus herzhaft intrigiert. Öffentlich forderte der 48-Jährige nach Sprechchören für ihn an der Stamford Bridge zwar die Chelsea-Fans auf, sich hinter Villas-Boas zu stellen ("Ich bin die Vergangenheit, alle müssen nun gemeinsam kämpfen"), aber hintenrum verbreitete der Egozentriker, dass die Spieler wenig von Villas-Boas' Barcelona-Faszination halten und er selbst sich durchaus eine Rückkehr zu den Blauen vorstellen könne. Villas-Boas trägt es bisher alles mit Fassung - und ließ sogar über sich ergehen, dass ein "Sky"-Reporter ihn zwei Mal (aus Versehen?) mit "Jose" anredete...
Imaginärer Titel für Arsenal: Arsene Wenger hatte am Samstag weniger Geduld mit seinen Kritikern. "Ich bekomme Ratschläge von Leuten, die noch nie eine Mannschaft in Europa trainiert haben", sagte "Le Prof" nach dem 0:2 gegen Sunderland entnervt. Das Aus im Pokal bedeutet nach dem 0:4-Debakel in Mailand, dass die sportlich abgewirtschafteten Gunners auf die siebte titellose Saison in Folge zusteuern. Oder etwa nicht? Wenger glaubt zwar nicht an ein Wunder gegen den AC Milan im Rückspiel ("Wir leben nicht in einer Traumwelt"), machte aber klar, das seine persönliche Trophäensammlung auch in dieser Spielzeit noch wachsen kann. "Der vierte Platz ist unsere Trophäe", behauptete der Franzose. "Er ist immer noch möglich und überlebenswichtig für uns." Ob sich die Arsenal-Fans nach der langen Durststrecke mit diesem imaginärem Titel zufrieden stellen lassen? Und was wird erst die Polizei in Islington sagen, wenn Wenger und sein Team in einem unsichtbaren Doppeldecker durch die Gegend fahren wollen?
Primera Division
von Paula Villamarin Temperan
Wenn die Tanke zur Falle wird: Die Spieler des FC Valencia erlebten am Sonntag ihr Waterloo in Barcelona. Mit einer gefühlten 1:10-Klatsche schlich der Tabellendritte aus dem Camp Nou. Ever Banega gehörte nicht zur sportlichen verprügelten Truppe. Valencias Mittelfeldspieler hatte die Partie wegen einer harmlosen Kniereizung verpasst - eine reine Vorsichtsmaßnahme. Banega nutzte den freien Sonntag zur Autopflege: waschen, saugen, tanken. Was dem Argentinier dabei widerfuhr, ist eigentlich kaum zu glauben. Banega vergaß an der Tankstelle, einen Gang einzulegen bzw. die Handbremse zu ziehen. Der Wagen setzte sich in Bewegung, rollte rückwärts und fuhr Banega über den Fuß. Diagnose: Schien- und Wadenbeinbruch, sechs Monate Pause! Wie ein Häufchen Elend saß Banega an der Tankstelle und wartete auf den Krankenwagen - nicht vor Schmerzen, sondern aus Scham. "Wir sind mit Banega, er tut uns sehr leid. Die ganze Aktion ist aber ein großes Ärgernis für unsere Mannschaft", sagte Jordi Candel, Chef der medizinischen Abteilung des FC Valencia. Wäre Banega bloß mit nach Barcelona gereist...
Was wird aus Jose und Pep? Es ist gar nicht mal so unwahrscheinlich, dass sich Real Madrid und der FC Barcelona bald neue Trainer suchen müssen. Dass Pep Guardiola mit seinem Abschied aus Barcelona kokettiert ist prinzipiell nichts Neues. Das tut Guardiola latent schon seit geraumer Zeit. Doch am Wochenende wurde Guardiola konkreter. "Sollten wir in dieser Saison keinen Titel holen, muss ich auch meine Leistung als Trainer hinterfragen." Pep quittiert den Dienst wegen Erfolglosigkeit? Der Trainer, der mit Barca 13 von 16 möglichen Titeln holte? Kaum vorstellbar, aber wer weiß... Bei Jose Mourinho sieht die Angelegenheit umgekehrt aus. Der Real-Trainer macht seine Zukunft in Madrid nicht vom Gewinn der Champions League abhängig. "Ob ich mit Real den Titel hole oder nicht, spielt für meine berufliche Planung keine Rolle." Auch Mourinho wird nachgesagt, sich ernsthaft mit einem Abschied aus Madrid zu beschäftigen. Sollte Real die CL-Krone holen, ist das sogar wahrscheinlich. "Ich habe mit Porto die CL gewonnen - und bin gegangen. Ich habe mit Inter die CL gewonnen - und bin gegangen", sagte Mourinho vor dem Abflug zum Achtelfinalspiel bei ZSKA Moskau.
Troche trifft und turnt: Nur 18 Minuten spielte Piotr Trochowski im Heimspiel gegen CA Osasuna. Recht wenig. Aber doch genug für Troche, um zu zeigen, was er drauf hat. Zunächst erzielte der Ex-Hamburger das 2:0 und brachte damit Sevillas ersten Sieg nach acht erfolglosen Partien unter Dach und Fach. Und als Zugabe gab's noch einen sehenswerten Handstützüberschlag hinterher. Zuvor hatten seine Kollegen schon eine richtige gute Figur abgegeben und Neu-Coach Michel ein gelungenes Heimdebüt beschert. Beim 48-Jährigen löste der Dreier gleich mal Träumereien aus: "Die Champions-League-Plätze sind nicht mehr weit weg, das muss noch das Ziel sein." Warum über diese Aussage der eine oder andere den Kopf schüttelte? Der Sieg gegen Osasuna war Sevillas erster seit Anfang Dezember...