Meisterwerk von Fassbinder: Geile Schnitten

SID
Wiegen weniger schwer als ein Fassbinder-Film, sind aber trotzdem nett anzuschauen: Serie-A-Fans
© Getty

Die Mailänder gehen nur noch der "Kultur" wegen ins Stadion, Alessando Del Piero altert in Würde, und eine spanische Institution hört mitten in der Saison auf. Dazu: Sir Alex' telekinetische Fähigkeiten und ein gut geschütztes Körperteil von Roberto Mancini.

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Serie A

von Oliver Birkner

Gib mich die Kirsche: Wem die Sportschau oder das italienische Pendant 90. Minute zu öde sind, der besitzt auf dem Stiefel zum Glück dutzende Lokal-Sendungen, bei denen man sich vortrefflich amüsiert. Bisweilen reißt es die Pseudo-Journalisten bei Treffern gar von Motor-Rollern (Video) oder verführt einige Hofberichterstatter zu ausgeklügelten Vergleichen: Die beiden Treffer von Zlatan Ibrahimovic gegen die Roma zu Milans 2:1-Erfolg erlebte Radioreporter Carlo Pellegatti so: "Goooooooool! Ein Tor, das so schwer wiegt wie ein Film von Fassbinder!" - "Goooooooooooooooooool! Ein Tor, das so schwer wiegt wie Kiarostamis Film Der Geschmack der Kirsche!" Gib mich die Kirsche hätte Lothar Emmerich wohl gerufen und es wäre wirklich an der Zeit "Dammi la ciliegia" oder "Gimme the cherry" endgültig in den globalen Fußball-Duktus aufzunehmen.

Del Piero altert in Würde: Bevor das geschieht, muss der Calcio freilich erst einmal Bedeutsameres klären. Seit vergangener Woche streiten sich Milan und Juventus nämlich um signifikante Statistiken. Der AC hatte im Pokal-Halbfinale nach dem 1:2 im Hinspiel per 2:1 in Turin eine Verlängerung erzwungen, schied mit einem 2:2 letztlich aus. Die Mailänder fordern jedoch vehement, das Resultat nach 90 Minuten als Juves erste Saison-Niederlage zu werten, und strengten dafür gar die Organe des italienischen Verbandes und der UEFA an. Beide Institutionen bestätigten allerdings das Endergebnis nach 120 Minuten und weiterhin ungeschlagene Turiner. Das sind mal Probleme. Unbeeindruckt davon gewann Juventus 2:0 gegen eine überraschend ansprechende Internazionale, wobei Alessandro Del Piero der 317. Profitreffer gelang. Es ist nach 19 Jahren die letzte Juve-Saison für den Capitano, bei dem es nicht mehr für gehobene internationale Ansprüche genügen mag. Dennoch verabschiedet er sich gerade in ansprechender Form erhobenen Hauptes.

Geile Schnitten: Dass Inter die mittlerweile zwölfte Saisonpleite kassierte, registrierten die Tifosi mit Humor. Ein Plakat der Interisti verriet "Wir kommen nur noch ins Stadion, um geile Schnitten aufzureißen". Patron Massimo Moratti hat das nicht mehr nötig und reiste deshalb nach London, wo es die Jugend den Profis zeigte. In der Nachwuchs-Champions-League "Next Generation Series" hatten die Inter-Benjamine im Gegensatz zu den Großen Olympique Marseille eliminiert und schlugen im Endspiel Ajax nach Elfmeterschießen. Eventuell sollte man mal einen Blick riskieren, ob da nicht jemand für höhere Aufgaben geschaffen ist, anstatt weitere obskure Akteure für aberwitzige Gehälter nach Milano zu zerren.

Premier League

von Raphael Honigstein

Promi-Bonus: Tony Pulis musste nach dem 1:1-Unentschieden - Wundertor von Kampfgiraffe Peter Crouch - auf einen Handschlag von Roberto Mancini verzichten. Der Italiener ärgerte sich so sehr über das Ergebnis und einige herzhafte Tacklings von Stoke, dass er lieber das Weite suchte. Pulis ("Ich verstehe, warum er ein bisschen traurig ist, der Druck ist groß") nahm es gelassen, schließlich hatte der Waliser in der Woche zuvor schon einen sensationellen Sieg gefeiert. Pulis war mit knapp 160 Stundenkilometer in einer "Tempolimit 100"-Zone geblitzt worden, aber hatte es geschafft, in der anschließenden Gerichtsverhandlung seinen Führerschein nicht zu verlieren. Sein Anwalt hatte sich großartige Argumente einfallen lassen. Pulis könne unmöglich einen Chauffeur engagieren, weil dieser vertrauliche Gespräche über Taktik und Transfers mithören könne, argumentierte der Advokat, in der Folge würde dann vielleicht Stokes Ligazugehörigkeit in Gefahr kommen. "Eine Reihe von Betrieben würde leiden, falls Stoke absteigt, die Einwohner von Stoke würden leiden, wenn Pulis seinen Führerschein und seinen Job verliert", sagte Jurist Mike Stephenson. Außerdem würde sein Klient öfters krebskranke Kinder besuchen, auch diese wären bei einem Verlust des Lappens die großen Verlierer. Das leuchtet ein. Nichts wirkt heilsamer als ein Besuch eines dauerhaft grimmigen Mannes in Ballonseide. Stoke war am Verhandlungstag übrigens 14 Punkte von einem Abstiegsplatz entfernt, aber der Richter ließ sich überzeugen und ließ Pulis davon kommen. Gute Fahrt, Tony.

Alex Ferguson, 70, Mentalist: Citys schwache Vorstellung im Britannia eröffnet Manchester United die Gelegenheit, mit einem Sieg gegen Fulham am Montagabend auf drei Punkte an der Tabellenspitze vorbeizuziehen. Alex Ferguson würde sich ganz besonders freuen, weil unter Woche allerlei Psychospielchen betrieben wurden und der Schotte am Ende mal wieder als Meisterpsychologe dastehen würde. "Wer die Liga gewinnt, von dem wird man sagen, dass er die Psychospielchen gewonnen hat", gab City-Assistenztrainer David Platt zu bedenken, aber auf der Insel wird man sich das Thema von so rationalen Argumenten so schnell nicht kaputt machen lassen. Selbst Mancini strickte etwas unfreiwillig an der Legende von Fergusons telekinetischen Kräften weiter, als er Sir Alex indirekt mit Professor Xavier von den X-Men verglich. "Ich habe keine Angst vor Psychospielen, denn ich habe einen großen Helm", sagte Mancini im italienischen Radio. Dieser müsste laut der Comicserie aus Metall sein, um die bösen Gedanken abzuwehren, aber in der englischen Presse amüsierte man sich aus einem anderen Grund über diese Ausführung. "Helmet", der Helm, steht umgangssprachlich für die Stelle, wo Mancinis Roberto am empfindlichsten ist.

Mehr Mut zur Hässlichkeit: "Wir müssen aufhören, wunderbaren Fußball zu spielen", forderte Kenny Dalglish am Wochenende. Absolut richtig. Wunderbarer, ach was: himmlischer Fußball wie jener bei der 1:2-Heimniederlage gegen Wigan am Samstag haben Liverpool zwar den Ligapokal und eine FA-Pokalhalbfinale eingebracht, aber in der Liga nur den siebten Platz, mit 13 Punkten Rückstand auf den vierten Platz. Der Schotte machte Müdigkeit für die zweite Niederlage in Folge gegen einen Abstiegskandidaten verantwortlich und bemängelte eine gewisse Naivität seiner mit 100 Millionen Pfund aufgepäppelten Truppe voller britischer Durchschnittsware. "Vielleicht müssen wir unsere Philosophie etwas ändern", sagte King Kenny. Darüber dürften auch die amerikanischen Eigentümer des Klubs verstärkt nachdenken.

Primera Division

von Paula Villamarin Temperan

Messi überholt Ronaldo: Lionel Messi schreibt beim FC Barcelona weiter Geschichte. Nachdem er mit seinem Dreierpack am letzten Spieltag gegen Granada bereits Cesar Rodriguez als erfolgreichsten Torschützen der Klub-Geschichte abgelöst hatte, überholte der Argentinier am Samstag eine weitere Klub-Legende in den Geschichtsbüchern. Sein Treffer gegen Mallorca war bereits der 35. Ligatreffer in dieser Saison, womit Messi einerseits seine Marke aus der Saison 2009/2010 übertraf und andererseits auch Ronaldo als besten Barca-Liga-Torschützen hinter sich ließ. Gemeinsam mit Cristiano Ronaldo führt Messi weiter die Torschützenliste an. Bei noch neun ausstehenden Partien scheint klar, dass das Duett die 40-Tore-Marke überschreiten wird. Ein weiterer Rekord winkt also.

Rekordmann hört auf: Ein anderer Rekordhalter verabschiedete sich jetzt aus der Primera Division. Eduardo Iturralde Gonzalez, mit 291 Ligaspielen der Rekord-Schiedsrichter in Spanien, beendete nach Querelen mit der Schiedsrichter-Vereinigung seine Karriere an der Pfeife. Beim seinem letzten Spiel Betis gegen Real Madrid am 10. März war der Referee verletzt in der Kabine geblieben; ein Streit mit der Schiedsrichter-Gilde veranlasste ihn nun, sein ursprünglich für Saisonende angekündigtes Karriereende vorzuziehen. "Meine Ehrlichkeit und meine Glaubwürdigkeit gehen vor", so der 45-Jährige, der mit 104 Elfmetern und 1647 Gelben Karten neue Maßstäbe setzte. Angeblich will Getafe den gebürtigen Basken als Berater verpflichten.

Saragossa glaubt wieder an ein Wunder: Durch einen verwandelten Elfmeter in der Nachspielzeit darf der zwischenzeitlich völlig abgeschlagene Tabellenletzte Real Saragossa wieder auf den Klassenerhalt hoffen. Unter Neu-Trainer Manuel Jimenez holten die Mannen aus Aragonien aus den letzten fünf Spielen zehn Punkte und glauben stärker als zuvor an das "Wunder". "Wir werden bescheiden bleiben und weiterkämpfen", drückte der 48-Jährige auf die Euphoriebremse. Noch stehe man auf einem Abstiegsplatz und sei von anderen abhängig. Sechs Punkte scheinen jedoch nicht mehr die Welt.

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