WM

"Alaba ist bald 50 Millionen wert"

Von Interview: Christoph Köckeis
Prohaska trifft Prohaska: "Schneckerl" mit seinem jüngeren Ich bei Madame Tussauds
© imago

Ohne ihn wäre das "Wunder von Cordoba" reine Fiktion geblieben: Mit dem "Spitz von Izmir" führte er sein Land zur WM 1978 und ermöglichte die Heldentat gegen Deutschland. Doch Herbert Prohaska ist mehr als Zeitzeuge. Er ist Sprachrohr Fußball-Österreichs. Im SPOX-Interview schlägt der TV-Analytiker gewohnt klare Töne an: Zur Cordoba-Verdrossenheit, Paul Breitner und der Vetternwirtschaft in Österreich (Deutschland - Österreich, Fr. ab 20.30 im LIVE-TICKER).

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SPOX: Herr Prohaska, Sie hatten als Kind einen besonderen Autogrammwunsch - welchen?

Herbert Prohaska: Ich schickte einen Brief an eine Autogramm-Adresse des großen Pele in Brasilien. Wir ließen ihn sogar ins Portugiesische übersetzen, was damals gefühlt, enorm viel Geld gekostet hat. Immerhin opferte ich mein Taschengeld. Leider kam niemals etwas zurück. Der Fehler war vermutlich, dass wir zu viele Fotos, an die 50 waren es, dazu gaben (lacht). Damals war die Enttäuschung sehr groß. Ein Pele-Autogramm wäre der absolute Hit gewesen.

SPOX: Noch heute warten Sie vergeblich?

Prohaska: Nein, in der Zwischenzeit habe ich eines. Ich holte mir eines, als ich schon Nationalspieler war. Pele war früher das, was Lionel Messi jetzt ist. Nur hat man zu wenig von ihm gesehen, da er bis auf sein USA-Gastspiel, als er bei New York Cosmos die Karriere ausklingen ließ, in Brasilien kickte. Mein erstes Buch, das ich bewusst gelesen habe, hieß: "Ich bin Pele". Mit zahlreichen Fotos seiner Karriere. Ich habe es bestimmt drei, vier Mal gelesen. Er faszinierte mich. Bei der WM 1966 war ich traurig, als er nach extremen Fouls nur mehr humpelte. In Mexiko entschädigte er mich.

SPOX: Auch Sie waren von der technisch beschlagenen Sorte, fiedelten etwa bei Inter Mailand und AS Roma im Mittelfeld. Sowohl Konkurrenten als auch Fans fassten Sie nicht mit Samthandschuhen an.

Prohaska: Bitte keine Vergleiche mit Pele (lacht). Spaß beiseite, ich musste erst begreifen, dass nur Gute verhöhnt und beschimpft werden. Zu mittelmäßigen Spielern werden eher selten Sprechchöre verfasst. Irgendwann dämmerte mir das, plötzliche sah ich es als Ehre und wusste, ich gehöre zu den Besten.

SPOX: Die Lockenmähne war Ihr Markenzeichen, jener hatten Sie den Spitznamen "Schneckerl" zu verdanken. Über die Jahrzehnte lichtete sich diese. Werden Sie trotzdem noch auf den Straßen Wiens angesprochen?

Prohaska: In Österreich würde ich sagen, ohne mich zu rühmen, erkennen mich 80 bis 90 Prozent der Menschen. Die Kinder holen sich weiterhin Autogramme - das freut mich besonders. Es zeigt mir, dass ich während meiner aktiven Zeit etwas leisten konnte, was in den Erinnerungen verankert ist. Wobei heutzutage weiß die junge Generation mit mir weniger als Fußballer, das nur aus Erzählungen, anzufangen, sondern als Experte im Fernsehen.

SPOX: Oder als Teamchef: Sie führten Österreich 1998 zur letzten Endrunde. Was hat sich seither verändert?

Prohaska: Der Fußball entwickelt sich rasant weiter. Für kleine Nationen wird es schwieriger. Vor allem auf Vereinsebene. Die größte Chance, international aufzuzeigen, stellt die Nationalmannschaft dar. Mit etlichen Legionäre in den besten Ligen hat Österreich eine Chance. Warum konnte ich mich für Frankreich qualifizieren? Der Unterschied, das meine ich ernst, liegt darin, dass Deutschland nicht dabei war. Es kommt verstärkt darauf an, welche Gruppe dir zugelost wird. In der Qualifikation für 1998 hießen unsere direkten Konkurrenten Schweden und Schottland. Beide sind deutlich darunter anzusiedeln. Wenn du jedoch in einer Gruppe mit dem DFB bist, weißt du sofort: Hier kämpfen wir um Platz zwei. So viel können sie, mit all ihrer Klasse und Qualität, nicht falsch machen.

SPOX: Am Freitag kommt es in der WM-Qualifikation zum Prestigeduell. Inwiefern kommen da Erinnerungen an Cordoba hoch?

Prohaska: Ich persönlich rede ungern darüber. Die Krux an der ganzen Sache: Seit zehn bis 15 Jahren wird es gedreht, als würden wir Ehemaligen das Ereignisse glorifizieren und immer aufrollen. Fakt ist: Wir werden lediglich dazu befragt. Nachdem wir uns nicht genieren, antworten wir. Und dann behauptet Paul Breitner: Cordoba wäre zum Sargnagel für Österreich geworden. Ich schätze ihn als Mensch und Spieler sehr, über unseren Fußball weiß er aber nicht Bescheid. Obwohl er das vorgibt zu tun. Interessanterweise erreichen mich übrigens die meisten Anfragen aus Deutschland (lacht).

SPOX: Überspitzt formuliert: Sie sind dem Fluch von Cordoba ausgeliefert?

Prohaska: Es ist kein Fluch - es ist Teil unserer Geschichte. Warum wirft man uns 1978 vor? Die Deutschen schwärmen eben vom Wunder von Bern, das noch weiter zurückliegt. Davon zu hören, die Bilder zu sehen, ist doch herrlich. Es wäre schlimm, wenn wir uns nicht an unsere Erfolge erinnern dürften. Natürlich hinkt der Vergleich, da Österreich nie Weltmeister war und wird. Also erfreuen wir uns an kleineren Momenten. Und glauben Sie mir, seit einigen Jahren spricht hierzulande niemand über Cordoba. Ich unterstütze das.

SPOX: Selbst populistische Medien meiden Cordoba: Was sagen Sie zum Vorwurf, man hätte zu lange in den Rückspiegel geblickt?

Prohaska: Es wird dargestellt, als hätten wir den Erfolg nicht weiterentwickelt, uns zu lange damit beschäftigt, in diesem zu baden. Leider hatte der ÖFB kein Geld. Früher wurden wir nicht mit Prämien ausgestattet, sondern zum Teil mit Videorecordern oder Fernsehern. Eine WM-Teilnahme war wunderbar, kostete den Verband aber viel Geld und war nicht sonderlich lukrativ. Wir hatten schlicht die finanziellen Mittel nicht, um Akademien und Leistungszentren zu installieren. Mittlerweile wird besser gewirtschaftet, das Budget ist da. Paul Breitner hat wohl vergessen, dass wir 1982, 1990 und 1998 ebenfalls an Endrunden teilnahmen. Zudem hatten wir in dieser Zeit vier Europapokal-Finalisten. Wir sind nicht stehen geblieben, haben im Rahmen unserer Möglichkeiten immer gut gearbeitet.

Seite 1: Prohaska über Paul Breitner und ein Autogramm vom großen Pele

Seite 2: Prohaska über David Alaba und Nationaltrainer Marcel Koller