Die "unglaublichen Eier" der Roma

SPOX
28. Oktober 201315:35
Francesco Totti ließ seinem inneren Oli Kahn freien Laufgetty
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In England verschlägt es "The Special One" mal wieder auf die Tribüne. Dieses Mal aber nur zum Feiern, was sein Gegenüber Manuel Pellegrini auf die Palme bringt. Italien diskutiert über die Frisur von Super-Mario und Francesco Totti entdeckt den Oliver Kahn in sich. Spanien kennt nur ein Thema - aus zwei Blickwinkeln. Dies und mehr von unseren Korrespondenten in Europa.

Serie A

Von Oliver Birkner

Vaffanculo des Spieltags: Wahrscheinlich lag es an den Haaren. Das zumindest vermutete so manch Medienvertreter nach Mario Balotellis anonymer Leistung in Parma. Man kann den Habitus des Milan-Stürmers mögen oder nicht, doch irgendetwas läuft bizarr schräg, wenn die abgelegten Irokesenfrisur und Ohrringe zur Hauptnotiz bzw. Leistungs-Erklärung des 23-Jährigen avancieren. "Es war nicht Marios Nachmittag, zudem drohte ihm Gelb-Rot", erklärte AC-Coach Max Allegri die Auswechslung in der 52. Minute nüchtern. Das klang schon sinniger.

Beim Milan-Tross mutierte nach dem 2:3 Heiterkeit freilich zum Fremdwort. Man hatte ein 0:2 egalisiert, als sich der Ärger zunächst gegen Valter Birsa richtete. Der Slowene jagte zwei Freistöße aus guter Position in Richtung Stadtzentrum und die Kamera fing Manager Adriano Galliani auf der Tribüne in schärfstem HD mit einem polternden "Leck mich doch am Arsch, Birsa!!!!" ein. Im Eifer vergibt Galliani ja gerne etwas rauere Kommentare ab - in Neapel erhielt Keeper Christian Abbiati letztens das Prädikat "Was für ein Scheiß-Keeper! Einen Pimmel-Keeper haben wir!" Zur gesunden Abrundung öffnete Birsa in Personalunion mit Alessandro Matri unerklärlich die Mauer und erlaubte Marco Parolos 30-Meter-Freistoß ein ungehindertes Einschlagen zum 3:2 in der Nachspielzeit (90.+4). SPOX

Parolo legte sich den Ball dabei handelsüblich ein gutes Stück weiter nach vorne, vom Referee unbemerkt, der zuvor zwei mögliche Elfmeter für den AC nicht geahndet hatte. Man kann sich Gallianis Kommentar zum Referee direkt nach Spielschluss so in etwa ausmalen. Parma-Patron Tommaso Ghirardi feierte indes Torschütze Antonio Cassano: "Er hat neun Kilo abgenommen und bei uns wurde er wieder zum Genie. Wenn der AC mag, nehmen wir gerne auch Balotelli auf." Es wäre das ultimative Anarcho-Sturmduo - und in Parma redet sogar niemand über Haare.

Eier des Spieltags: Michael who? Von den MetroStars nach Heerenveen, über Gladbach, Aston Villa und Chievo Verona zur Roma, das ist eine schicke Karriereleiter. Doch Michael Bradley kämpfte nach einer starken letzten Saison in diesem Jahr zunächst mit einer Verletzung und seufzte dann: "Wie soll ich in dieser perfekten Roma-Maschine nur Platz finden?" Bei Udinese kam er 13 Minuten vor Schluss, eroberte in vier Minuten drei Bälle und traf zum 1:0-Erfolg. Vielleicht erweist sich der Mittelfeld-Arbeiter aus New Jersey selbst in der perfekten, römischen Maschinerie als durchaus nützliches Zusatz-Element.

Eigentlich von Kleinauf Milan-Fan kündigte er einst in Verona an, nur zum AC wechseln zu wollen. Womöglich ist Bradley gerade froh, Giallorosso zu tragen. Ohne die verletzten Francesco Totti und Gervinho und 25 Minuten in Unterzahl gelang trotzdem die Einstellung des Serie-A-Rekordes von neun Startsiegen. Dabei bilanziert die Roma nach neun Partien nur ein Gegentor (das schafften in Italien bisher lediglich Inter und Cagliari 1966/67). Und in bester Kahn-Manier kommentierte Capitano Totti: "Diese Mannschaft hat unglaubliche Eier!" Weiter, immer weiter... SPOX

Und sonst? Trotz Udines erster Heimniederlage nach 22 ungeschlagenen Spielen erlebte ein Fan sicher den Tag seines Lebens. Für ein Spiel trugen die Friulaner statt des Sponsors "Dacia" auf der Brust "Michael Nino, der Anstreicher". Der 26-jährige Nino hatte mit seinem Ein-Mann-Laden einen Wettbewerb gewonnen, der in der Krise Kleinunternehmern helfen soll. In den kommenden Duellen gegen Inter und die Fiorentina werden die beiden anderen Gewinner auf dem Udinese-Trikot folgen. Nette Aktion.

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Premier League

Von Raphael Honigstein

Spiel des Spieltags: Dass Jose Mourinho während Spielen seines Teams gerne mal auf der Tribüne landet, ist für treue Leser der Blitzlichter nichts neues. Beim 2:1-Sieg gegen Manchester City badete der Portugiese jedoch ganz freiwillig in der blauen Masse - nach dem späten 2:1 von Fernando Torres war er an der City-Bank vorbei und die Stufen hinauf gelaufen, um Sohn Jose junior (14) zu herzen. Manuel Pellegrini fand das nicht sehr charmant und verzog sich grußlos in die Kabine. "Ich habe von ihm nichts anderes erwartet", sagte der Chilene später mürrisch.

Mourinho versicherte später, dass er den Gegner nicht habe provozieren wollen. "Chelsea ist schuld, weil sie meinem Sohn eine Jahreskarte hinter der gegnerischen Bank gegeben haben", sagte der Chelsea-Trainer. Neben diesem Sieg im Spitzenspiel wurde an der Stamford Bridge auch die gefühlt 54. Wiederauferstehung von Torres gefeiert, der Andre Schürrles 1:0 schön aufgelegt hatte. Die Schlagzeilen aber fielen ungewollt Joe "Oliver" Hart zu. Der Nationaltorhüter verschuldete die Niederlage mit einem schlecht getimten Ausflug und wurde von Matija Nastastics Kopfball überrascht. "What were you doing?" fragte die "Daily Mail". Die Antwort weiß wohl nicht mal Hart selbst.

Mann des Spieltags: Brendan Rodgers rühmte Luis Suarez als einen der "besten fünf Stürmer der Welt". Schwer, da zu widersprechen: der Uruguayer schoss mit einem Hattrick West Brom fast im Alleingang ab und erzielte beim 4:1-Sieg der Reds auch noch sehenswerte Treffer; einen Kopfball von der Strafraumlinie, zum Beispiel. Liverpool kommt als Tabellendritter allmählich in die Gefahr, als Titelkandidat zu gelten, doch Rodgers will vorerst "das zehnte Spiel" abwarten. Jene Partie findet, wie es der Zufall will, nächsten Samstag beim FC Arsenal (Platz eins) statt, im Emirates - also da, wo Suarez in dieser Saison eigentlich lieber Tore für die Heimmannschaft schießen wollte.

Anything Else? Die Spiele der Spurs sind seit dem Abschied von Gareth Bale zwar durchgehend erfolgreich, aber leider so langweilig, dass einer über die Bande krachen und Blut fließen muss, um für ein bisschen Stimmung zu sorgen. Andros Townsend fiel in den Graben hinter der Werbebande, verletzte sich arm und schlitzte aus Versehen einem Fotografen die halbe Stirn auf. Andre-Villas Boas war hinterher aber aus einem anderen Grund schlecht gelaunt. Die ob den dürftigen Vorstellungen ungehaltenen Fans würden an der White Hart Lane für eine "angespannte Atmosphäre" sorgen, klagte der Portugiese. Kollege Steve Bruce, der Trainer von Hull City, war aber noch frustrierter. Den Elfmeterpfiff vor dem 1:0-Siegtreffer von Soldado bezeichnet er als "absoluten Witz". Eine Flanke von Jan Vertonghen war von dem Fuß von Ahmed Elmohamady an dessen Hand gesprungen. "Hätten wir so einen Strafstoß auch bekommen?", fragte Bruce rhetorisch.

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Primera Division

Von Frank Oschwald

Clasico-Nachwehen: Dass die spanische Medienlandschaft teilweise so paranoid ist wie Ozzy Osbourne zu seinen besten Zeiten, ist hinlänglich bekannt. Doch nach dem Clasico haben sich die iberischen Sportzeitungen in ihren Berichterstattungen erneut selbst übertroffen. objektivität wird von beiden Lagern dabei dermaßen klein geschrieben, dass es auch an dieser Stelle keinen großen Anfangsbuchstaben verdient hat. Auf der einen Seite die Real-Blätter "AS" und "Marca", die sowohl in der Printausgabe als auch in der Online-Version nur ein Thema kannten: die zwei glasklaren Elfmeter, die den Königlichen vom fürchterlichen Schiedsrichter verwehrt wurden. Und genau das wurde dann in der vollen Bandbreite exerziert: zahlreiche Interviews, mehrere Kommentare, Umfragen, Videos, und, und, und..

Die "Mundo Deportivo" hingegen wollte von Real-Elfmetern zunächst nichts wissen. Vielmehr sprach man über die überragende Barca-Teamleistung, zeigte auf, dass Neymar viel toller als der olle und überteuerte Bale spielte und hob Alexis Sanchez nach seinem Lupfer in den Fußball-Olymp. Erst weiter unten ging der Internetauftritt des Blattes auf die beiden vermeintlichen Strafstöße ein. Und zwar mit einer Diashow, deren einzige Aufgabe es war, den Zuschauern zu zeigen, dass es eben keine Elfmeter waren. Nebenan hingegen prangerte ein Artikel, der einen ausgebliebenen Elfmeter an Fabregas und eine Rote Karte gegen Ramos forderte. Davon war wiederum in den anderen Blättern nichts zu lesen.

Clasico-Superstarwatch: Während sich die schreibende Zunft mit den Elfmetern aufhielt, beschäftigten sich die Fernsehsender vielmehr damit, welches Schimpfwort Cristiano Ronaldo dem Schiedsrichter nach dem zweiten Barca-Tor ins Ohr gesäuselt haben soll. Einhellige Meinung: Irgendwas mit Angsthase. Sogar das Wort "Scheiße" will ein Sender in diesem Zusammenhang von Ronaldos Lippen entnommen haben. Sollten die TV-Anstalten dabei mit dem scheißenden Angsthasen in Richtung des Unparteiischen Recht behalten, war der Portugiese mit Gelb eigentlich noch gut bedient. Denn der Portugiese stand wie ein wild gestikulierender Dirigent am Mittelpunkt, deutete immer wieder auf den Barca-Strafraum und fluchte vor sich hin. SPOX

Aber für CR7 war es eben auch kein einfacher Tag: Clasico verloren, wieder keine Hauptrolle abbekommen, die Serie von sechs Toren im Camp Nou in Folge ist im Eimer und von Dani Alves gab's am eigenen Strafraum noch einen Beinschuss obendrauf. Barcas Superstar Lionel Messi ertrug seine Nebenrolle mit Stil und beobachtete den ronaldoschen Wutanfall aus nächster Nähe. Der Argentinier stand am Anstoßkreis, schüttelte den Kopf, spuckte auf den Boden, grinste wie ein Schuljunge und dachte wohl: "Ach Crisi, muss doch nicht sein". Messi 1, Ronaldo 0.

Und sonst? Inflationär schmissen Journalisten in letzter Zeit mit Phrasen wie "Oh, der brennt aber auf seinen Einsatz" oder "Ui, der ist heiß wie Frittenfett" um sich. Doch in den letzten Wochen beschreibt das nicht mal annähernd den Gefühlszustand von Carles Puyol. Der Barca-Kapitän, der nach einer langen Verletzungspause wie ein komplett Irrer an einem seiner zahlreichen Verletzungscomebacks (36!!) arbeitete, musste nach seinem Startelfeinsatz in der letzten Woche jedoch im Clasico wieder auf der Bank Platz nehmen. Kein Grund für Puyol, hummelesk in der Gegend herum zu schmollen. El Tiburon litt 90 Minuten auf der Bank mit, gab zahlreiche Kommandos und verschwand nach dem Schlusspfiff Arm in Arm mit CR7 in den Katakomben. Zehn Minuten später tauchte er jedoch wieder auf dem Feld auf. Denn da Puyol im Spiel nicht zum Einsatz kam, absolvierte er zusammen mit Physio Juanjo Brau eine stinknormale Trainingseinheit auf dem Rasen des Camp Nou. Begleitet von tosendem Applaus der übrig gebliebenen Fans.

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