"Die USA sind nicht total verkrustet"

Von Christoph Köckeis
Andreas Herzog will mit Jürgen Klinsmann das Team USA zum Erfolg führen
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SPOX: Klinsmann wurde einst zum Prototyp des modernen Trainers hochstilisiert. Oftmals wird der Eindruck vermittelt, früher hätte man beinahe alles falsch gemacht.

Herzog: Gerade haben wir eine Phase, in der sich die Trainer vor der Kamera besser verkaufen können, teilweise über den Sport philosophieren und neue Begriffe schaffen. Wie Universitäts-Professoren. Das gefällt nur Präsidenten, die keine Ahnung haben. Natürlich entwickelte sich der Fußball taktisch weiter. Im Endeffekt machen aber seit Jahrzehnten die gleichen Faktoren den Unterschied.

SPOX: Welche?

Herzog: Kann einer nicht ordentlich schießen, wird man keine Tore erzielen. Das Spiel hat sich die letzte Jahre zu einem Ballgeschiebe entwickelt, häufig bleibt der Zweck dabei unerfüllt. Wenn du nicht die Qualität von Barcelona oder Bayern hast, um nach Passstafetten in den Strafraum zu kommen, hilft dir das relativ wenig. Moderne Generation hin oder her, die alten Gesetzmäßigkeiten bleiben. Du musst Tore schießen - wie vor 50 Jahren.

SPOX: Einst waren rot-weiß-rote Coaches ein absoluter Exportschlager - mittlerweile sind sie selten geworden. Wo bleiben Ernst Happels Erben?

Herzog: Peter Stöger ist mit dem 1. FC Köln auf einem guten Weg. Wenn Österreicher im Ausland erfolgreiche Arbeit leisten, können andere profitieren. Zuerst musst du dir als Trainer in Österreich einen guten Namen machen. Peter hat das geschafft, nun ist er dabei, sich in Deutschland die Anerkennung zu verdienen.

SPOX: Sie monierten unlängst, in der Alpenrepublik hätten es viele Kollegen nicht leicht. Vermissen Sie das Vertrauen?

Herzog: Wir haben viele Trainer auf einem sehr hohen Niveau. Doch die Chancen sind begrenzt. Jedes zweite Jahr werden um die 15 UEFA-Profi-Lizenzen vergeben, in vier Jahren würden damit 30 extrem gut ausgebildete Coaches zur Verfügung stehen. Aber du hast eben nur zehn Bundesligisten, zehn Profi-Klubs in der zweiten Liga. Dazu kommen ausländische Trainer - ein Dilemma. Jeder Einzelne sollte Peter die Daumen drücken, das ist für das Fußballland Österreich Werbung. Er kann der erhoffte Vorreiter sein, der die Barriere nach langer Zeit durchbricht.

SPOX: Werbung in eigener Sache können die USA kommenden Sommer betreiben: Medien und Fans in Übersee lieben Helden-Geschichten, im Soccer sucht man vergeblich danach. Mit ein Grund, weshalb man dem Stellenwert anderer Sportarten hinterher hinkt?

Herzog: Die Wahrheit ist: Football oder Baseball wird fast nirgends betrieben, da spielen die Amerikaner gewissermaßen ihre eigene Weltmeisterschaft aus. Daher haben die eine andere Tradition. Fußball wird weltweit ausgeübt. Willst du auf Weltklasse-Niveau bestehen, gilt es über Jahrzehnte gut zu arbeiten. Du benötigst Erfahrung, um bestimmte Situationen zu bewerten und einen gewissen Ruf zu erlangen. Deutschland und Italien wissen bei Turnieren, was zu tun ist. In Brasilien wird es zahlreiche Nationen geben, die über eine Riesen-Truppe verfügen, das Spektakel zum ersten Mal erleben und deshalb scheitern. Weil sie vom Kopf her nicht bereit sind. Bei der WM liegt es an uns, einen großen Schritt zu machen. Nur mit Erfolg entsteht Tradition.

SPOX: Die Qualifikation zur Endrunde realisierte man problemlos. Was fehlt denn zu Deutschland oder Italien?

Herzog: Wir verfügen nicht über die Breite. Die Top-Nationen haben extrem viele Stars. Wir haben ein paar richtig gute, die in Top-Vereinen auflaufen. Wie Michael Bradley, Jermaine Jones und Clint Dempsey - Spieler auf einem solchen Niveau sind unheimlich wichtig. Stimmt unsere Form, brauchen wir uns nicht zu verstecken. Wenn wir die Großen schlagen wollen, müssen wir nichtdestotrotz außergewöhnliche Leistungen bringen. Was uns schon gelungen ist. Das stimmt uns zuversichtlich. Gegen Schottland und Österreich bekommen wir die nächsten Erkenntnisse. Am Dienstag gegen mein Heimatland wird es speziell. Ich habe viele Spieler selbst noch trainiert.

SPOX: Einer Ihrer Schützlinge zu U-21-Zeiten war Marko Arnautovic. Sie attestierten ihm eine glorreiche Zukunft, priesen ihn als Österreichs größtes Talent aller Zeiten. Diese Einschätzung revidieren sie, oder?

Herzog: In seinem Jahrgang, dem 1989er, gab es damals keinen besseren Spieler. Er gehörte in Europa zu den Top 5. Sonst wäre er nicht bei Inter Mailand gewesen. Darum ließ ich mich zu der Aussage hinreißen. Er konnte den Unterschied ausmachen - mehr als David Alaba. Marko hatte dieses geniale Überraschungsmoment. Er beeinflusste Spiele mit grandiosen Vorlagen oder Alleingängen. David war ebenfalls ein außergewöhnliches Talent, aber defensiver eingestellt.

SPOX: Im Sommer wechselte Arnautovic von Werder Bremen zu Stoke City - gelingt ihm die Kehrtwende dort?

Herzog: Für einen jungen Spieler ist es schon extrem. Manch Fehltritt hat er fraglos sich selbst zuzuschreiben. Aber wir wissen ja, wie Fans ticken. An einem super Tag liegen sie ihm zu Füßen. Wenn es schlecht läuft, beschimpfen sie ihn sofort und dichten ihm, ob seiner Art und Weise zu spielen, Sachen an. Ich glaube, die Berichterstattung war erdrückend. So locker kann das ein 19-Jähriger nicht wegstecken. Damit muss er lernen umzugehen. Stoke zeigt nicht unbedingt den schönsten Fußball. Und die Zeit vergeht sehr schnell. Marko muss sich wieder auf seine Stärken besinnen: Partien zu entscheiden. Hoffentlich nicht gegen die USA (lacht).

SPOX: Was geschieht nach Brasilien? Ihr Arbeitsverhältnis ist auch gekoppelt an Klinsmanns.

Herzog: Ja, alles hängt von Jürgens Zukunft ab, ob er bleibt oder wechselt. Ich mache mich da nicht verrückt. Es wird alles irgendwie hinhauen - und irgendwo.

SPOX: Sie betonten mehrfach, dies sei Ihr letzter Assistenten-Posten. Klinsmann wurde zuletzt mit renommierten Adressen in Verbindung gebracht. Ein Verbleib an seiner Seite ist undenkbar?

Herzog: Sagen wir so: Bei einem prominenten Verein würde ich es mir nochmal überlegen (lacht). Natürlich muss ich das Beste für mich finden. Eine attraktive Herausforderung auszuschlagen, wäre trotzdem dumm. Aber das ist alles Zukunftsmusik. Ich weiß nicht einmal, ob er mich überhaupt mitnehmen würde.

Andreas Herzog im Steckbrief