In Italiens zweiter Liga imitiert das Leben die Kunst. In England treiben die Klatschpappen ihr Unwesen. In Spanien spielt ein noch größerer Arsch als Joey Barton - dies und mehr wie gewohnt zusammengefasst von unseren Europa-Korrespondenten.
Serie A
Von Oliver Birkner
Fan des Spieltags: Ab ins Stadion mit der Geliebten und danach den Abend gemütlich ausklingen lassen - das ist mal ein akkurates Freitagabend-Projekt. Wahrscheinlich wachte ein Fan des Zweitligisten Avellino vor wenigen Tagen mit exakt diesem Gedanken auf. Lief ja auch alles rund. Beide machten sich zur Partie gegen Siena auf, genossen ein Bierchen in der Kurve, hatten jedoch die Rechnung ohne die Ehefrau gemacht.
Die folgte dem Pärchen heimlich zur Arena, kaufte zum ersten Mal in ihrem Leben ein Ticket, stapfte die Treppen hoch, ging ihrem Mann an die Gurgel und hatte en passant auch noch einige Ohrfeigen für die Lady parat. Das Ehepaar wurde mit immensen Problemen von der Polizei aus dem Stadion begleitet und der Abend klang womöglich anders aus, als es sich der Herr ausgemalt hatte - sein Team verlor zur Garnierung 0:1.
Und jetzt sage noch jemand, das Leben imitiere nicht die Kunst. Schon vor 40 Jahren sang Rita Pavone: "Warum lässt du mich immer alleine, um ins Stadion zu gehen? Wer weiß, ob du lügst oder die Wahrheit sagst? Eines Tages werde ich dich verfolgen, weil ich vor lauter Zweifeln nicht schlafen kann." Laut Signora Pavone steht das Ende der Avellino-Sause bereits fest: "Sollte ich herausfinden, dass du mich betrügst, kehre ich wieder zu Mamma zurück." Könnte dramatisch sein - oder auch ein Segen.
Referee des Spieltags: Immer nur in diese schnöde Pfeife tröten, ab und zu mal über das superschicke Headset unsinnige Gespräche mit den Kollegen führen, gelegentlich mit dem Arm fuchteln, doch letztlich von allen unerwünscht und, vor allem, Luft zu sein: Irgendwann muss der Schiedsrichter aus dieser tristen Einöde wohl zwangsweise ausbrechen.
Gianpaolo Calvarese entschied sich am Sonntag endlich dazu. Ecke für Sampdoria in den Rückraum, der Referee fälschte den Ball vorbildlich per Hacke in den Lauf vom so ungestörten Renan ab, der die Kugel zum 2:0 gegen Hellas versenkte. Perfekter Assist, den die gnadenlose Statistik leider unter den Teppich kehrte. Der Schiedsrichter ist und bleibt tragischerweise nichts als Luft.
Und sonst? Die Partie in Genua endete 5:0, doch Sampdoria-Coach Sinisa Mihajlovic hatte die Grotten-Vorstellung seiner Elf vom letzten Sonntag längst nicht vergessen: "So einfach lässt sich die Scheiß-Partie in Bergamo nicht wiedergutmachen. Ich habe die Jungs die ganze Woche über in die Eier getreten", parlierte Miha im TV, worauf die etwas pikierte Ilaria D'Amico von "Sky" dem Trainer einen Wortwahl-Kurs suggerierte. Eine Benimm-Schulung hätte Mihajlovic ja bereits zu aktiven Zeiten kaum geschadet. "Wieso? Anders kann man mit den Schnöseln heute nicht umgehen", befand der Trainer.
Ähnlicher Meinung ist übrigens auch Inter-Kollege Walter Mazzarri. Der haderte nach dem 1:2 gegen Atalanta zunächst über Aluminium-Treffer Nummer 17 in dieser Saison, später dann mit Stürmer Mauro Icardi. Der Argentinier hatte einem Balljungen ein Shirt "Wanda ich liebe dich" anvertraut, das er nach seinem Ausgleich feixend abholte und präsentierte.
Mazzarri grummelte: "Zu meiner Zeit sollten wir uns die ganze Zeit auf die Partie konzentrieren. Heute laufen die Youngster ständig mit Kopfhörern herum, kümmern sich um den Network-Unfug oder bemalen T-Shirts. So ist die Gesellschaft eben. All den Störfaktoren hinterherzulaufen, würde mich in den Wahnsinn treiben. Damals hätte ich vom Trainer einen Tritt in den Hintern bekommen." Sollte er mal probieren, in Genua hat's schließlich geholfen. Obwohl Mihajlovic bekanntlich stets den härteren Wumms im Fuß hatte.
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Premier League
Von Raphael Honigstein
Jubiläum des Spieltags: Es gab 32 Tore, ein Tor des Jahres (Wayne Rooneys 45-Meter-Kracher gegen West Ham) einen Phantom-Platzverweis (Schiri Andre Mariner verwechselte Alex Oxlade-Chamberlain mit Kieran Gibbs) und die fürchterlichste Jubiläumsparty aller Zeiten: Arsene Wengers 1000. Spiel auf der Arsenal-Bank endete so schlimm, dass der Elsässer nach dem Schlusspfiff von dannen stürmte.
"Der Bus fährt ab", sagte der Pressesprecher der Gunners nach dem 0:6 an der Stamford Bridge entschuldigend. "Arsenal hätte den Bus besser vor dem eigenen Tor geparkt", scherzte daraufhin "BBC"-Moderator Gary Lineker. Wenger sagte auch seine Pressekonferenz vor dem Heimspiel gegen Swansea ab, zu tief saß der Schock nach der Abreibung von Jose Mourinho.
Ein Arsenal-Spieler hatte mit der Geschichte jedoch nichts zu tun. Nicklas Bendtner weilte am Sonntag gemütlich in Dänemark, um sich ein Spiel des FC Kopenhagen anzusehen. Neben ihm saß Ex-HSV-Sportdirektor Frank Arnesen. Ob die beiden mit dem Taxi ins Stadion gefahren waren?
Vor zwei Wochen hatte der von Wenger ausgemusterte Stürmer während des Spiels der Londoner beim FC Bayern in der dänischen Hauptstadt etwas über die Strenge geschlagen. "Er ließ seine Hosen runter, und rieb sich an der Seite des Wagens", berichtete ein schockierter Taxifahrer nach einer bizarren Begegnung zu später Stunde.
Der sichtlich angetrunkene Bendtner soll den Fahrer zudem als "little bitch" beschimpft und sexuelle Handlungen angedroht haben. Nun ja, jeder hat seine eigenen Trainingsmethoden. Wie hatte der Angreifer es Anfang des Monats noch formuliert? "Die Leute denken, ich bin ein Psychopath, der sich nur für Partys und nicht für Fußball interessiert. Die Wahrheit sieht ganz anders aus." Klar.
Entlassung des Spieltags: Billy Davies wurde am Montag von Zweitligist Nottingham Forest gefeuert. Das ist in erster Linie eine gute Nachricht für englische Journalisten: Der 49-Jährige hatte sie bis auf ein paar handverlesene Ausnahmen nicht mehr ins Stadion gelassen.
Ein Reporter fiel dem Bannspruch zum Opfer, weil er im vergangenen Mai den Sinn und Zweck einer Pressekonferenz in Frage gestellt hatte. Davies hatte sich VOR dem letzten, entscheidenden Spiel gegen Leicester den Journalisten gestellt, "hinterher habe ich keine Zeit", hatte der Schotte damals erklärt. Auf so eine Idee muss man auch erst einmal kommen.
Und sonst? Alex Tettey gelang beim 2:0 von Norwich gegen Sunderland ein Tor, das dem von Rooney Konkurrenz machen konnte. Der fulminante Weitschuss sorgte für gute Stimmung an der Carrow Road, und es war auch sonst lauter als üblich.
Die Kanarienvögel hatten vor dem Anpfiff Klatschpappen ausgeteilt. Diese auf der Insel als "clackers" bekannten Dinger stehen zwar nicht gerade für britische Fankultur, funktionierten jedoch als kleiner Psychotrick.
Sunderland-Coach Gus Poyet hatte im vergangenen Jahr seinen Klub Brighton and Hove Albion (2. Liga) für die Verteilung eben jener Lärminstrumente in den Playoffs kritisiert und war kurz darauf von seinen Aufgaben entbunden worden. Die Klatsche am Samstag dürfte dementsprechend doppelt geschmerzt haben.
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Primera Division
Von Frank Oschwald
Clasico des Spieltags: Vaya Partido, hörte man am Sonntagabend zahlreiche Spanier stöhnen. Was ein Spiel! Sieben Hütten, eine Rote Karte, ein Hattrick und drei Elfmeter. Ein Fußballspektakel, das es so zuletzt in La Liga nicht zu sehen gab. Blickt man allerdings nüchtern auf die blanken Fakten, hätte man einen derartigen Spielverlauf problemlos erahnen können. Dass es bei den teilweise wilden Defensiv-Auftritten der beiden Teams gleich sieben Mal klingelt, lag auf der Hand.
Um zu wissen, dass Messi ein solches Match entscheiden kann, muss man ebenfalls nicht bei "Sky90" in der Expertenrunde sitzen. Und die Rote Karte von Ramos hätte auch der Agrarwissenschaftler von nebenan, der von Fußball keinen Schimmer hat, vorhersagen können. Es ist ja schließlich Ramos. Und es ist der Clasico. Überraschend war allerdings der Auftritt von Pepe. Der sonst so friedliche Portugiese ließ sich von seinen Emotionen leiten und ging nach einer sachlich geführten Kopf-an-Kopf-Diskussion mit Barca-Rüpel Cesc Fabregas zu Boden.
Ausgerechnet Pepe. Schließlich ist dieser nicht als Spieler bekannt, der sich ohne Grund in die Wiese legt. Behandelt werden musste der Verteidiger nicht und zwei Minuten nach der wüsten Attacke ging's auch wieder überraschend gut beim Portugiesen. Joey Barton nahm ihm die Aktion komischerweise nicht ab. "Pepe ist auf dem Platz ein noch größerer Arsch als ich. Und das mag was heißen", twitterte der Brite, seines Zeichens Vorzeige-Arsch des englischen Fußballs, während der Partie.
Noch bissiger fasste die englische Presse den Abend zusammen: "Der Clasico ist ein äußerst ärgerlicher Mix zwischen wirklich großartigem Fußball und einem fürchterlichen Gezicke aller Beteiligten." Was bleibt vom 259. Clasico also übrig? Ein vogelwildes Spiel, eine wieder spannende Meisterschaft, zahlreiche schlaflose Nächte bei Schiri Undiano und der Fakt, dass die Ständig-auf-Ballhöhe-Kamera großer Käse ist.
Fehlschuss des Spieltags: Vergesst Frank Mill. Vergesst Jakub Blaszczykowski. Alles Kindergarten gegen den Fehlschuss des Wochenendes. Denn Jairo bewarb sich in Osasuna mehr als inbrünstig für jeden Saisonrückblick. Nach einer wunderbaren Kombination stand der kleine Spanier komplett blank vor dem leeren Tor, der Keeper lag bereits sonstwo.
Von rechts kam der Ball in den Strafraum, auf Höhe des Fünfers hätte Jairo den Ball nur noch über die Linie drücken, nein, hauchen müssen. Hätte, hätte, Fahrradkette - der Schuss ging an die Latte. Die Szene lief jedoch weiter und rundete das Kuriosum ab. Osasuna-Verteidiger Abella sprang der Ball Sekunden später an die Hand - Elfmeter Sevilla. Jairo durfte nicht schießen.
Und sonst? Was für den Spanier der Clasico, ist für den Sevillaner das Derby zwischen Betis und dem Stadtrivalen FC. In der Europa League gab's unter der Woche das "Derbi Sevillano" erstmals auf europäischer Bühne. Und für das als Arbeiterverein bekannte Betis hätte es nicht bitterer laufen können. Im Hinspiel entführte man aus dem gegnerischen Stadion einen 2:0-Sieg, um im Rückspiel nach einem 0:2 in der regulären Spielzeit im Elfmeterschießen zu verlieren.
Das ist ungefähr so, als würde man einem Dreijährigen das einzige Spielzeug entreißen und es vor den Augen zertrampeln. Denn Betis ist in der Liga dermaßen Letzter, das Almeria als Vorletzter bei einem Spiel weniger bereits sieben Punkte Vorsprung hat. Jetzt ist das Spielzeug EL allerdings auch hinüber.
Umso höher ist den Betis-Fans die Geste am Wochenende anzurechnen. Im Heimspiel gegen Atletico gab's bei der Auswechslung in der 27. Minute unüblicherweise stehende Ovationen und tosenden Applaus für den eingewechselten Momo. Dieser verschoss in der EL gegen den Stadtrivalen den entscheidenden Elfmeter.
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