Pippo Inzaghi mischt die Serie A auf und nervt mehr als je zuvor. In England darf Arsene Wenger durchatmen - nie wieder Probleme mit dem Reißverschluss! Der Transfer von Chicharito löst derweil Entsetzen aus. Das alles und mehr in den Blitzlichtern aus Europa.
Serie A
Von Oliver Birkner
Linien-Revoluzzer des Spieltags: Im San Siro fühlte man sich bei den Sprechchören um einige Jahre zurückversetzt. "Oi oi, oi, Pippo Inzaghi segna per noi!" (Triff für uns) hallte es von den Rängen. 840 Tage lag der Abschied zurück, doch Superpippo ist ja nun wieder da. Eigentlich in der Rolle als Milan-Trainer, aber alte Gewohnheiten sind verteufelt schwer abzulegen. Beim 2:0 durch Sulley Muntari gegen Lazio flitzte Inzaghi aufs Feld und mischte sich in die jubelnde Spielertraube - wie einst, als er allerdings meist selbst die Kugel mit der Augenbraue oder dem linken Zehnagel über die Torlinie gedrückt hatte. Ansonsten gehören Linien nicht unbedingt zu seinen besten Kollegen. Zur aktiven Zeit wohnte er zwar auf der Abseitslinie, dabei stritt er aber solange mit ihr, bis der Referee sie irgendwann aufhob und der Pfiff ausblieb. Nun muss sich Pippo mit den lästigen Linien der grotesken Coaching Zone herumärgern und überprüfte die Grenzen des Kastens gleich einmal mit nonchalantem Ignorieren. Chievo-Trainer Eugenio Corini wurde dafür am Samstag auf die Tribüne verwiesen, Inzaghi erhielt vom Schiedsrichter den lächelnden Rüffel: "Nana, so geht's aber nicht, Pippo."Überhaupt kommentierte der Referee, der Trainer Inzaghi sei weitaus Nerven raubender als der Spieler Inzaghi je gewesen sei. Na da steht eine lustige Saison bevor. "Ich weiß, dass ich das nicht machen darf. Wenn man uns aber jetzt noch das Jubeln nimmt, was bleibt dann?" kommentierte der Linien-Anarchist. Zumindest durfte beim 3:1 mal wieder gejubelt werden, was beim AC Milan zuletzt ja keineswegs selbstverständlich war. Stephan El Shaarawy lieferte eine Bombenparty (vor dem 1:0 ließ er Stefan de Vrij wie ein Hütchen stehen), die Defensive erinnerte über weite Strecken wieder an die eigentliche Bedeutung des Begriffes und womöglich hievt Pippo sogar Fernando Torres wieder auf die Beine und hämmert ihm ein, wie man die Torlinie kinderleicht überwindet.
Franzose des Spieltags: In den letzten Jahren kann man den Verantwortlichen von Juventus sicher nicht vorwerfen, sie hätten keine Schnäppchen auf dem Transferbazar erzielt. Zwölf Millionen Euro für Arturo Vidal waren ein Sonderangebot, dazu kamen unter anderem ablösefrei Andrea Pirlo, Fernando Llorente oder Paul Pogba. Auch ohne Ablöse holte man im Sommer Kingsley Coman, den Carlo Ancelotti im Februar 2013 zum jüngsten Debütanten bei PSG gemacht hatte (16 Jahre, acht Monate, vier Tage). Bei Juventus debütierte "King" nun als jüngster Ausländer der Vereinsgeschichte (18 Jahre, zwei Monate, 17 Tage) und kickte im Angriff einfach atemberaubend. Fraglos müssen fundierte Urteile warten, doch die erste Vorstellung lässt künftig weitere formidable Einsätze vermuten. Um hektische Griffe in die notorische Schüssel zu vermeiden (ja, Juve vegriff sich zuletzt unnötig mit Spukgestalten wie Nicolas Anelka oder Nicklas Bendtner), will man nun auf Backup Coman setzen, der eigentlich zunächst für den Nachwuchs eingeplant war. Gute, günstige Entscheidung.
Und sonst so? Er ist das Phänomen, das bei der Ankunft alle glücklich macht, und beim Abschied weitaus glücklicher. Niemand verdrückte eine Träne, dass Mario Balotelli den AC Milan verließ. Die Fans waren froh. Der Klub atmete auf, endlich nicht mehr entnervt ausschließlich über Eskapaden des Stürmers reden zu müssen. Berater Mino Raiola grinste, weil er in den vergangenen fünf Jahren allein mit den Klienten Balotelli und Zlatan Ibrahimovic durch Vermittlergagen auch seinen Urenkeln ein sorgenfreies Leben garantiert. Balotelli ist gerade 24 geworden und hat es sich bereits mit drei Klubs und der Nationalelf verscherzt, wo er in 33 Partien nur ein großes Spiel (2012 gegen Deutschland) ablieferte. Der Rest bleibt ein Konjunktiv, jemand der Probleme lösen soll, sie indes zuhauf bereitet und dafür bei jedem Transfer mehr Gehalt verdient. Mal schauen, wie es in der Nationalelf unter dem neuen Coach Antonio Conte weitergeht. Für die ersten beiden Partien berief er Balotelli nicht und begründete: "Ich werde mit niemandem Mitleid haben. Wenn du nicht Maradona oder Messi heißt, reicht das Talent alleine nicht aus. Und vor dem Spiel will ich keine Ablenkung durch Twitter oder ähnlichem." Das könnte eng für Balo werden.
Serie A: Der Linien-Anarchist nervt
Premier League: "Pull me!" Reißverschluss-Hilfe für Wenger
Primera Division: Chicharito geholt - großartiger Sommer!
Premier League
Von Max Schöngen
Der kühle Kopf des Spieltags: Neben der aberwitzigen Offensivschlacht machten sich bei Chelseas 6:3 im Goodison Park drei Spanier zu den Protagonisten der Partie, allen voran: Diego Costa. 35 Sekunden brauchte er für seinen dritten Ligatreffer für die Blues. Zum Vergleich: Fernando Torres benötigte dafür 39 Partien - aber das ist eine andere Geschichte. Der Aufreger der Partie folgte kurz vor der Halbzeit: Nachdem sich Everton zwischenzeitlich herangekämpft hatte, sorgte Seamus Coleman mit einem Eigentor für das 3:1 zugunsten der Londoner. Keine Frage, sehr unglücklich, aber auch kein Eigentor der Marke "Wie dumm kann man eigentlich sein?" Diego Costa war das ziemlich egal. Getragen von einer Euphorie ließ er es sich nicht nehmen, dem Unglücksraben noch eine verbale Breitseite mitzugeben. Das jedoch kam nicht so gut an, vor allem Roberto Martinez brüskierte sich auch nach der Partie über den Hohn seines Landsmanns "Er wird verstehen, dass diese Liga anders ist und er sich ihr anpassen muss - die Liga wird sich ihm nicht anpassen", so der Prophet von der Merseyside. Einer der das bereits verstanden hat, ist Cesc Fabregas. Am Boden liegend trat Kevin Mirallas - hat übrigens auch spanische Wurzeln - dem ehemaligen Barca-Spieler auf den Arm - bestimmt völlig unabsichtlich. Und Fabregas? Der sprang auf und man ahnte bereits Böses - dann schossen ihm aber wohl die Gedanken "Vorsicht, Kameras, überall" durch den Kopf. Anstatt einer Retourkutsche gab es lediglich einen freundschaftlichen Klaps in Richtung Mirallas und eine Handbewegung á la "Ich bin Cesc - Weltmeister, Europameister und du so?"
Wengers gute Nachricht des Spieltags: Keine Frage, Arsene Wenger hatte zuletzt einiges auf seiner To-Do-Liste stehen. Die Verletzung von Olivier Giroud wäre da beispielsweise zu erwähnen, der nicht ganz optimale Saisonstart ohnehin, von den ewig quälenden Diskussionen um Formation, Alexis Sanchez oder Mesut Özil ganz zu schweigen. Doch es gibt auch Lichtblicke für den Franzosen. Seit dieser Saison vertraut man bei den Gunners in Sachen Ausrüster auf echte deutsche Wertarbeit, an sich keine Angelegenheit, von der ein Trainer in erster Linie betroffen ist. Bei Arsene Wenger ist das anders. Immer wieder wurde dem Franzosen in den vergangenen Jahren der Reißverschluss seines wetterfesten "Michelin-Man-Mantels" zum Verhängnis. Allem Zurren und Ziehen zum Trotz, der Reißverschluss wollte und wollte sich nicht schließen lassen. Eine wahrlich verzwickte Sache, die Wenger den letzten Nerv raubte und ihn ganz nebenbei auch von wichtigen Dingen wie etwa dem aktuellen Spielgeschehen ablenkte. Damit soll nun endgültig Schluss sein. Nett wie der neue Sponsor eben ist, wurde extra für den Arsenal-Coach eine neue extra große Lasche zum unfallfreien Öffnen und Schließen der Jacke entwickelt, nützlich auch die kurze aber prägnante Anleitung als Aufschrift: "Pull me!" Der Jammer auf der Insel ist nun groß, "Zip-Gate" hat sich längst zum Dauerbrenner und beliebtem Motiv für Fotografen und Fernsehkameras entwickelt, das ist nun wohl Geschichte. Immerhin kann sich der Trainer wieder voll und ganz auf das Wesentliche konzentrieren, die Liste an Problemen.
Und sonst so? Fußballromantiker haben es ja schon immer geahnt, seit dem vergangenen Spieltag aber steht endgültig fest: Siege kann man nicht kaufen. Zumindest, wenn man nach dem Spiel von Manchester United gegen den FC Burnley geht. Seit der Vereinsgründung im Jahr 1882 wurden in Burnley rund 56 Millionen Euro für neue Spieler ausgegeben. Inklusive der Verpflichtung von Daley Blind waren es bei den Red Devils 93 Millionen, allerdings nicht in den letzten 132 Jahren, sondern in der vergangenen Woche. Der Ausgang des Spiels ist bekannt...
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Primera Division: Chicharito geholt - großartiger Sommer!
Primera Division
Von Ben Barthmann
Defensive des Spieltags: Seit der 5:0-Pleite gegen den FC Barcelona 2010 hat Real Madrid in der spanischen Liga nicht mehr so deutlich den Kürzeren ziehen müssen. Gegen Real Sociedad sah es lange auch nicht danach aus, bis sich die Defensive der Königlichen mit der 2:0-Führung frühzeitig vom Dienst abmeldete. Ecke Sociedad - Martinez mit dem Anschlusstreffer. Flanke Sociedad - Zurutuza mit dem Ausgleich. Wieder Flanke Sociedad - Zurutuza mit der Führung. Aber der Madrilene an sich ist ja schließlich lernfähig. Wir schreiben die 75. Minute der Partie, es steht 3:2 für die Basken, die eine Ecke haben. Erst kommt Sergio Ramos und dirigiert seine Hintermannschaft, Pepe bessert nach. Carvajal hat auch seine Meinung, Marcelo sowieso. Bale wird es zu bunt, der Waliser erklärt seine Art der Deckung. Das Ende vom Lied ist klar. Ecke, Vela, 4:2. Das einzige, was in der Defensive kollektiv funktionierte war das panische Hochreißen der eigenen Hände um ein mögliches Handspiel zu reklamieren.
Schiedsrichter des Spieltags: Als Schiedsrichter in Spanien muss man sich so einiges gefallen lassen. Ständiges Meckern und Lamentieren, Rudelbildungen, Feuerzeuge auf dem Rasen - und ab und zu fängt man sich noch eine von Diego Simeone. Carlos Velasco Carballo wurde das Ganze aber zu bunt beim Spiel zwischen Villarreal und dem FC Barcelona. Dani Alves bekam von Jaume Costa im wahrsten Sinne des Wortes einen Arschtritt verpasst, woraufhin der Brasilianer lautstark eine Karte forderte. Als der Unparteiische die selbige allerdings stecken ließ, zögerte Alves nicht lange und streckte Carballo sein entblößtes Hinterteil mitsamt Stollenspuren entgegen. Konsequenz: Verwarnung für den Brasilianer. Offiziell begründete der Schiri es allerdings mit Betreten des Spielfelds nach Behandlung ohne Genehmigung des Schiedsrichters. Lass gut sein Carlos, wir können dich verstehen.
Und sonst so? Man nehme das Wort "Falcao", streiche sechs Buchstaben weg und ersetze sie durch die Buchstaben C, H, I, C, H, A, R, I, T, O - schon ist man beim neuesten Mitglied im Kader von Carlo Ancelotti. Dass manchem Königlichen just die Vorfreude auf die gesamte Saison an nur einem Tag genommen wurde, wird man wohl fortan nicht mit der Niederlage gegen Sociedad in Verbindung bringen, sondern vielmehr mit der Verpflichtung von Javi "Chicharito" Hernandez. Die Reaktionen der Fans über "Twitter" nahmen die klassischen Stadien: Verweigerung (Fakt: Keine Vorstellung für heute oder morgen geplant), Selbstironie (Supercopa verloren, Saisonstart verpatzt, Arbeloa gehalten, Chicharito geholt - großartiger Sommer!), Wut (Bilder von Chicharito, der statt Trikot eine Ersatzbank hochhält) bis hin zu Verzweiflung (Fakt: Vorstellung im Stadion wird vorbereitet. Geliehene Spieler werden nicht offiziell vorgestellt.)
Serie A: Der Linien-Anarchist nervt