Was haben David Trezeguet, Alessandro del Piero und Manuel Friedrich gemeinsam? Sie alle spielen nächste Saison in Indien. Das Land von Cricket-Helden und Bollywood-Stars hat das Potenzial des Fußballs entdeckt und startet ein neues Liga-Format, das als Zugpferd die Entwicklung der lange verschmähten Sportart vorantreiben soll.
Indien und Fußball-Großmacht? Wenn es nach den Organisatoren der Indian Super League geht, dann werden diese Worte bald in einem Atemzug genannt. In Indien soll eine Euphorie für das runde Leder entfacht werden, die Teilnahme an der WM 2026 ist das erklärte Ziel. Ein ambitioniertes Unterfangen - schließlich liegt Indien momentan auf Platz 150 der FIFA-Weltrangliste.
Am 12. Oktober fällt der Startschuss für die ISL, die mit dem Wettbewerb zwischen acht neu gegründeten Teams aus unterschiedlichen Teilen des Landes den indischen Fußball aus seiner Versenkung holen will. Bis Dezember spielen die Vereine eine Saison aus Hin- und Rückrunde, die besten vier Teams kämpfen anschließend in den Playoffs um den Titel.
Neue Liga, neues Konzept
Die bislang höchste Spielklasse im indischen Verband, die I-League, fliegt weit unter dem Radar und wird selbst in Indien von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Die Besonderheit der ISL ist ihr einzigartiges Konzept: Strenge Restriktionen geben vor, wie der 22-köpfige Kader der Teams zusammengesetzt sein muss.
Jede Mannschaft benötigt einen ausländischen Star-Spieler, der sein Land bei kontinentalen oder internationalen Turnieren vertreten hat. Zudem wurden in einem Draft nach US-Vorbild zwölf indische Akteure ausgewählt, von denen vier aus der Region stammen müssen. Dazu kommen sieben ausländische Spieler, die ebenfalls per Draft aufgeteilt wurden. Die zwei weiteren freien Kaderplätze sind für Ausländer vorgesehen, die von den Teams ohne Beschränkungen verpflichtet werden können.
Von Trezeguet bis del Piero
Fast alle Klubs haben ihre Stars bereits unter Vertrag genommen: David Trezeguet spielt für Pune City, Alessandro del Piero läuft für die Dehli Dynamos auf. Ebenfalls Publikumsmagneten in ihren Mannschaften werden die Arsenal-Legenden Robert Pires (FC Goa) und Freddy Ljungberg (Mumbai City) sein. In Sachen Bekanntheitsgrad dürfte dem Schweden Ljungberg in Mumbai aber auch der erst kürzlich verpflichtete Nicolas Anelka Konkurrenz machen.
Die Chennai Titans, das einzige Team noch ohne Star, verhandelte zuletzt mit keinem Geringeren als dem früheren Weltfußballer Ronaldinho, verlor im Werben um den Brasilianer allerdings gegen den mexikanischen Klub Queretaro.
Die ehemaligen spanischen Nationalspieler Luis Garcia (Altletico de Kolkata) und Joan Capdevila (NorthEast United) sind ebenso nach Indien gewechselt wie Premier-League-Held David James, der das Tor der Kerala Blasters hüten wird.
Um solch große Namen im Spätherbst ihrer Karrieren nach Indien zu locken, greifen die Klub-Eigentümer tief in die Tasche. Von Wirtschaftsmogulen über Bollywood-Schauspieler und Cricket-Ikonen bis hin zum führenden Kabelfernseh-Anbieter des Landes - die Besitzer der Teams könnten kaum unterschiedlicher sein. Eines aber haben sie gemeinsam: An Geld mangelt es ihnen nicht.
Kooperation mit europäischen Vereinen
In manchen Eigentümer-Konsortien sind auch europäische Klubs vertreten, die Indien als Vermarktungsfeld erkannt haben: Dem AC Florenz gehören nicht nur 15 Prozent vom FC Pune City, beide Klubs einigten sich zudem auf eine strategische Kooperation. Die Fiorentina vermittelte unter anderem Ex-Napoli-Coach Franco Colomba nach Indien. Inter Mailand und die Chennai Titans arbeiten zukünftig ebenfalls zusammen, wenn auch die Nerazzurri nicht direkt in den Klub investiert haben.
Atletico Madrid hat ebenfalls seine Finger im Spiel. Der spanische Meister hält Anteile an - man kann es sich fast denken - Atletico de Kolkata. Und auch in diesem Fall einigte man sich zusätzlich auf eine Kooperation. Hinter den Engagements stecken einfache unternehmerische Prinzipien. "Wir sind begeistert über die Perspektive, Atletico Madrid auf diesem Weg mit einem der einwohnerstärksten Länder der Welt verbinden zu können", sagte Besitzer Miguel Angel Gil. Es sei zudem großartig, "die Marke Atletico zu verbreiten und einen neuen Markt zu erschließen."
Indiens Population von rund 1,2 Milliarden Menschen, für die Fußball bisher mehr Randnotiz als alles andere war, ist eine stattliche Zielgruppe für eine - in europäischen Dimensionen - kostengünstige PR-Maßnahme. Zwischen 150.000 und 250.000 Euro zahlten die Klubs für einen Startplatz in der Liga.
Laut Gil ist das Projekt aber mehr als nur eine Marketing-Kampagne: "Durch diesen Verein werden wir helfen, den Fußball in Indien tatsächlich zu verbessern", so der Eigentümer der Rojiblancos. Einen zusätzlichen Anreiz für das Engagement dürfte auch die neu gegründete Jugend-Akademie gegeben haben, deren Errichtung eine Auflage für jeden Klub darstellt. Sollte sich der Fußball in Indien wirklich gut entwickeln, könnte sich diese irgendwann als enorm nützlich erweisen.
Lernen von den Bestern
Colomba ist nicht der einzige Trainer, der zukünftig in Indien an der Seitenlinie stehen wird. Brasiliens Legende Zico, mittlerweile 61 Jahre alt, wird Coach des FC Goa. Atletico de Kolkata hat natürlich einen Spanier verpflichtet: Antonio Lopez erwarb sich seine Meriten unter anderem beim FC Valencia und Celta Vigo.
Mumbai City angelte sich den ehemaligen englischen Nationalspieler Peter Reid. In dessen Trainer-Portfolio finden sich klangvolle Namen wir Leeds, Sunderland und Manchester City.
Seite 1: Stars und Hilfe aus Europa
Seite 2: Friedrich und Co. als Antreiber
Als einziger Deutscher wird Manuel Friedrich in der Premierensaison der Indian Super League mitwirken. "Ich habe immer mit dem Gedanken gespielt, nach Asien zu gehen", so der ehemalige Nationalspieler: "Ich freu mich sehr, Teil des Teams in Mumbai zu sein und werde mein Bestes für die Mannschaft geben".
Seit Ende August ist der 34-Jährige, der in der Bundesliga für Mainz, Bremen, Leverkusen und Dortmund auflief, vor Ort und bereitet sich mit dem Mumbai City FC auf die Saison vor. Gegenüber der "Times of India" gab Friedrich zu, mit manchen Übungen nicht so viel anfangen zu können: "In Deutschland sind bestimmte Trainingsabläufe etwas anders. Ich versuche, unsere Coaches darauf aufmerksam zu machen, ohne die Arbeit zu stören oder zu sehr zu beeinflussen."
Insgesamt sind seine Erfahrungen bislang außerordentlich positiv: "Die wenigen Tage, die ich bisher mit dem Team verbracht habe, waren echt lustig. Die indischen Spieler sind total freundlich. Ich will versuchen, die Sprache zu lernen und die Kultur kennenzulernen", so der Abwehrspieler.
Mehr als abgehalfterte Altstars
Andy Knee, Vizepräsident des Liga-Vermarkters IMG, ist von den Kaderzusammenstellungen beeindruckt: "Wir sind überwältigt von den internationalen Spielern, die in der ISL diese Saison dabei sind. Sie haben die Qualität, die Fähigkeiten und die Ambition, Indien ein großartiges Produkt zu präsentieren, um die Fans zu unterhalten."
Aber es geht noch um einiges mehr als die einheimischen Anhänger mit ausländischen Altstars zu begeistern. "Der Fußball in Indien benötigt dringend eine professionelle Struktur und Organisation", sagt Abhishek Bachchan, Eigentümer der Chennai Titans: "Ich unterstütze den Fußball hier schon seit Langem und es ist sehr wichtig, ihn zu fördern."
"Es geht um die Zukunft"
Der Bollywood-Star legt besonderen Wert auf eine nachhaltige Entwicklung: "Das Aufregendste an der ISL ist für mich die Nachwuchsarbeit in den Jugend-Akademien. Es ist mir bewusst, dass das ein langfristiges Projekt ist und genau darum engagiere ich mich. Na klar, jeder will Meister werden, auch wir in Chennai, aber es geht vor allem um die Zukunft. Die Liga wird den Fußball in Indien auf ein neues Level heben."
Der Verband stellt ebenfalls hohe Ansprüche an die ISL. Sie soll den Grundstein für die Entwicklung einer indischen Fußball-Kultur legen, die langfristig eine eigene Identität, bessere Spieler und ein international konkurrenzfähiges Team hervorbringen soll.
In dieser Hinsicht ist vor allem die strategische Partnerschaft mit der englischen Premier League ein wichtiger Schritt. Aus dem Land der ehemaligen Kolonialherren erhält die ISL künftig Unterstützung in den Bereichen Organisation, Vermarktung, Fan-Engagement und Vereinsführung, bei der Errichtung von Strukturen sowie der Etablierung von Anti-Drogen- und Anti-Korruptions-Richtlinien.
Nicht nur in Indien wird das Potenzial der neuen Liga hoch eingeschätzt. Umgerechnet 88 Millionen Euro brachte dem Verband der Verkauf der Vermarktungsrechte für die nächsten 15 Jahre an die International Management Group ein. Das Unternehmen besitzt unter anderem die Lizenzen an der EM 2016 und vermarktet Top-Marken wie Manchester United oder Ferrari. Auch wenn der Betrag auf den ersten Blick gering erscheint - für ein Fußballprojekt in Indien ist das eine Unsumme.
Revolution mit Startschwierigkeiten
Bei der Planung der ISL wurde vieles richtig gemacht. Von Anfang an wurde in großen Dimensionen gedacht: Die Stadien fassen bis zu 120.000 Zuschauer. Aber auch das nötige Kapital ist vorhanden, um das ambitionierte Projekt zu tragen. Doch bevor Indien zur Fußball-Weltmacht aufsteigen kann, muss es zunächst gelingen, die Menschen im eigenen Land zu begeistern. Cricket dominiert seit Jahrzehnten die Sportlandschaft, die Spieler werden wie Rockstars vergöttert und die Leidenschaft kommt einer Religion gleich.
Das Land ist verrückt nach dem Duell zwischen Bowler und Batsmen, während der Versuch zweier Teams, einen Fußball ins gegnerische Tor zu befördern, noch keinen richtigen Zugang zu den Herzen der Fans gefunden hat. Das soll sich durch die Indian Super League ändern.
Sie soll nicht weniger als eine Revolution auslösen und das Land vor eine Glaubensfrage stellen. Wie bei fast jeder anderen Revolution in der Geschichte gab es auch bei der ISL Startschwierigkeiten. 2010 begann die Planung, 2012 sollte der Ball eigentlich bereits rollen. Mehrfach musste der Liga-Beginn verschoben werden, doch die Probleme sind nun beseitigt. Dieses Mal ist alles bereit für den Auftritt der großen Hoffnung des indischen Fußballs.
Endlich, am 12. Oktober 2014, wird die erste Partie zwischen Atletico de Kolkata und Mumbai City in der Indian Super League angestoßen. Eine ambitionierte Revolution, die wirklich die Perspektive hat, den Fußball in Indien zu verändern. Oder um es mit den Worten von Liga-Chef Anupam Dutta zu sagen: "Come on, India. Let's football."