"Mein Haus muss dran glauben"

Stefan Kohfahl (r.) ist mit seiner Fußballschule für Real Madrid in Deutschland Mraktführer
© spox

Ein Sportwissenschaftler lässt alles stehen und liegen, entwickelt ein Konzept für Nachwuchscamps - und ist mit der "Real Madrid Foundation Clinics" binnen kürzester Zeit Marktführer in Deutschland. Direktor Stefan Kohfahl im Gespräch mit SPOX über einen wundersamen Aufstieg, die Macht des Namens Real Madrid und sein einzigartiges Projekt.

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SPOX: Herr Kohfahl, Sie haben die Entstehung der Real Madrid Foundaton Clinics in einem Interview als "Aschenputtel-Geschichte" betitelt. Wie kam es zur Idee?

Stefan Kohfahl: Ich bin Sportwissenschaftler, seit 32 Jahren im Jugend- und Herrenbereich Trainer und habe 15 Jahre lange Fußballschulen betreut - zuletzt bei einem großen Bundesligisten. Da habe ich gemerkt, dass mich das nicht befriedigt, weil Dinge wie Markenbildung oder Fanbindung im Vordergrund stehen. Daraufhin habe ich über ein, zwei Jahre ein eigenes Konzept entwickelt und das bei Fußballklubs im europäischen Ausland vorgestellt. Real Madrid hat mir schließlich den Zuschlag gegeben.

SPOX: Gab es kein Interesse aus Deutschland?

Kohfahl: Es gab einen sehr bekannten Bundesligisten in Deutschland, der mich zum Gespräch eingeladen hatte. Das musste ich aber absagen, weil ich da schon sehr weit in den Verhandlungen mit Real Madrid war. Aber aus den Top-Ten der letztjährigen UEFA-Rangliste waren sieben Klubs unter den Interessenten.

SPOX: Plötzlich saßen in den Büros der größten Fußballvereine der Welt. Wie hat sich das angefühlt?

Kohfahl: Es ist schon komisch gewesen. Bei der Vertragsunterzeichnung im Büro von Real-Boss Jose Angel Sanchez war ich aber relativ gelassen, weil ich alles noch gar nicht fassen konnte. Real ist für mich persönlich der größte Verein und ich bekomme den größten Support. In Madrid hat man mich direkt in den Arm genommen und gesagt: "Du bleibst hier, wir haben Großes mit dir vor!" Das war eine Perspektive, der man aber natürlich auch gerecht werden muss.

SPOX: Was hat man denn mit Ihnen vor?

Kohfahl: Ich habe das Konzept eigentlich nur für Deutschland vorgestellt. Dann sagte Sanchez: "Ich lasse dich hier nur raus, wenn du Europa machst!" Seine Vision ist es, dass sich irgendwann die besten Kinder in Madrid zum größten Fußball-Happening der Welt treffen und sich austauschen - kulturell wie sportlich. Dieser Vision nähern wir uns mit großen Schritten.

SPOX: Wie muss man sich die Entwicklung Ihres Konzepts vorstellen? Bei ein bis zwei Jahren Entwicklungszeit war das sicher kein billiger Spaß.

Kohfahl: Die Einladungen von den Klubs waren von Beginn an da - ich musste aber alles selbst bezahlen. Man musste Dolmetscher mitbringen, anfangs waren auch Anwälte dabei. Ich habe das Konzept dann wegen einer Finanzierung schließlich bei der Bank vorgestellt. Der Banker meinte - und das werde ich nie vergessen: "Tolle Idee, tolles Konzept" - und dann warf er mir eine Mappe herüber: "Und tolles Haus!" (lacht) Da war klar: Ich kann so viel reden wie ich will, mein Haus muss dran glauben.

SPOX: Das eigene Heim als Sicherheit für ihr Konzept. Hatten Sie nie Angst, dass das Ganze doch schiefgehen könnte?

Kohfahl: Angst ist der falsche Berater. Ich war mit Leidenschaft bei der Sache und durfte es bei Real gleich in der obersten Ebene präsentieren. Natürlich gab es ein paar Schwierigkeiten. Das Wording "Clinics" beispielsweise ist in Deutschland gewöhnungsbedürftig, steht aber im englischen einfach für Sprechstunde. Aber wir sind trotz aller Anlaufschwierigkeiten im April letzten Jahres gestartet, hatten im Juli unser erstes Camp in Bottrop - und das war ausverkauft.

SPOX: Wie lief die inhaltliche Entwicklung des Konzepts: Haben sich bei Klubs vor Ort Inspiration geholt oder sitzt man die meiste Zeit zuhause im stillen Kämmerchen?

Kohfahl: Ich war viel auf Reisen und habe hospitiert. Ich war bei Benfica Lissabon, die eine sehr tolle Akademie haben oder in Valencia, die in Spanien auf dem Gebiet mit führend sind.

SPOX: Das klingt wahnsinnig zeitintensiv.

Kohfahl: Es entwickelt sich alles immer weiter und wir hatten nie die Zeit, anzuhalten. Es wird immer größer. Ich habe seit zwei Jahren keinen Urlaub gemacht, jedes einzelne Camp bereist, jeden Partnerverein besucht und mir die Anlage angesehen. Ich konnte das alles noch gar nicht so richtig realisieren. Das mache ich dann in fünf Jahren. (lacht)

SPOX: Warum sind die Clinics besser als normale Fußballschulen?

Kohfahl: Der Fokus liegt bei uns auf 30 Stunden Fußball. Es gibt keine Marketingmaßnahmen, kein Merchandising und es kommt kein Maskottchen vorbei. Es gibt ein sportliches Weiterkommen, weil die besten Kinder nach Madrid dürfen. Aus jedem Camp nominieren wir fünf, sechs Talente, die zu regionalen Tryouts kommen. Unsere Prämisse ist auch die Vermittlung von kulturellen, sozialen und sportlichen Werten. Beim Sport sind alle gleich - das ist eine Basis, auf der wir gut arbeiten und den Kindern schnell was vermitteln können. Als Beispiel: Bei den Tryouts sind natürlich alle ehrgeizig, alle wollen nach Madrid. Und dennoch haben wir keine Schiedsrichter, lassen die Kinder einfach so spielen und beobachten. Da kann man soziale Kompetenzen erkennen. Alleine da merkt man bereits, dass es einen ganz anderen Spirit gibt, als bei einer normalen Fußballschule.

SPOX: Kurz gesagt: Fußball statt Marketing.

Kohfahl: Real Madrid braucht nicht mehr Fans. Real Madrid braucht kein Geld. Wenn wir hier 100.000 Euro einnehmen, hilft das dem Verein nicht weiter.

SPOX: Wie sieht denn das "Wunsch-Talent" aus?

Kohfahl: Der Fußballer an sich besteht für Real aus drei Kreisen: Talent, Einstellung und Erfahrung. Wenn jemand nur auf dem Feld steht und die Diva spielt, hat er ein Problem mit uns. Wir fordern Disziplin und Respekt ein - auch untereinander. Man muss gewinnen, man muss aber auch verlieren können. Der Ältere hilft dem Jüngeren, der Stärkere dem Schwächeren. Wenn ich auf dem Feld merke, dass ich besser bin, gehe ich in eine Führungsrolle, reiße die anderen mit und mache sie nicht nieder. Am Ende jedes Camps wird der beste Teamplayer gekürt, der ein Meet and Greet mit den Real-Profis gewinnen kann.

Seite 1: Kohfahl über sein Konzept und das perfekte Talent

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