Pirlo verzweifelt gesucht

Oliver BirknerFrank Oschwald
31. August 201517:59
Andrea Pirlo, Mario Balotelligetty
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Sassuolo? Chievo? Che? In Italien stellt ein Viererpack an No-Names die Tabelle auf den Kopf. Auch der Meister hat vergessen, wie's eigentlich funktioniert. Dazu: Ein Nebenjob in Sunderland, Alex Mitrovic auf Balotellis Spuren und Gijon feiert den Klassenerhalt.

Serie A

Von Oliver Birkner

Marathon des Spieltags: Er habe die Tabelle flugs als Hintergrund auf seinem Smartphone eingerichtet, gestand Giampiero Ventura. Knapp zwei Wochen lang wird der Trainer des FC Turin den Apparat nun wohl ständig aus der Tasche kramen. Da in der Serie A das Torverhältnis eine marginale Rolle einnimmt, dürfen sich nach dem zweiten Spieltag Torino, Sassuolo, Chievo und Palermo Tabellenführer nennen. Nun gut, auch Inter, doch die Schwarzblauen passen in diese Underdog-Riege namentlich ja eher weniger rein.

Ganz unten rangiert nach dem 1:2 in Rom indes der Meister. Null Punkte nach den ersten beiden Partien, das gab es im Hause Juventus zuletzt 1912, als die Liga noch gar nicht Serie A hieß. Zudem verzeichneten die Turiner in den ersten 45 Minuten einen einzigen Torschuss - für eine ähnlich karge Bilanz muss man elf Jahre zurückblättern. Natürlich langte es mit Stefano Sturaro und Simone Padoin im Mittelfeld zu keinen einschüchternden Phantasie-Orgien gegen eine äußerst gefällige Roma, für die Edin Dzeko dank seines ersten Ligatreffers unter der Südkurve euphorisch gefeiert wurde.

Daniele De Rossi bohrte noch kurz einen Finger in die Wunde: "Du musst zig Millionen ausgeben, um Kannibalen wie Tevez oder Vidal zu ersetzen. Aber so einen wie Pirlo findest du nicht noch einmal auf der Welt." Miralem Pjanics Traum-Freistoß zum 1:0 kam dem allerdings recht nahe. "Wir sind über Nacht sicher kein Gurkenteam geworden. Die Meisterschaft ist ein Marathon, kein 100-Meter-Lauf", beschwichtigte Trainer Max Allegri. Bei der nächsten Zeitnahme sollte Juve dennoch vorsorglich einige Positionen gutmachen.

Samsung des Spieltags: Gellende Pfiffe gab in Neapel, wo die Gastgeber eine 2:0-Führung gegen Sampdoria verspielten. Abgesehen davon, dass allein Eders Solo zum Ausgleich das Eintrittsgeld wert war, macht sich der neue SSC-Coach Maurizio Sarri nach dem schlechtesten Neapel-Start seit 15 Jahren keine großen Gedanken. "Bei Trainerwechseln verhält es sich wie mit Telefonen. Manche wechseln vom iPhone zu Samsung und werfen es nach einem Tag aus dem Fenster, weil sie einen Scheiß kapieren. Ich besaß stets ein iPhone und habe nun problemlos ein Samsung, was zeigt, dass ich offen und aufnahmefähig bin." Also keine Sorgen, cari tifosi, wer Samsung versteht, wird auch Napoli ganz nach oben führen können.

Und sonst? Milans Honda erhielt in der Nacht zum Freitag offenbar unangenehmen Besuch. Der Japaner blieb beim glücklichen 2:1 gegen Empoli 90 Minuten auf der Bank, obwohl Trainer Sinisa Mihajlovic Tags zuvor Gegenteiliges angekündigt hatte: "Honda wird morgen nur nicht spielen, wenn er im Schlaf von irgendwelchen Ninjas oder Samurai gestört wird." So muss es dann wohl gekommen sein.

Stadtrivale Inter ringt vor Transferschluss hingegen mit außerasiatischen Problemen. Nach bereits etlichen Neuzugängen kam Roberto Mancini am Sonntag plötzlich die unschlagbare Meister-Idee. Mit 24 Gary Medels und einem Leo Messi würde er jedes Spiel gewinnen. Einen Medel besitzt Mancini schon, bleibt bis heute Abend noch Zeit für die anderen 24 Einkäufe. Angenehmes Power-Shoppen.

Serie A: Pirlo verzweifelt gesucht

Premier League: Balotelli 2.0

Primera Division: Wehe, Ihr klaut Klopapier!

Premier League

Von Frank Oschwald

Film-Rezension des Spieltags: West-Ham-Eigentümer David Sullivan ist ein Geschäftsmann der ersten Stunde. Direkt, eloquent, immer für einen lockeren Spruch zu haben und gewieft bis in die letzte Hautfalte seiner dicken Augenringe. Kaum eine flippige Idee lässt er sich durch die Lappen gehen. Deshalb finanzierte er vor nicht allzu langer Zeit den Gangster-Film "The Rise of the Krays", der in England seit Montag zu sehen ist und bald auf DVD erscheinen wird. Auch auf der Homepage des Klubs klopfte der Geschäftsmann deshalb ordentlich auf der Werbetrommel herum und sprach dort bescheiden "vom besten britischen Gangster-Film aller Zeiten". Und das war keineswegs gelogen.

SPOXDie ersten drei User auf der anerkannten Film-Plattform IMDB sahen das ähnlich und werteten den Film allesamt mit 10 von 10 Punkten. Die Kommentare? Überwältigend! "Wird ein Klassiker werden", steht dort unter anderem geschrieben. Vergesst also The Shawshank Redemption und jagt eure Godfather-Sammlung in die Luft, The Rise of the Krays ist der neue heiße Scheiß.

Gut, etwas einschränken muss man die Kommentare nun vielleicht doch. Klickt man auf die Profile der größten Fans, findet man die Nicknames der beiden. Und dabei handelt es sich nicht etwa um Kaiser "We call it a Klassiker" Beckenbauer, sondern um davidsullivansoffice und davesullivan-01061. Oh Dave, du verdammter Fuchs...

Bad ass des Spieltags: Dass man sich bei Newcastle mit Aleksandar Mitrovic keinen stromlinienförmigen Augustinermönch an Land gezogen hat, hatten die scoutigsten Scouts des Klubs wohl bereits auf dem Zettel. Die Kopfnuss, die er seinem Gegenspieler in der belgischen Liga mal verpasste, bei der er von vier kräftigen Männern vom Feld geschleift werden musste, könnte beispielsweise als stützendes Argument dieser These dienen. Hinzu kamen vor dem Wechsel auf die Insel vier Platzverweise und lässige 35 Gelbe Karten. In vier Jahren Profi-Fußball. Als Mittelstürmer. Nichtsdestotrotz gilt Mitrovic als eines der größten Sturmtalente weltweit, sodass Newcastle im Sommer 18,5 Millionen Euro locker machte und den Serben verpflichtete - mit allen Risiken und Nebenwirkungen. Inzwischen scheint er sich dort bereits wieder eingegroovt zu haben.

Beim Debüt am ersten Spieltag sah er elf Sekunden nach der Einwechslung die Gelbe Karte, am zweiten Spieltag nach zwei Minuten. Das vorläufige Meisterwerk gab's dann am Wochenende gegen Arsenal. Beim zweiten Spiel von Beginn an fuhr er Coquelin wie ein falsch konfigurierter Roboter in die Parade und musste nach 15 Minuten zum Duschen. Wir zählen mit den Fingern unter dem Tisch kurz nach und liefern Mitrovic' Zwischenzeugnis: 131 gespielte Minuten, 6 Fouls, 2 Gelbe Karten und ein Platzverweis. Wahrscheinlich wird er dennoch seine Buden machen. Und für die Blitzlichter ist er sowieso ein Segen. Schließlich hat sich Dauergast Balotelli ja ohne hier Tschüss zu sagen aus dem Staub gemacht.

Anything else: Da an anderer Stelle schon genug über die Serie der Himmelblauen und die spektakulären Pleiten von den Blauen und den Roten gesprochen wurde, haben wir deshalb auch hier noch Zeit, uns um die wirklich wichtigen Dinge zu kümmern.

Aufgepasst, das könnte deine Chance werden! Denn England-Rückkehrer Jermaine Defoe sucht einen neuen Assistenten. Mit genauem Job-Profil veröffentlichte der Sunderland-Stürmer die Annonce im Internet. Unter anderem gehören dann übliche Dinge wie die Organisation der Reisen, die Post und die Koordination von Sponsorenterminen zu den Aufgaben. Aber auch Blumen gießen, Hunde füttern, Klamotten aussuchen, Kühlschrank füllen könnten in Zukunft deine Traum-Aufgaben sein. Worauf wartet ihr noch? Ach ja, die Arbeitszeiten stehen ganz unten. "Must be on call 24/7". Eh klar.

Serie A: Pirlo verzweifelt gesucht

Premier League: Balotelli 2.0

Primera Division: Wehe, Ihr klaut Klopapier!

Primera Division

Von Frank Oschwald

Scheißhaus des Spieltags: In Mallorca weht jetzt ein anderer Wind, Freunde der Sonne! Das ist nicht der Refrain des neuen Ballermann-Hits, sondern für die Spieler des Zweitligisten RCD Mallorca die bittere Realität. Vorbei ist die Pillepalle-Zeit. Ab jetzt werden die Ärmel bis zu den Schultern hochgekrempelt und es wird rangeklotzt. Um für Zucht und Ordnung im Team zu sorgen, hat der Aufsichtsrat deshalb einen neuen Strafkatalog in die Kabine genagelt. Darauf soll zu lesen sein, dass die Spieler keine Piercings am ganzen Körper mehr tragen dürfen, keine wilden Halsketten mehr erlaubt sind und auch keine "extravaganten" Haarschnitte mehr durchgelassen werden.

Auch das gemeinsame Duschen nach dem Spiel sowie die Bettruhe um 23 Uhr sind verankert worden. So weit, so normal. Weiter unten findet man dann aber doch einen Punkt, der auf den ersten Blick etwas verstörend klingt. Na gut, auf den zweiten Blick auch. Und auf den dritten. Denn bei den Spielern ist es jetzt laut Strafenkatalog untersagt, Klopapier aus der Toilette zu klauen. Wir lassen das einfach mal so stehen. Vermutlich will man nicht genau wissen, was die Jungs dort treiben. Uns kann's wurscht sein. Malle is' ja nur einmal im Jahr. Auf den Lied-Zusatz vor dieser Textzeile wurde aus gegebenem Anlass verzichtet.

Guy love des Spieltags: Was wurde im Sommer nicht alles über einen möglichen Wechsel von David de Gea zu Real Madrid geschrieben. Vorvertrag, Casillas-Nachfolge, Verbleib in Manchester - jeden Tag gab's neuere Gerüchte von noch windigeren Blättern aus immer exklusiveren Quellen. Und während diese Zeilen hier geschrieben werden, ist der Deckel auf den Wechsel immer noch nicht drauf. Wahrscheinlich hat Real den Keeper aus leistungstechnischen Gründen im ersten Training längst zum FC Elche verliehen. Am Wochenende stand jedenfalls wieder einmal die ärmste Sau bei der ganzen Sache im Tor: Keylor Navas. Bereits im letzten Jahr für zehn Millionen Euro und einen Schubkarren voll mit Kronprinzen-Potenzial nach Madrid geholt, machte er exakt zwei Spiele in der Liga und musste sich danach mit der Bank anfreunden. Gleiches Spiel droht ihm jetzt - obwohl er sich in der Vorbereitung gegen 6-Millionen-Neuzugang Kiko Casilla durchsetzte.

SPOXUmso schöner die Geste von Marcelo nach dem scheppernden 5:0 gegen Betis im Bernabeu. Nach der Zirkusshow um Hauptattraktion James Rodriguez fragte man den Wuschelkopf, welches die Szene des Spiels war. Er dachte kurz nach und antwortete dann: "Der gehaltene Elfmeter von Keylor Navas. Er hat eine überragende Partie gemacht und er wird uns mit seiner Klasse noch enorm weiterhelfen."

Zur Einordnung: Beim verballerten Elfer stand es bereits 4:0 für Real. In der Kabine entstanden dann folgende Szenen. Warum beide in Arztkitteln unterwegs sind und Marcelo sich kurzerhand die Mähne abrasierte, ist nicht bekannt.

Algo mas? Durchatmen bei Sporting Gijon! Der Klassenerhalt ist dem Aufsteiger eigentlich nur noch theoretisch zu nehmen. Denn nach zwei Spielen steht das Team aus Asturien noch immer mit einer blütenweißen Weste da. Das ist jetzt kein Rekord für die Ewigkeit. Insgesamt schafften das bereits sieben andere Aufsteiger in der Primera Division. Doch keines dieser sieben Teams stieg am Ende der Saison wieder ab. Also, holt den Vino aus dem Keller und legt die Pipas bereit. Es darf gefeiert werden. Dann klappt's auch irgendwann im Sturm. Dort steht nämlich ebenfalls noch die Null.

Serie A: Pirlo verzweifelt gesucht

Premier League: Balotelli 2.0

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