Dass beim Calcio gern gewettet wird, ist hinlänglich bekannt. Nun hätte sich Gerard Pique in der Serie A fast arm gemacht. Wenn wir schon bei monetären Mitteln sind: In der Premier League zahlt man Geld (manche behaupten zu viel Geld) für Lässigkeit und in LaLiga wirbt Messi für die beste Erfindung seit dem Internet.
Serie A
Von Oliver Birkner
Trieb des Spieltags: "Ab einem gewissen Alter werden Triebe und Anstöße immer seltener", sagte Milan-Manager Adriano Galliani und mit 71 Jahren muss er das schließlich wissen. Was er damit nun zum 0:1 im Derby gegen Inter verraten wollte, blieb allerdings auf ewig schleierhaft. Immerhin zeigte sein AC in einem nicht großartigen Derby eine anständige Leistung und trieb und stieß bisweilen wie es das Alter eben erlaubte. Dennoch steht man nach drei Partien mit nur drei Punkten da, während der traditionelle Sommermeister Inter durch neun Zähler mal wieder vom Titel träumt. In Turin hingegen gehört Scudetto nach dem 1:1 gegen Chievo gegenwärtig zum Tabuvokabular. Ein Punkt nach drei Spieltagen - für Juventus bedeutet diese Bilanz den schlechtesten Saisonstart seit 53 Jahren. Das sei schon ungewöhnlich für Chievo, meinte ein Fan des Verona-Vorstadtklubs nach dem Schlusspfiff in Turin und erklärte: "Normalerweise lässt der Spitzenreiter sich nicht so spät den Sieg bei einem Kellerkind nehmen." Mit dem vermeintlichen Abstiegskandidaten spielte er auf Titelverteidiger Juve an, gegen den die als Tabellenführer angereisten Gäste lange geführt und erst in der 83. Minute per Elfmeter den Ausgleich durch Paulo Dybala hingenommen hatten. Eine noch junge Saison lässt dem Chancenlosen zuweilen Raum für lindernde Ironie, um wenige Wochen einmal sorglos das Leben der Luxuriösen zu imitieren. Selbst Perparim Hetemaj durfte aus 20 Metern eine Führung im Juventus Stadium feiern, der finnische Nationalspieler hatte zuletzt vor 134 Spielen am 2. April 2011 getroffen. Juve fehlte die Leichtigkeit zu kontern, mit dem ersten Punkt nach drei Spielen hätte man immerhin die Abstiegsränge verlassen. Und überhaupt muss Coach Max Allegri nicht um die Einstellung seines Negativrekords fürchten: 2008 verlor er mit Cagliari die ersten fünf Ligaspiele.
Zehn Millionen des Spieltags: Sollte das Nachholspiel Sampdoria gegen Bologna am heutigen Montagabend ebenfalls 2:2 enden, würde ein Rekord aufgestellt. Denn noch nie in der Serie-A-Geschichte endeten fünf Partien eines Spieltags mit diesem Resultat. Vier Mal notierte der Sonntag ein 2:2, das gab es lediglich in der neunten Runde 1997/98. Barcelonas Gerard Pique hatte am Sonntag wohl nicht übermäßig viel zu erledigen und befand das italienische Kuriosum dermaßen spannend, dass er am Nachmittag twitterte: "Wenn Lazio gegen Udinese und das Mailänder Derby auch noch 2:2 ausgehen, schenke ich jedem Retweet ein Barca-Trikot." Womöglich lief ihm ein kalter Schweißfilm über den Körper, als binnen kurzer Zeit 78.000 Menschen auf einen katalanischen Gratis-Stoff hofften. Mit Beflockung kostet das offizielle Teil akkurate 136 Euro, das hätte Pique rund 10,6 Millionen Euro vom Festgeldkonto entfernt. Natürlich übernachtet der Spanier nicht unter der Brücke, doch mal eben zehn Millionen Tacken für einen Langeweile-Tweet über Kaffee und Kuchen muss schließlich auch nicht sein. Lazio und Inter bewahrten ihn letztlich vor Shakiras Donnerwetter mit zwei Siegen. "Schade, doch bei der nächsten Gelegenheit werde ich die Aktion wiederholen", schrieb Piqué. Statistisch wäre das also in 18 Jahren. Interessenten sollten sich den Termin im Smartphone-Kalender vormerken.
Und sonst? Weniger ist manchmal voller Stolz mehr. Am Wochenende gab das zuletzt bankrotte Parma nach dem Zwangsabstieg in der höchsten Amateurklasse sein Heimdebüt. In der Serie D, Gruppe D duelliert man sich nun mit Fortis Juventus aus der Toskana statt der Juventus aus Turin. Das neue Parma registrierte 9.000 Jahreskarten und wurde im strömenden Regen von über 10.000 Tifosi aus der Stadt bis zum Stadion euphorisch geleitet. Der Präsident des neuen Klubs Parma Calcio 1913 heißt Nevio Scala, der Trainer Luigi Apolloni. Beide erlebten aktiv die Vereins-Glorie der 1990er mit Triumphen im Europapokal der Pokalsieger und UEFA-Cup. Nun arbeiten sie gratis, um Parma wieder nach ganz oben zu führen. Chapeau!
Serie A: Pique und Money to blow
Premier League: Vom Geld für Lässigkeit
Primera Division: Messi und die coolste Socke
Premier League
Von Frank Oschwald
Huge Balls des Spieltags: Also wirklich sicher sind wir uns nicht, wo und wie die weltweite Skala der Lässigkeit genau verwaltet wird. Doch irgendwo sind sie gerade dabei, die Wertung neu zu eichen. Denn seit dem vergangenen Wochenende haben wir einen neuen Richtwert. Ein Maximum an Lässigkeit, das selbst Andrea Pirlo wie einen pickligen Schulbub aussehen lässt. Na ja, also fast. Doch von vorne... Erst wenige Stunden vor Schließung des Transferfensters tütete man bei Manchester United den Monstertransfer des Sommers ein. Für einen klitschko-kleinen Unkostenbeitrag lotste man das französische Übertalent Anthony Martial von Monaco ins Theater der Träume. Boom! Die englische Presse war geschockt. Allerdings nicht im positiven Sinne. Eigentlich wollte man einen Superstar und keinen französischen Teenager. "What a waste of money", titelte beispielsweise der "Mirror" auf seinem Titelblatt. Die Medien sollen doch schreiben, was sie wollen, werden sich die United-Spieler gedacht haben. Wir wissen um die Qualität des Neuzugangs. Zumindest grob. Wayne Rooney beispielsweise musste sich bei Morgan Schneiderlin zunächst informieren, wer dieser Martial überhaupt ist und für wen sie da eben 36 Millionen Pfund ausgegeben haben. Martial interessierte das nicht die Bohne. Auch den Wechsel schien der Franzose mit einem Schulterzucken hinzunehmen. Champagner und Lachs nach der Unterschrift? Nichts da! Medienberichten zufolge gab's etwas zum Mitnehmen beim Chinesen um die Ecke. Doch damit nicht genug. Gegen Liverpool durfte Martial dann auch sein 36 Millionen Pfund schweres Preisschild durchs Old Trafford schleifen. Der Franzose wurde in der 65. Minute eingewechselt und bekam zunächst überhaupt nichts auf die Reihe. Doch in der 86. Minute setzte er zum Solo an, ließ Srktel am Strafraum seinen Namen tanzen und henryte zum erlösenden 3:1. Oh Anthony, wenn wir doch nur so lässig wären wie du...
Klose des Spieltags: Martials unwissender Teamkollege Wayne Rooney hat sich in der Länderspielpause auch mal eben unsterblich gemacht. Mit einem Tor gegen die Schweiz überholte die englische Bulldogge mit inzwischen 50 Hütten für die Three Lions Sir Bobby Charlton in der ewigen Torschützenliste. Mit tosendem Applaus und einem speziellen Trikot mit der Nummer 50 wurde Rooney im Anschluss in der Kabine von Mitspielern und dem Trainer empfangen. Eine holprige und inhaltsleere Rede gab's obendrauf. So macht man das eben mit Nationalhelden. Beim Viertligisten Bristol Rovers sah man das ähnlich. Schließlich hat man seit wenigen Tagen ebenfalls einen nationalen Volksheroen in seinen Reihen.
Denn mit seinem Treffer gegen Polen in der EM-Quali stieg Jake Gosling in der ewigen Torschützenliste seines Landes auf Rang eins auf. Dass Gibraltar dennoch mit 1:8 unterlag, ist unglücklich, aber letztlich ja auch egal. Denn Gosling hat jetzt den Rekord! Und ihn holt in Gibraltar so schnell niemand mehr ein. Durch das Tor schraubte er sein Konto auf unfassbare zwei Tore hoch. Wer soll diesen jungen Mann noch einholen? Seine Vereinskollegen bei den Bristol Rovers wissen jedenfalls um die Ehre, mit der Legende spielen zu dürfen. Im Training bereiteten sie dem Klose Gibraltars einen rauschenden Empfang. Mit einer ganzen Ladung Applaus und einem selbst bemalten Baumwollshirt mit der Nummer 2 auf dem Rücken wurde er in der Kabine begrüßt. Eine Rede gab's ebenfalls. Das machen Volkshelden nun mal so.
Anything else: Schwierig zu sagen, ob im Marketing des FC Chelsea kichernde Spaßvögel, ein Arsenal-Fan oder doch nur tollpatschige Fettnäpfchen-Springer sitzen. Noch am Samstag wurde man bei der 1:3-Pleite gegen Everton von Steven Naismith fein säuberlich filetiert. Der Schotte knipste drei Mal und schoss Chelsea im Alleingang in tiefste Tristesse. In der Tabelle findet man sich somit knapp hinter dem Aufsteiger AFC Bournemouth wieder. Der Haussegen? Hängt nicht mal mehr schief. Der ist weg. Die hippe Marketing-Fraktion machte sich daraus dann wohl ein kleines Späßchen. Am Sonntagmorgen nach der Pleite gab's per Mail den Newsletter mit supi-tollen Angeboten aus dem Web-Shop. Angepriesen wurden die Mega-Schnäppchen mit dem Betreff "A Hat-Trick of Offers!" Gerne hätten wir am Sonntagmorgen Mäuschen bei einem dicken Chelsea-Fan gespielt, der am Tag zuvor nach 49 Pints um Mitternacht aus der Kneipe gestolpert ist.
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Primera Division: Messi und die coolste Socke
Primera Division
Von Frank Oschwald
Coolste Socken des Spieltags: Für was für geile Sachen der eine oder andere Sportler doch Werbung macht. Hier ein Vertrag mit einem Unterwäsche-Label, dort ein Shooting mit einem Uhrenhersteller und am besten kurz nach dem Spiel mal noch eben mit den überdimensionalen Kopfhörern ablichten lassen, dass der bekannte Doktor aus Amerika auch zufrieden ist. Meistens werben die Jungs halt für Dinge, bei denen sie möglichst locker und elegant rüberkommen. Schließlich können sie es sich ja raussuchen. Lionel Messi kann das sicherlich auch. Wie der letzte Marketing-Vertrag jetzt genau entstanden ist, wollen wir hier vielleicht besser gar nicht hinterfragen. Doch die Partnerschaft mit "Footy Bubbles" wirft dann doch einige Fragen auf. In einem neuen Werbespot taucht der Argentinier gut gelaunt an der Seite von zwei Kids auf. Gemeinsam ziehen sich die drei nach einer mehr als dramatischen Eingangsszene irgendwelche schrecklich aussehenden, bunten Socken an. Während vermutlich bereits hier zahlreiche Barca-Fans zum Geldbeutel gegriffen hätten, geht die wilde Marketing-Maschine allerdings noch weiter. Denn das tolle an diesen Socken ist, dass man damit Seifenblasen auf dem Fuß springen lassen kann! Sieht irre affig aus und passt jetzt nicht ganz in die restlichen Werbe-Aktivitäten der Fußball-Stars, aber Messi ist ja in der letzten Woche erst Papa geworden. Da darf man so einen Quatsch ja auch mal machen. Wir stellen uns nur noch zwei Fragen: Wo ist dieser MB-Spiele-Typ mit dem diesem riesigen Klöppel, der so unnötiges Zeug immer angekündigt hat? Und: WO ZUR HÖLLE BEKOMMEN WIR DIESE SOCKEN HER???
Software des Spieltags: Vielleicht hat es mit dem Transfer von David de Gea zu Real Madrid einfach nicht sollen sein. In letzter Sekunde platzte der Transfer, da die Unterlagen zu spät beim spanischen Verband eingereicht wurden. Während jeder Student achselzuckend zu Hause saß und dachte: "Ach, passiert halt", kamen die Königlichen aus dem mosern gar nicht mehr heraus. Erst eine Minute vor Transferschluss seien die nötigen Dokumente aus Manchester auf dem königlichen Server eingetroffen. Die habe man dann umgehend weitergeleitet. Letztlich reichte die Zeit dennoch nicht. Wem bei der ganzen Chose generell der schwarze Peter zugeschoben werden kann, wird schwierig nachzuvollziehen sein. Bei Real sagt man dies, in England heißt es das Gegenteil.
Diverse Zeitungen berichten, dass die Verantwortlichen bei Real das Dokument der Red Devils nicht öffnen konnten, da dieses nur für Windows 95 kompatibel gewesen sein soll. Gerücht hin oder her, am Tag nach der Transferpanne präsentierten die Red Devils einen neuen und starken Partner an ihrer Seite. Die Engländer gingen einen Deal mit "HCL Technologies" ein. Laut einem offiziellen Statement sollen diese zunächst eine Reihe digitaler Bereiche erneuern. Na dann kann in Zukunft ja nichts mehr schief gehen. Für diese Transferperiode schauen die Königlichen dennoch in die Röhre. Höhö. Einen freut's sowieso: Keylor Navas. Eigentlich bereits abgesägt, hielt der Keeper zu Beginn der Saison bereits zum dritten Mal den Kasten sauber. Das gab's seit 40 Jahren nicht bei Real.
Algo mas? Ach, so schön ist es also, wenn sich ein Kreis schließt. Noch vor wenigen Tagen verkündete Raul Garcia bei Atletico Madrid nach acht Jahren seinen Abschied. Unter Tränen gab der bärtige Krieger bei der Pressekonferenz seinen Wechsel nach Bilbao bekannt. Die ganze Mannschaft war gekommen, hier und da wurden selbst bei den Mitspielern Tränen aus dem Augenwinkel geschoben. Aus tiefstem Herzen wünsche man ihm viel Erfolg bei seinem neuen Verein. Am Wochenende lief Garcia erstmals für Bilbao auf und traf nach 24. Minuten zum 2:0. Auch wir müssen uns eine Träne verdrücken. Das liegt aber an den Seifenblasen, die wir uns in die Augen jongliert haben.
Serie A: Pique und Money to blow