#MoreEntertainingThanManUnited

Oliver BirknerOliver WittenburgBenedikt Treuer
12. Januar 201615:34
Rekordtorjäger, Zizou-Debüt, langweilige Red Devils: Das Wochenende hatte einiges zu bietenspox
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Zizous Real-Debüt wird in Spanien zum Geldscheffeln missbraucht, während sich in Italien trotz Gotteslästerung die Stürmer unsterblich machen: Die Blitzlichter aus Europa sind diese Woche unterhaltsamer als die Red Devils - ganz sicher!

Serie A

von Oliver Birkner

Gotteslästerung des Spieltags: In kaum einer Stadt der Welt besitzen Zahlen eine dermaßen wichtige Bedeutung wie in Neapel. Die Zahlen der Traumdeutung "Smorfia" sind vor allem beim Lottospielen wichtig. Zu Wochenbeginn dürfte den Neapolitanern das Ankreuzen leichtfallen: 2, 9, 10, 18, 26 und 38 sind gesetzt. Die Zahlen korrespondieren laut Smorfia mit Messer, Säugling, Maradona (oder Bohnen), Blut, der Heiligen Anna und Schlägen. Seit Sonntag erweiterte sich das Spektrum um: 2 wie die wenigstens Niederlagen nach der Hinrunde, 9/18 wie Torgott Gonzalo Higuain, der in 19 Einsätzen 18 Mal knipste und längst zum argentinischen Thronfolger des heiligen Diego (10) avancierte, 26 Jahre lang ist es her, dass sich Napoli zum Wintermeister krönte, 38 wie die beste Offensive der Liga mit im Schnitt zwei Treffern pro Spiel.

Das 5:1 bei Frosinone wurde dementsprechend ausgelassen zelebriert. Der Ansturm der Gästefans auf das 10.000-Plätze-Stadion Matusa sorgte sogar erstmals für ausverkaufte Balkone, der anliegenden Wohnhäuser. Die erste Wintermeisterschaft seit dem zweiten und letzten Scudetto unter Maradona versetzte Neapel in Ausnahmezustand und verleitete die Tifosi zu verbotenen Träumen: Denn in den vergangenen elf Jahren feierte der Spitzenreiter nach der Hinrunde am Ende auch stets den Scudetto.

"Glückwunsch, aber jetzt her mit der Meisterschaft", ließ Maradona ausrichten - jener Maradona, der zu Saisonbeginn den neuen Coach Maurizio Sarri als inadäquate, zu kleine Nummer abgestraft hatte. Der abergläubische Sarri brandmarkte das Wort "Scudetto" zur verbotenen Gotteslästerung und würde auch nicht alles für den Gewinn des Unaussprechlichen opfern. Auf die Frage, ob er dann aufhören würde zu rauchen, kam ein knappes: "Niemals." Guter Mann!

Traum des Spieltags: Roberto Mancini war vor der Partie gegen Sassuolo eigentlich allerbester Laune. "Die Leute können lamentieren, so viel sie wollen: Ich gewinne gerne mit einem herrlichen 1:0 und würde prompt für 15 weitere Siege mit diesem Resultat unterschreiben", sagte der Trainer von Tabellenführer Inter, der in der laufenden Saison schon neun Mal mit dem Minimalergebnis gesiegt hatte.

Bei Spielende leuchtete tatsächlich ein 1:0 auf der Videowand des San Siro, allerdings überraschend zugunsten des 40.000-Seelen-Städtchens aus der Provinz. Es war das erste Tor überhaupt für Sassuolo gegen die Internazionale in San Siro und eine lindernde Medizin gegen böse Erinnerungen - in den vergangenen drei Jahren hatte man von Inter zwei 0:7-Demütigungen erlitten.

Ganz besonders freute sich Giorgio Squinzi. Der Mapei-Chef und Arbeitgeberpräsident ist nicht nur Sassuolos Besitzer, sondern seit der Jugend glühender Milan-Anhänger. Nach dem sensationellen Erstligaaufstieg 2013 verriet er, dass nun endlich einer seiner größten Träume in Erfüllung gehen könnte. Die Phantasie hing seit Jahren in Form eines Schildes in Squinzis Büro und las: Inter 0 Sassuolo 1. Nun darf er das Schild zur Bearbeitung geben, das historische Feiertagsdatum 10. Januar 2016 hinzudrucken lassen und eventuell Platz schaffen für einen ganz neuen Traum.

Und sonst? Acht Auswärtssiege gab es in den zehn Partien des Spieltags, den einzigen Heimerfolg feierte Carpi gegen Udinese. Dazu trug Lorenzo Pasciuti mit seinem ersten Serie-A-Treffer bei. Damit traf der 26-Jährige für den Aufsteiger in jeder Liga ab der Serie D - das war in der Geschichte des Calcio noch niemandem gelungen.

Dabei schien seine Karriere 2009 im Sande zu verlaufen. Erst als er sich mit finanzieller Unterstützung des Schwiegervaters seinen Spielerpass für 26.000 Euro kaufte und Herr des eigenen Schicksals wurde, nahm die Reise von Liga fünf in eins an Fahrt auf. Pasciutis Spitzname ist Bebeto, da er sich in der Jugend das Brasilien-Trikot mit der Nummer 7 kaufte, und tagelang nicht auszog. Weltmeister wird er sicher nicht, doch der Calcio-Rekord - wohl auf Ewigkeit - ist schließlich auch nicht zu verachten.

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FA Cup

von Oliver Wittenburg

Mat(s)ch of the Weekend: Es war perfekt angerichtet für ein Pokalmärchen der besonderen Art. Ein wie wahnsinnig fightender fünftklassiger Gastgeber gegen einen großen Namen aus der Championship. Ein aus allen Nähten platzendes Stadion mit 5025 völlig durchgeknallten Zuschauern und ein Platz, der mit dem Begriff Moorlandschaft wohl am besten beschrieben ist.

Doch das Happyend blieb aus. Der Eastleigh Football Club verpasste um drei Minuten den Einzug in die vierte Runde, weil Darren Pratley der späte Ausgleich für den haushohen Favoriten aus Bolton gelang. Ganz gleich wie nun das Wiederholungsspiel endet, wird Eastleigh wohl für immer seinen Platz in der Geschichte des ältesten Pokalwettbewerbs der Welt haben. Daran sind aber weniger die Herren Flitney, Constable oder Partington (das sind Spieler des Eastleigh FC, Anm. d. Red.) schuld, sondern ein einsamer Platzstürmer, der augenscheinlich fest entschlossen war, seine Spitfires (das ist der Spitzname des Eastleigh FC, Anm. d. Red.) selbst in die nächste Runde zu schießen. Und er kam seinem Ziel verdammt nahe: Nach einem beherzten Sprint schaltete er sich in den Angriff der Gastgeber ein, drang in den Strafraum ein - der Schiri, überhaupt nicht irritiert vom älteren Herren im hellen Sweater und roter Kapuze, zeigte entschlossen "Weiterspielen" an - und verpasste um ein Haar den Abstauber, nachdem ein Trotters-Verteidiger in höchster Not auf der Linie geklärt hatte. Statt das Ding reinzuhauen, setzte sich der Flitzer im verdammten Mat(s)ch auf seinen Arsch. Was aus ihm geworden ist, wissen wir nicht, vergessen werden wir ihn aber so schnell nicht.

Hashtag of the Weekend: Der Flitzer von Eastleigh oder das kesse Kätzchen, das im Goodison Park für eine Spielunterbrechung sorgte... das waren doch echte Hingucker an diesem Pokalwochenende. Das Match von Manchester United gegen Sheffield United dagegen weniger.

Viele Fußball-Fans auf der Insel haben längst die Schnauze voll von "Boring, Boring, United" und zeigen sich erfrischend erfinderisch, wenn es darum geht, über Louis van Gaal und das von ihm verantwortete Ballgeschiebe zu spotten. Unter dem eingängigen Hashtag #ThingsMoreEntertainingthanManchesterUnited ging am Wochenende die Post ab.

Unsere Favoriten:

  • Der Typ, der sich dabei fotografieren ließ, wie er auf einem Klappstuhl sitzend eine 20 Zentimeter entfernte weiße Steinmauer anstarrt.
  • Die einhellige Meinung, dass es spannender sei, Farbe beim Trocknen als ManUnited beim Spielen zuzusehen bzw. die Abwandlung davon: "Paint watches ManUtd dry".
  • Die komplette Twilight Saga als Hörbuch, gelesen von Michael Owen.

Van Gaal selbst findet United überhaupt nicht langweilig. Putzig seine Trotzreaktion auf den Vorwurf eines Journalisten, sein Team hätte offensiv jetzt nicht gerade ein Feuerwerk gezündet: "Sheffield United hat auch keine Chancen herausgespielt, aber darüber spricht wieder keiner."

Anything else? Beim Pokal gibt es sie immer, die "unlikely heroes", die, mit denen keiner gerechnet hat und die plötzlich im Rampenlicht stehen. Auf den verhinderten Eastleigh-Torjäger wollen wir jetzt nicht schon wieder eingehen, der hat seinen Platz in der Ruhmeshalle eh schon sicher. Wobei: Platzstürme sind nicht gut und schon gar nicht erlaubt. Also: Nicht nachmachen! Nein, unsere Top 4 besteht aus folgenden Kandidaten und ist selbstverständlich ganz subjektiv ausgewählt und in aller Eile zusammengebastelt. Here we go:

Paul Tisdalegetty
  • Der junge Bursche, der als Per-Mertesacker-Double herhalten musste, damit Theo Walcott seine "special bump celebration" nach dem Arsenal-Sieg gegen Sunderland bekam.
  • Kemar Roofe, der mit zwei Hammerbuden Swansea City abschoss, und damit dafür sorgte, dass Oxford United in die vierte Runde einzog. Als Viertligist!
  • Paul Tisdale, der als Jason-Statham-Double einen vermutlich noch besseren Job machen könnte als als Exeter-City-Coach in der viertklassigen League Two. Immerhin: Es reichte zu einem 2:2 gegen Klopp und Liverpool.
  • Ruben Loftus-Cheek für seinen wirklich ausgesucht hübschen Namen. By the way hat der Bursche gegen Scunthorpe noch sein erstes Tor für Chelseas Profis erzielt.

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Primera Division

von Benedikt Treuer

Porno-Verkaufsschlager des Spieltags: Ballon d'Or hin oder her - der Fokus lag am Wochenende einzig und allein auf Zinedine Zidanes Cheftrainer-Debüt bei den Königlichen. Und Zizou, den der ganze Hickhack aber kaum zu interessieren schien, trug sich mit dem 5:0 über Deportivo gleich mal als bester Real-Trainerdebütant seit 1959 in die Geschichtsbücher ein. Doch während der neue Coach und sein Team am beziehungsweise auf dem Spielfeld rackerten, war die Geschäftsführung in den Katakomben mit ganz Anderem beschäftigt: Kurzerhand beschloss man, das legendäre Zizou-Trikot mit der Nummer 5 wieder in den Verkauf zu nehmen - und die Kassen klingelten! "Was für eine Überraschung, Zidanes Shirts wieder zu sehen. Ich habe gleich zehn Stück gekauft - für meine gesamte Familie", wurde ein Fan in einer Mitteilung auf der Real-Webseite zitiert. Stückpreis war übrigens 100 Euro, ein echter Schnapper also für jeden Sympathisanten der Königlichen.

Verkneifen konnte sich die Social-Media-Community aber auch nicht den einen oder anderen Seitenhieb gegen den geschassten Rafa Benitez. Großen Anklang fand auf Twitter unter anderem der Trainer-Pornoseiten-Vergleich: Ein User stellte Real unter Benitez als hübsche, attraktive Brünette dar - sinnbildlich dafür, dass die Mannschaft in den vergangenen Monaten einige "Nehmerqualitäten" hatte zeigen müssen. Im Gegensatz dazu wurde das Team unter Zidane als Nutzer beziehungsweise Darsteller einer Pornoseite symbolisiert - mit dem Hinweis darauf, dass Zizous Real wieder in der Lage sei, "auszuteilen". Kreativ und anschaulich! So wirkt auch Keylor Navas' Aussage nach der Partie noch viel passender: "Der Trainer sagte uns, wir sollen mit dem Gegner Spaß haben"...

Medienschelte des Spieltags: Verdammte Lügenpresse! Das dachte sich auch Barcas Dani Alves am Freitag nach dem Aufstehen und ließ alles stehen und liegen, um seinem Ärger erst einmal Luft zu verschaffen. Auf Instagram feuerte der Brasilianer in Richtung Medien zurück - inklusive Wink mit dem Zaunpfahl für das örtliche Entsorgungsunternehmen: "Ich schäme mich mit jedem Tag mehr, Teil dieses Sports zu sein. Wir werden benutzt und manipuliert. Wir sind Objekte, die zum Profit der Presse benutzt werde, damit sie ihre Zeitungen verkaufen können. Es wird immer weniger über Fußball, Strategie, Tore und Paraden oder die Show geredet. Was für ein Müll sie (die Medien, d. Red.) doch sind."

Mit der Meinung seines Klubs ging er damit offenbar nicht ganz konform. Das fremdschämende Erröten des Verfassers der offiziellen Barca-Mitteilung war deutlich aus den Zeilen herauszulesen: "Über die Meinung hinaus, die der Spieler völlig frei äußern kann, sieht der FC Barcelona die Notwendigkeit klarzustellen, dass er die veröffentlichten Äußerungen nicht billigt oder teilt", hieß es dort geschrieben.

Doch Alves hatte noch nicht genug. Die "Diskussion" beendete er mit einem weiteren Post - diesmal auf Twitter: Dieser beinhaltete ein Bild von sich und einer Katze, mit dem Kommentar: "Im Blick die Wahrheit, in der Atmung die Ruhe. Lol lol." Wer den genauen Sinn dieser Kundtuung verstanden hat, findet's vermutlich sogar noch lustiger!

Algo mas? Ok, ganz außer Acht lassen konnte man in Spanien die Weltfußballerwahl bei drei LaLiga-Finalisten dann doch nicht. Messi unterstrich mit einem Dreierpack gegen Granada einmal mehr seinen Favoritenstatus, auch Neymar hob mit einem Tor vorsichtig den Finger. Einzig CR7 - ausgerechnet CR7! - traf beim 5:0 seiner Los Blancos nicht. Klar, dass der (noch) amtierende Weltfußballer nicht eine Sekunde daran verschwendete, sich über den Kantersieg oder erst recht nicht über die Buden seiner Kollgen Bale und Benzema zu freuen.

Als sei das nicht schon genug Frust gewesen, kam es auch in Sachen Marketing und PR für Ronaldo knüppeldick: Ende der vergangenen Woche hatte die Schweizer Forschungsgruppe "CIES Football Observatory" berechnet, dass CR7 nur der viertwertvollste Fußballer der Welt sei! Nicht Erster, nicht Zweiter, nicht einmal Dritter! VIERTER! Angeführt wird das Voting übrigens von Messi vor Neymar und Eden Hazard. Damit dürfte es dem selbsternannten Allerbesten am Wochenende wohl noch schlechter gegangen sein als Pepe Mel. Der musste bei Betis nach zuletzt acht Spielen ohne Sieg den Hut nehmen...

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