"Der HSV ist ein richtig geiler Verein"

Heiko Westermann wechselte vor der Saison 2015/16 nach Amsterdam
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SPOX: 2010 wechselten Sie zum HSV und nachdem Sie bei Schalke zum Kapitän ernannt wurden, haben Sie auch in Hamburg schnell die Binde bekommen. Warum sind Sie der geborene Leader?

Westermann: Ich knicke bei Problemen nicht sofort ein, sondern bin einer der Ersten, der Verantwortung übernimmt und die Mitspieler führt. Von diesem Schlag gibt es aber mehrere Spieler. Ich persönlich interpretiere diese Führungsrolle als Aufgabe auf dem Platz und will lieber meine Leistung zeigen, als dass ich intern alle zwei Wochen Alarm schlage.

SPOX: In der Öffentlichkeit fungieren Sie aber stets als Sprachrohr Ihrer Mannschaft. Wie nervenaufreibend ist es in schlechten Zeiten, der Überbringer von schlechten Nachrichten zu sein?

Westermann: Das war besonders beim HSV schwierig. Wäre es normal gelaufen, wären wir auf Platz fünf gelandet. Aber es lief wenig zusammen und da musste ich mich als Nationalspieler und Kapitän jedes Mal aufs Neue hinstellen.

SPOX: So pendelten Sie gefühlt wöchentlich zwischen Publikumsliebling und Sündenbock...

Westermann: ...ich belüge mich nicht selbst: Es war keine einfache Zeit beim HSV. Fußball war zeitweise nur noch Nebensache und hat keinen Spaß gemacht. Die Ausnahme war die Zeit unter Thorsten Fink, weil es bei ihm endlich wieder um Fußball ging. Ihm war egal, was sonst passiert und das hat er auf die Spieler übertragen.

SPOX: Wie fällt Ihr sportliches Fazit beim HSV aus?

Westermann: Es war nicht alles so schlecht, wie es vielleicht ausgesehen hat. Obwohl mich die Zeit beim HSV schon etwas zurückgeworfen hat, ist der HSV ein richtig geiler Verein mit super Fans.

SPOX: Welche Rolle nehmen dabei die Medien ein?

Westermann: Es mischen viele Tageszeitungen mit und ich hatte das Gefühl, dass es für den Verein extrem schwierig ist, unter diesem Druck junge Spieler zu entwickeln. Mir war das teilweise auch zu viel und es gab Phasen, in denen ich gar keine Zeitung mehr gelesen habe. Nach zweieinhalb Jahren hatte ich keine Lust mehr, mich für Sachen zu verantworten, für die ich nichts kann und habe das Kapitänsamt abgegeben.

SPOX: Wie kann man sich als Spieler gegen diesen Medieneinfluss wehren?

Westermann: Gegen diese Mediengewalt kommst du alleine nicht an, da ist der Verein gefragt. Als HSV-Spieler wirst du an einem Tag hochgejubelt und am nächsten Tag bist du der Depp. Auch auf Schalke waren die Medien präsent, aber beim HSV ist das ein anderes Kaliber.

SPOX: Verglichen mit Schalke hat sich auch das Trainerkarussell noch viel schneller gedreht. Allein in Ihren fünf Jahren hatten Sie elf Trainer.

Westermann: Das muss man sich mal vorstellen! Durchschnittlich erhielt ich jedes halbe Jahr neue Anweisungen und das teilweise mitten im Abstiegskampf. Es ging nicht mehr um ein System, sondern um reinen Ergebnis-Fußball.

SPOX: Was ist für den HSV in dieser Saison drin?

Westermann: Der HSV hat einen guten Kader, der im Mittelfeld abschneiden kann. Alles Weitere werde ich jeden Samstag von der Couch aus verfolgen.

SPOX: Trainerwechsel, Krisen und Kritik - wie befreiend war der Wechsel nach Sevilla, wo Sie einfach wieder neu anfangen konnten?

Westermann: Der Vertrag wurde in beiderseitigem Einverständnis nicht verlängert und ich wollte etwas Neues kennenlernen. In Deutschland habe ich für die Traditionsklubs Bielefeld, Schalke und HSV gespielt. Ich muss mich zu 100 Prozent mit meiner Aufgabe identifizieren und bei Betis war Fußball wie eine Religion.

SPOX: Wäre eine Rückkehr in die Bundesliga denkbar?

Westermann: Ich bin jetzt 33 Jahre alt und habe noch zwei Jahre Vertrag. Natürlich kann noch Einiges passieren, aber ich will nach meinem Karriereende keine komplett kaputten Knochen haben.

SPOX: Gibt es schon Planungen für die Zeit nach Ihrer aktiven Karriere?

Westermann: Ich habe einige Optionen und werde wohl kaum arbeitslos sein. (lacht) Vorerst will ich aber Spanisch und Business Englisch fließend lernen. Ich setze mich nicht künstlich unter Druck.

SPOX: Können Sie sich vorstellen, als Trainer zu arbeiten?

Westermann: Das ist ein 24-Stunden-Job, das kann ich mir im Moment überhaupt nicht vorstellen. Vielleicht ändert sich das irgendwann, aber ich will in den nächsten Jahren möglichst viel Zeit mit meinen Kindern verbringen. Wenn ich die Schuhe an den Nagel hänge, nehme ich mir ein paar Monate Zeit, um meine Zukunft zu klären. Aber eins ist klar: Ich will weiterhin in der Fußball-Branche bleiben.

Heiko Westermann im Steckbrief

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