Die zahlreichen Transfers von Red Bull Salzburg zu RB Leipzig sorgten zuletzt für einige Negativschlagzeilen. Jochen Sauer, Geschäftsführer in Salzburg spricht im Interview über die Zusammenarbeit mit Ralf Rangnick und Leipzig, den Abgang von Martin Hinteregger und über den Standort Österreich.
SPOX: Herr Sauer, Sie begannen Ihre Karriere um die Jahrtausendwende in der Bundesliga bei Dieter Hoeneß als Assistent. Wie war es für Sie im Schatten einer solch großen Persönlichkeit zu lernen?
Sauer: Es war eine spannende Phase. Zu dieser Zeit war neben dem Sportlichen vor allem das Thema Stadionumbau ein großes im politischen Berlin. Neuer Stadionmietvertrag, die Kirch-Pleite. Es war für mich sehr lehrreich und interessant, weil ich viele Dinge lernen konnte und auch mitbekommen habe, um was man sich bei einem Fußballverein alles kümmern musste.
SPOX: Wie bewerten Sie das Ende in Berlin? Der Brief der Geschäftsstelle gegen das eigene Präsidium über die Ausrichtung des Vereins wurde schließlich auch von Ihnen unterzeichnet und sorgte für reichlich Schlagzeilen.
Sauer: Es gab schlussendlich viele unterschiedliche Meinungen, wie der Verein wirtschaftlich, finanziell und sportlich aufgestellt sein muss. Wir waren damals nicht auf Rosen gebettet, aber sind in meiner letzten Saison Vierter geworden. Wir haben fast immer international gespielt. Dennoch gab es auch im Präsidium andere Auffassungen über die Ausrichtung des Vereins. Deswegen kam es zu diesem Konflikt. Ich denke der Weg, den wir über die Jahre eingeschlagen hatten, war gut und sportlich erfolgreich. Dennoch ist es dann auf höchster Ebene eskaliert und deswegen hat Dieter Hoeneß dann auch hingeschmissen.
SPOX: Und Sie flogen wenig später als enger Vertrauter.
Sauer: Es gab eine Richtungsentscheidung. Ich habe mich klar positioniert und das hat dann dazu geführt, dass man sich vernünftigerweise trennt. Sportlich ging es danach für Hertha in eine andere Richtung, weswegen ich denke, dass unser Ansatz nicht ganz falsch war.
SPOX: Dieter Hoeneß wurde dann Boss in Wolfsburg und Sie folgten ihm wieder.
Sauer: Die Position war dort für mich eine ähnliche. Wir haben viel umstrukturiert, was Volkswagen und der VfL auch wollten, weil bei Felix Magath natürlich viel auf eine Person zugeschnitten war. Wir haben neue Leute geholt und die Kompetenzen wieder mehr verteilt.
SPOX: Dennoch kehrte Magath wieder nach Wolfsburg zurück. Hat sich dadurch viel für Sie verändert?
Sauer: Nein, überhaupt nicht. Die Zusammenarbeit lief absolut vertrauensvoll und reibungslos. Geändert hatte sich nur, dass er Trainer und Sportvorstand in Personalunion war und ich nur noch einen Ansprechpartner im sportlichen Bereich hatte. Ich habe aber auch mehr Verantwortung bekommen, da Felix Magath natürlich durch den Trainerjob weniger Zeit für die Managementaufgaben hatte.
SPOX: Wie bewerten Sie ein solches Modell? Ist es sinnvoller, wenn der Trainer gleichzeitig auch als Manager agiert?
Sauer: Es gibt sicherlich Vor- und Nachteile. Heutzutage bleibt ein Trainer im Schnitt vielleicht eineinhalb bis zwei Jahre. Dann wäre es schwierig, wenn ich gleichzeitig auch die sportliche Verantwortung verliere. Ein Verein braucht schließlich eine mittelfristige Planung und ein Sportdirektor muss Entscheidungen für die Zukunft treffen, die über diese zwei Jahre hinausgehen. Sonst kommt keine Kontinuität in den Verein.
SPOX: Allerdings haben Sie nach zwei Jahren ein Angebot von Ralf Rangnick bekommen. Wie kam der Kontakt zustande?
Sauer: Ich kannte Ralf Rangnick schon recht lange, weil er auch ein begehrter Trainer war. Ich hatte gerade Urlaub und er wollte mich für Red Bull gewinnen.
SPOX: War es da klar, ob Sie in Salzburg oder Leipzig arbeiten?
Sauer: Ralf Rangnick wollte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Trainer sein und die Position als Sportdirektor hatte er bis dahin nicht bekleidet. Er hat mich gefragt, ob ich ihn da unterstützen könnte. Ich bin dann zu Felix Magath gegangen und habe ihm erklärt, dass es für mich eine Chance ist, eine Position mit mehr Verantwortung zu übernehmen. Er wollte mich erst nicht gehen lassen, aber wir haben uns dann darauf geeinigt, dass ich die Transferperiode im Sommer 2012 zu Ende führe und dann zum 1. September offiziell nach Salzburg gehe.
SPOX: An den Transfers von Sadio Mane und Kevin Kampl waren Sie aber dennoch schon beteiligt. spox
Sauer: Richtig, ich habe mein Büro schon ein paar Tage zuvor bezogen und dabei diese Transfers auch noch schnell mitumgesetzt.
SPOX: Es war absehbar, dass sich Rangnick früher oder später voll auf Leipzig konzentrieren würde. Wurde Ihnen dabei versichert, dass Sie dann sein Nachfolger in Salzburg werden würden?
Sauer: Das hat sich dann so entwickelt und wir hatten dies auch noch gar nicht besprochen. Es musste relativ schnell gehen. Red Bull Salzburg war damals bereits wieder in der Saison und die internationalen Spiele standen an.
SPOX: Rangnick wechselte 2014 nach Leipzig. Wie kann man sich die Zusammenarbeit zwischen Ihnen heute vorstellen?
Sauer: Der Austausch zwischen mir, Ralf Rangnick und auch Christoph Freund (Sportlicher Leiter in Salzburg, Anm. d. Red.) ist natürlich auch durch die Vergangenheit ein guter und vertrauensvoller. Wir tauschen uns da über viele verschiedene Themen aus. Das ist völlig normal. Aber: Red Bull Salzburg und RB Leipzig machen ihre Planungen grundsätzlich unabhängig.
SPOX: Dennoch tauschen Sie sich Woche für Woche miteinander aus? Das ist doch ein Vorteil zwecks möglicher Transfers.
Sauer: Nein, überhaupt nicht. Da gibt es keinen bestimmten Rhythmus. Wir haben natürlich regelmäßig Kontakt, aber das variiert. Manchmal hört man einen ganzen Monat nichts voneinander. Aber klar ist auch, wenn RB Leipzig einen interessanten Spieler sucht, dann laufen die Gespräche nicht viel anders ab, als mit einem anderen Verein.
SPOX: Aber Sie müssen zugeben, dass die Leitung nach Leipzig kürzer ist als zu anderen Klubs.
Sauer: Natürlich laufen diese Gespräche zwischen Ralf Rangnick und mir sehr direkt ab.
SPOX: Der Transfer von Bernardo kurz vor Transferschluss hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Wie sehen Sie die Berichterstattung dazu? Ist das nach Ihrem Geschmack zu kritisch?
Sauer: Ich kann die emotionale Reaktion der Öffentlichkeit und der Fans teilweise auch nachvollziehen. Nach außen hat es vielleicht nicht glücklich gewirkt. Allerdings sind die Meisten zu weit weg, um dies vernünftig zu beurteilen. Wenn man es aber ganz nüchtern betrachtet, ist es nicht ungewöhnlich, dass innerhalb der letzten drei, vier Transfertage viel passiert auf dem europäischen Spielermarkt. Wir haben auch Martin Hinteregger noch kurz vor Schluss abgegeben, was relativ spontan geschehen ist.
SPOX: Er sollte bleiben?
Sauer: Wir haben eigentlich mit ihm weiter gerechnet, weil der Spieler zunächst auch nichts Gegenteiliges verlautbart hatte. Das Gleiche ist dann auch bei Bernardo passiert. Nicht nur RB Leipzig war an ihm interessiert, sondern er hatte auch zwei andere Angebote. Er wollte aber die Chance wahrnehmen, in die deutsche Bundesliga zu wechseln. So etwas passiert immer wieder. Es ist unsere Philosophie, junge Spieler weiterzuentwickeln, und dann müssen wir uns auch darauf einstellen, dass sie den nächsten Schritt machen werden. Wir haben darauf dann reagiert. Es war im Prinzip der gleiche Ablauf, nur dass ein Spieler nach Leipzig und einer nach Augsburg gewechselt ist.
SPOX: Es waren nicht nur Medien, sondern Beteiligte wie Hinteregger, der behauptete, dass Salzburg systematisch kaputt gemacht wird.
Sauer: Die Aussagen von Hinteregger sind sicherlich aus einer Emotion getroffen worden, aber er kennt eben auch nicht die Details der Vereinsausrichtung. Jeder kann für sich die Entscheidung treffen, ob und wohin er wechseln möchte. Vor einer Entscheidung stehen aber auch wir, auch wenn der Spieler einen laufenden Vertrag hat. In den letzten Jahren haben wir gezeigt, dass wir Spielern keine Steine in den Weg legen wollen, wenn sie eine Entwicklungschance haben. In unserer Liga macht das keinen Sinn. Wir haben es einmal mit Mane versucht, ihn zu überzeugen, noch ein paar Wochen zu warten und das ist schief gegangen. Wenn wir also einen Spieler nicht überzeugen können, sich hier weiterzuentwickeln, dann lassen wir den Spieler unter angemessenen wirtschaftlichen Bedingungen gehen. Hinteregger kann auch nicht beurteilen, welche anderen Angebote verschiedene Spieler hatten.
SPOX: Dennoch wechselte zuletzt ein Großteil davon nach Leipzig.
Sauer: Ich glaube, das muss man ein wenig korrigieren. Seit 2012 haben uns circa 27 Spieler verlassen, die eine gewisse Rolle gespielt haben, und nur acht, neun Akteure sind nach Leipzig gewechselt. Vor allem Stammspieler wie Sadio Mane, Kevin Kampl, Martin Hinteregger oder Andre Ramalho sind zu anderen Vereinen gegangen.
SPOX: Aber das war zu einer Zeit, als es in Leipzig noch keinen Bundesliga-Fußball gab. Wären die Sachsen früher in die erste Liga aufgestiegen, wären diese Spieler dann auch in Leipzig?
Sauer: Das ist im Nachhinein nicht seriös zu beantworten. Die Spieler hatten zu diesem Zeitpunkt Angebote, die für sie attraktiver waren. spox
SPOX: Ihr ehemaliger Trainer Adi Hütter hatte im vergangenen Jahr gesagt, dass er kein Ausbildungstrainer sein möchte. Und selbst Ihr jetziger Coach Oscar Garcia sprach von Liefering A und B.
Sauer: Ich kann die emotionale Reaktion von Oscar Garcia verstehen, wenn er einen guten Spieler verliert. Zu diesem Zeitpunkt war dann auch schon recht wahrscheinlich, dass Martin Hinteregger uns auch verlassen wird. Da habe ich auch Verständnis. Aber er weiß von unserer Situation und den Rahmenbedingungen hier und dass wir in Österreich immer wieder Spieler verlieren werden. Wir versuchen uns weiterzuentwickeln und schauen, wie wir den Standort für junge Talente attraktiv gestalten. Wir können nicht mit den großen sechs, sieben Ligen mithalten. Daran wird sich auch nichts ändern, egal ob es RB Leipzig gibt oder nicht.
SPOX: Welche Rolle wollen Sie in Österreich spielen? Zuletzt hörte man Aussagen, dass selbst eine Meisterschaft nicht mehr Pflicht ist.
Sauer: Das haben wir bereits dementiert. Es gab eine Aussage von meinem Partner Christoph Freund bei einem Spiel, wo er sagte, dass man nicht davon ausgehen kann, in jedem Jahr den Titel zu holen. Er wollte damit sagen, dass es in der Öffentlichkeit nicht als Selbstverständlichkeit abgetan werden sollte, dass wir jedes Jahr Meister werden. Vor allem mit dem Hintergrund, dass uns Jahr für Jahr Spieler verlassen werden.
SPOX: Aber der Titel darf es schon sein?
Sauer: Natürlich. Wir wollen jedes Jahr Meister und Cupsieger werden, in Österreich dominieren und auch in der Europa League eine gute Rolle spielen. Die Champions League ist natürlich ein Traum, aber wir müssen realistisch bleiben. Wir geben natürlich alles, um das zu verwirklichen, aber dies als realistisches Ziel auszugeben, ist mehr als vermessen.
SPOX: In einem Interview erwähnten Sie, dass im vergangenen Sommer Satzungsänderungen durchgeführt und gewisse Sonderrechte des Sponsors gestrichen wurden. Was kann man sich darunter vorstellen?
Sauer: Früher hatte Red Bull verschiedene Privilegien, wenn es um die Besetzung und Benennung des Vorstandes ging. Sie konnten natürlich auch mitgestalten, wenn es um andere Sponsoren ging oder die Gestaltung der Trikotfarben oder des Vereinslogos. Mit der neuen Satzung agiert Red Bull nun als normaler Hauptsponsor.
SPOX: Geschah dies auch mit dem Hintergrund einer möglichen Europapokal-Teilnahme? Schließlich dürfen zwei Vereine mit gleicher Führung nicht im gleichen Wettbewerb spielen.
Sauer: Natürlich gibt es die Regelung der Wettbewerbs-Integrität seitens der UEFA und natürlich ging es da auch um den Einfluss des Sponsors.
SPOX: Dürften Sie denn Stand jetzt spielen?
Sauer: Aus unserer Sicht auf jeden Fall. Red Bull ist bei uns Sponsor und hat keinen Einfluss auf unser Tagesgeschäft. Deswegen machen wir uns da keine Sorgen.
SPOX: Im Mai wurden Sie mit dem VfB Stuttgart als neuer Sportdirektor in Verbindung gebracht. Inwieweit war da etwas dran?
Sauer: Ich war da selber überrascht und konnte mir gar nicht erklären, woher dieses Gerücht überhaupt kam, vor allem in dieser Vehemenz. Ich kann da auch nur spekulieren und glaube, dass das nicht aus der Luft gegriffen war und mein Name vielleicht da und dort diskutiert wurde.
SPOX: Könnten Sie sich prinzipiell vorstellen, noch einmal in die Bundesliga in einer führenden Position zurückzukehren? Zum Beispiel als Nachfolger von Ralf Rangnick?
Sauer: Darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht. Ich bin jetzt seit vier Jahren in Salzburg und fühle mich hier unglaublich wohl. Ich habe hier auch noch einen laufenden Vertrag. Im Fußball kann aber viel passieren. Ich habe lange in der deutschen Bundesliga gearbeitet. Deswegen ist das immer eine Option. Allerdings lebt meine Familie hier gerne und ich arbeite für einen Verein, der ähnlich gut strukturiert ist wie ein Klub in der deutschen Bundesliga und wir spielen regelmäßig europäisch, aber was in der Zukunft kommt, kann ich nicht sagen.
Red Bull Salzburg in der Übersicht