Während Juve Geschichte schreibt, erlebt Mailand endlich wieder ein cooles Derby und einen waschechten Berlusconi. England spricht das Saufen im Allgemeinen und Rooney im Speziellen heilig. In Spanien beschäftigt man sich mit Ronaldo, Ronaldo und Killer-Viren.
Serie A
von Oliver Birkner
Angeber des Spieltags: Spektakulär startete das offizielle 217. Mailänder Derby bereits vor dem Anpfiff. Aus 5600 Quadratmetern Material hatte die Milan-Südkurve eine enorme Choreographie gebastelt. "Nehmt das, Bauscia" war zu lesen - Ihr Angeber, wie die Interisti traditionell im Mailänder Dialekt genannt werden.
Im Gegensatz zu den "Casciavit" (Schraubenzieher) des AC. Der Dualismus entstand vor etlichen Zeiten, als Milan noch als Arbeiterklub fungierte, die betuchteren Milanesi sich Inter verschrieben. Es war einmal. Den "Angebern" wurden die 28 Trophäen der 30 Jahre Silvio Berlusconi mit dessen Konterfei unter die Nase gerieben und dem Zusatz: "Solch einen Traum wird es wohl nie wieder geben, Grazie Presidente!"
Damit könnten die Milanisti durchaus richtigliegen. Onkel Silvio genoss das Banner sichtlich gerührt und sagte: "Das war sicher nicht mein letztes Derby als Präsident." Wie meinen? Eigentlich ist der Verkauf an China doch noch in diesem Jahr geplant, doch bei Berlusconi ist schließlich alles möglich, und der Calcio wäre ohne den Cavaliere freilich um einige Kalauer ärmer. Schaun mer mal.
Das letzte Wort besaßen allerdings doch die Bauscia. Ivan Perisic glich in der zweiten Minute der Nachspielzeit zum verdienten 2:2 aus und beendete das intensivste und beste Mailänder Derby seit Jahren. Die Madonnina auf dem Dom wird es wohlwollend betrachtet haben, sie verleiht dem Stadtvergleich schließlich seit Ewigkeiten ihren Namen.
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Balotelli 2.0 des Spieltags: In der 84. Minute war die Partie zwischen Juventus und Pescara wie erwartet längst entschieden. Trotzdem kam in Form von stehenden Ovationen noch einmal Leben in die Zuschauer. Schließlich erlebten sie mit der Einwechslung von Moise Kean Historisches: Der erste Spieler des neuen Millenniums in der Serie A avancierte parallel zum jüngsten Erstligadebütanten der Juve-Geschichte. 16 Jahre, acht Monate, 19 Tage übertrafen den bisherigen Rekordhalter Renato Buso (16 Jahre, neun Monate).
Die Liga, die ihre eigenen Kinder lange verschmähte, scheint sie verspätet langsam nun doch verstärkt anzuerkennen. Über den italienischen Stürmer ivorischer Eltern aus dem piemontesischen Vercelli war im Vorfeld Erstaunliches berichtet worden. Sukzessive hatte Kean ob seiner Physis, Tore und Technik die Altersklassen der Juve-Jugend übersprungen und bereits Späher aus der Premier League angelockt. Ein Mario Balotelli 2.0, wünschenswerter Weise auch in puncto Verstand. spox
Agent Mino Raiola (unter anderem auch Berater von Balotelli) schnappte sich letzten Sommer schnell die Zukunft des Youngsters und Juves Sportchef Beppe Marotta sagte: "Etwas Besseres als Juventus kann ihm sportlich doch nicht passieren. König Geld muss nicht immer Kriterium Nummer eins sein." Man befindet sich gerade in Vertragsgesprächen und Marottas Sorge ist durchaus berechtigt.
Er selbst ist natürlich kein Sportchef eines mittellosen Kleinklubs, der sich nicht auch schon bei anderen Teams bedient hätte. Bisweilen ist König Geld eben auch am Hofe Juventus willkommener Gast. Vielleicht sollte Kean zuvor in mehr als sechs Minuten seine Wertigkeit auf Profiniveau demonstrieren, denn zur Matura braucht es mehr als statistische Jugend-Rekorde.
Altro? Kommt ein Premier nach Foggia... Ist nicht der Beginn eines Witzes, sondern ereignete sich am Wochenende in Apulien. Dort wollte Ministerpräsident Matteo Renzi auf Wahlkampftour seine Parteifreunde besuchen, fand den Hauptsitz allerdings verlassen vor. Immerhin hatte man ihm eine Nachricht hinterlassen: "Falls Sie etwas brauchen, wir sind im Stadion." Dort kickte Foggia gegen Catanzaro, das war wirklich mal akkurat wichtiger, also bitte.
Premier League
von Dominik Stenzel
Hochzeitscrasher des Spieltags: Lässt man die astronomischen Gehälter mal beiseite, können einem Profifußballer wirklich leidtun. Zumindest manchmal. Denn in Zeiten von sozialen Medien und Smartphones sind sie nirgends mehr sicher. Jeder Fehltritt geht heutzutage viral und landet mit 99-prozentiger Wahrscheinlichkeit anschließend in der Klatschpresse.
Wayne Rooney kann nach der vergangenen Woche mal wieder ein Lied davon singen. Nachdem der Käpt'n der Three Lions seine Mannschaft zu einem klaren Sieg über Schottland geführt hatte, sollte der Erfolg am darauffolgenden, freien Samstag natürlich standesgemäß begossen werden. Da kam es gerade recht, dass in einem Nobelhotel in Hertfordshire eine Hochzeitssause im Gange war. Roo und Teamkollege Phil Jagielka gaben kurzerhand die Partycrasher und mischten sich unters feiernde Volk.
Laut Augenzeugenberichten hatten die beiden mächtig Spaß und posierten auch noch gutmütig für Fotos mit den Hochzeitsgästen. Das Problem: Beide trugen noch ihre England-Klamotten und besonders Rooney war wohl nicht mehr ganz Herr seiner Sinne.
Die wilde Nacht bereute er in den folgenden Tagen wohl nicht nur aufgrund eines heftigen Katers, sondern vor allem, weil sich die englische Yellow Press wie die Geier auf die Story stürzte. Da Rooney-Bashing momentan sowas von in Mode ist, sollte auch jeder Premier-League-Manager seine Meinung zu dem Vorfall kundtun.
Doch diese machten - um im Jargon zu bleiben - nicht gleich ein Fass auf.
Pep Guardiola war heilfroh, dass zu seiner aktiven Zeit nicht an jeder Ecke Hobby-Paparazzi lauerten und Jürgen Klopp stellte trocken fest: "All die Legenden, die wir lieben und bewundern, haben getrunken wie die Teufel."
George Best, Paul Gascoigne, Jimmy Greaves, Tony Adams - die Liste begnadeter britischer Akteure, die sich gerne mal die Kante gaben, ließe sich endlos fortsetzen. Selbst ein Musterknabe wie Bobby Moore schaute ab und an zu tief ins Glas. Doch damals hatten Fußballer eben auch noch ein Privatleben. Früher war eben doch alles besser...
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Hungerlohn des Spieltags: Apropos astronomische Gehälter. In diese Sphären ist ein gewisser Josh Tymon noch längst nicht vorgedrungen. Noch nie von ihm gehört? Kein Wunder, denn der Verteidiger feierte erst am Samstag sein Debüt für Hull City. Im zarten Alter von 17 Jahren.
Die klare Niederlage beim AFC Sunderland kehren wir an dieser Stelle einfach mal unter den Teppich, denn Tymon hat trotzdem Geschichte geschrieben: Mit einem Wochengehalt von 150 Pfund gehört der Youngster sicherlich zu den am schlechtesten verdienenden Premier-League-Kickern aller Zeiten. Zum Vergleich: City will Messi angeblich mit 500.000 Pfund pro Woche locken.
Sorgen müssen wir uns allerdings nicht. Wenn Tymon so weitermacht, wird er wohl nicht lange mit seinem Hungerlohn auskommen müssen. Und auch in den tristen Gegenden der Tabelle wird er sich nicht für immer herumtreiben: Schon jetzt sollen Arsenal und Everton am Verteidiger dran sein.
Anything else? Die Tigers trennten sich bekanntlich noch vor Saisonbeginn von Aufstiegstrainer Steve Bruce. Man war sich über die zukünftige Ausrichtung des Klubs nicht einig. Lange war der launige Routinier nicht arbeitslos: Schon im Oktober heuerte er bei Absteiger Aston Villa als Nachfolger von Roberto di Matteo an.
Und wie es aussieht, kann auch Sohnemann Alex kaum erwarten, wieder für Papa zu spielen. Nach Villas 1:1 in Brighton twitterte der Sprössling, der für Hull verletzungsbedingt diese Saison noch kein Spiel absolviert hat: "Sehr unglücklich, nicht gewonnen zu haben, haben sehr gut gespielt."
Die Fans des abstiegsbedrohten Hafenklubs verblüffte er damit genauso wie seine (Noch-)Teamkollegen. Die Antwort von Tom Huddlestone ließ nicht lange auf sich warten: "Wir spielen doch erst morgen", erinnerte er den jungen Bruce via Twitter.
Primera Division
von Oliver Wittenburg
Unmensch des Spieltags: Wir kennen uns aus mit dem Phänomen des Doppelgängers. Jean Pauls Siebenkäs, Stevensons Dr. Jekyll und Mr. Hide, Wildes Dorian Gray, Bonny und Clyde, Tom & Jerry und wie sie alle heißen... Das Motiv ist allgegenwärtig in der Kunst. Seit 1800 ungefähr. Was das mit dem 12. Spieltag der Primera Division zu tun hat?
Die Frage ist und bleibt: Wer (oder was) ist Cristiano Ronaldo?
Am Wochenende tauchte seine Ode an die Mannschaft auf. Gehalten hat er sie kurz nach dem Endspiel der Europameisterschaft in Paris. Er pfeife auf seine individuellen Auszeichnungen und auf die Champions League, sagte er da, es sei der glücklichste Tag seines Lebens.
Ist das der echte Cristiano Ronaldo? Der Altruist? Der Teamspieler? Der Gönnenkönner?
Andere Perspektive: Ronaldo am Samstag im Madrider Derby. Als Cyborg. Als eiskalter Killer. Als Selbstdarsteller, Narzisst und eitler Geck. Ist das sein wahres Ich?
Twitter hilft wie immer wenig: Wer drei Tore im Vicente Calderon gegen ein von Diego Simeone gecoachtes Team schieße, sei kein Mensch, gibt's da etwa zu lesen. Danke für den Tipp! Vielleicht ist er auch ein Kampfhubschrauber der US Army (siehe Tweet).
Aber kein Vorwurf, wir wissen es ja selbst nicht besser. Ronaldo ist Ronaldo oder eben auch zwei.
Love him or hate him. Es gibt kein Dazwischen.
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Scherbenhaufen des Spieltags: Viel simpler als das Ronaldo-Rätsel aufzuklären, ist es, das zu definieren, was der Gute von Atletico übriggelassen hat. Einen Haufen Schrott nämlich.
Zu den Fakten: In der Ära Simeone waren die Rojiblancos nach zwölf Spieltagen noch nie so mies. Erbärmliche 21 Punkte stehen 31, 33, 26 und 26 puntos aus den zurückliegenden Jahren gegenüber. Dann sind da ohne Ende Brandherde: Stress mit Gabi, der nach seiner Auswechslung im Derbi auf der Bank förmlich randalierte. Stress mit Koke, der während des laufenden Spiels mit seinem Trainer debattierte und offenbar Hilfe suchte oder sich beschwerte, jedenfalls aber total von der Rolle war.
"Was stimmt nicht bei Atletico?", fragt deshalb die Marca besorgt, nur um dann sofort die Lösung zu präsentieren: zu viel Qualität.
Richtig gelesen! Der Niedergang Atleticos wurde mit Griezmanns Verpflichtung eingeleitet - und jetzt mit den unverschämt vitalen Auftritten Yannick Ferreira Carrascos auf eine ungute Spitze getrieben. Zugegeben, die "Marca" erklärt das schon ganz stichhaltig, aber die Quintessenz ist trotzdem putzig. Gut + gut = Scherbenhaufen.
Algo mas? Man könnte jetzt noch darüber mutmaßen, ob Koke nach dem Derby wirklich Ronaldo eine "Schwuchtel" geheißen hat, wie ein Radiosender wissen will, und was man damit anfangen könnte. Zu Punkt 1 trägt das Thema wenig bei und Punkt 2 hat ja schon auf den katastrophalen Zustand Atletis hingewiesen. Außerdem soll's ja unter "außerdem" nicht auch noch um das Madrid-Derby gehen, sondern um was anderes.
Also: Was tut man, wenn man sich eine neue Tribüne für Stadion geleistet hat und noch ein paar Tickets verkaufen will? Man plant einen Marketing-Coup, der sich gewaschen hat, und scheffelt Zaster.
SD Eibar hat das nicht gemacht. Die wackeren Basken schickten ein paar in Chemikalienschutzanzüge gewandete Gestalten auf die lausig besuchte Prematch-Pressekonferenz, verteilten Flugblätter mit der Warnung vor einem tödlichen Killer-Virus (ja, das haben Killerviren so an sich, dass sie tödlich sind) und beendeten die Ausführungen von Jose Luis Mendilibar zum bevorstehenden Kick gegen Celta Vigo, indem sie dem Coach eine Atemschutzmaske anlegten.
Große Show. Wir sind auf den nächsten Kassensturz gespannt.