Steven Gerrard beendet seine Karriere. Das sorgt nicht nur für Tränen. Ein Ex-Teamkollege sieht daran auch etwas Positives. In Italien geht der Stern von Ata-Leicester auf, während ein Schwergewicht am Disaster Sunday Prügel mit der Holzlatte bezieht. Indes tanzen in Spanien Entenhausen-Charaktere zum Sound von Joe Cocker.
Serie A
Von Oliver Birkner
Blut des Spieltags: Zwischen Black Friday und Cyber Monday liegt bekanntlich der Disaster Sunday, zumindest im Hause Juventus. In Genua kassierte der Meister drei Treffer in den ersten 29 Minuten und lag auch sonst ziemlich neben der Spur. Addiert man dazu noch die Verletzungen von Dani Alves (drei Monate Pause) und Leo Bonucci (zwei), avancierte die Butterfahrt in Ligurien zu einer rundum gelungenen Veranstaltung.
Juve hatte in dieser Saison noch gar kein Gegentor in der ersten Hälfte notiert und sich zuletzt vor elf Jahren gegen Milan drei Dinger in Durchgang eins gefangen. "Bis Weihnachten müssen wir ständig mit dem Bleifuß auf dem Gaspedal stehen", hatte Trainer Max Allegri vor dem Duell ausgegeben. Der Bleifuß passte, doch offensichtlich verwechselten seine Spieler katastrophal das Pedal.
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Allegri kochte, kommentierte hinterher jedoch mit beachtlicher Nonchalance: "Wir hätten in der 41. einen Elfmeter bekommen müssen. Ich sagte dem Schiri aber, dass er zum Glück weiterspielen ließ. Wir verdienten es nicht, in die Partie zurückzukommen. Diese heftigen Prügel mit der Holzlatte waren hilfreich. Die Foulstatistik ging mit 25:8 an Genoa, so zimperlich wie wir kann kein Team der Welt gewinnen." Sehr erfrischend, wenn der Coach selbst seinem Team mal ausdrücklich einen Strafstoß verweigert.
Eigentlich war alles schon durch inbrünstigen Pathos vorherbestimmt. Diego Simeone, Trainer von Atletico Madrid, meldete sich unter der Woche beim Filius: "Du wirst allen dein Simeone-Blut demonstrieren und treffen." Giovannis Blut brodelte und der 21-jährige "Cholito" traf sogar doppelt: "Ich habe gefightet wie ein Simeone und Papas Wunsch übertroffen", frohlockte der Youngster. Drei Millionen kostete der Argentinier letzten Sommer - nach mittlerweile vier Treffern ein wahres Schnäppchen. Kein Wunder bei diesem Blut.
Königin des Spieltags: 2:0 in Bologna, damit acht Siege und ein Remis aus den letzten neun Partien - da feierten am Sonntagabend tausende Tifosi die Rückkehr ihrer Atalanta-Heroen nach Bergamo. "Wir werden Meister", skandierten die Anhänger, die solch einen Höhenflug letztmals vor 16 Jahren erlebten. Ansonsten sonnte man sich höchstens als "Königin der Provinz", da kein anderer Verein ohne den Status Provinzhauptstadt länger in der Beletage weilte.
"Dabei war ich noch im September ein Dead Man Walking", erinnert sich Trainer Gian Piero Gasperini. Seine Elf hatte vier der ersten fünf Duelle verloren und der 58-Jährige stand vor der Entlassung. Gegen Napoli wählte er dann eine riskant offensive Aufstellung. "Der Präsident sagte mir vor dem Anstoß: Entweder Sie sind verrückt oder haben unglaubliche Eier!" Atalanta gewann 1:0 und mischt seither die Serie A auf.
Der erste Scudetto der Klubgeschichte wird es leider kaum werden, obschon die Gazetten schon von "Ata-Leicester" schreiben. Einen Rekord wird Atalanta allerdings wohl niemand mehr nehmen: 1988 erreichte man als Zweitligist ein Europapokal-Halbfinale (das gelang ansonsten nur Cardiff 1968) und eventuell steuert die Provinzkönigin nach 26 Jahren wenigstens wieder Europa an.
Altro? "Bernardeschi verdient eine ambitioniertere Mannschaft als die Fiorentina." Keine wirklich schlauen Worte über einen Spieler, wenn sie vom Florenz-Trainer persönlich kommen. Die Tifosi wirkten über den Ausspruch von Paulo Sousa wenig amused. "Hau endlich ab, du heuchlerischer Buckliger", durfte Sousa vor dem Training auf einem Transparent am Stadion lesen. "Bucklige" sind in Italien die Juventini und in Notzeiten ist man in Florenz mit einer buckligen Vergangenheit (wie Sousa Mitte der 1990er) stets ganz schlecht beraten.
Premier League
Von Dominik Stenzel
Rücktritt des Spieltags: Viel wurde in den vergangenen Wochen über Steven Gerrards Zukunft spekuliert. Von einer Wiedervereinigung mit Brendan Rodgers bei Celtic, die höchstwahrscheinlich seinen ersten nationalen Titel eingebracht hätte, war die Rede. Genauso wie von Engagements bei Inter Mailand oder in China. Einige uneinsichtige Fußballromantiker hofften wohl insgeheim noch immer, dass Stevie G doch noch einmal seine Fußballschuhe für die Reds schnüren wird. Doch nichts dergleichen wird passieren. Stevie G macht nach 18 Profijahren tatsächlich Schluss.
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Im Interview bei BT Sport mit Gary Lineker gab die Liverpool-Legende diesen Entschluss nun bekannt - und wirkte dabei schon etwas wehmütig. Als absolutes Highlight seiner außergewöhnlichen Karriere nannte er - wenig überraschend - das Wunder von Istanbul. Demgegenüber stellt er als absoluten Tiefpunkt - und zwar noch weniger überraschend - seinen folgenschweren Ausrutscher gegen den FC Chelsea, der ihm vor zweieinhalb Jahren wohl seine erste Meisterschaft mit Liverpool gekostet hat.
Selbstverständlich würdigte die gesammelte Fußballprominenz der Insel seine Laufbahn dennoch mit zahlreichen Superlativen. Ex-Teamkollege Jamie Carragher ist zwar einerseits traurig, andererseits kann er dem Rücktritt aber auch etwas Positives abgewinnen: Schließlich kann er nun öfter mit seinem Kumpel einen Heben gehen.
Bei all der Lobhudelei tanzte nur einer mal wieder aus der Reihe: El Hadji Diouf. Der senegalesische Stürmer, der in drei Jahren bei den Reds auf die beeindruckende Anzahl von drei Ligatoren kam, lässt bekanntlich keine Gelegenheit aus, gegen die beiden Scouser Gerrard und Carragher zu pöbeln. Gerrard sei erfolglos gewesen, habe Angst vor ihm gehabt und sei sowieso ein ganz übler Mensch. Haben wir alles so schon einmal in ähnlicher Form gehört. Und irgendwann nervt es einfach. Von Emmanuel Petit kassierte er im französischen Fernsehen dafür im Übrigen einen Rüffel. Richtig so!
Abstoß des Spieltags: Liverpools ehemaliger Captain Fantastic nutzte seine neu gewonnene Freizeit und besuchte den Auftritt seiner Reds gegen Sorgenkind Sunderland. Die ehemaligen Kollegen taten sich dabei lange Zeit verdammt schwer. Kein Wunder, schließlich hatten die Black Cats tatsächlich wie von Trainer David Moyes angekündigt den Doppeldecker-Bus am eigenen Sechzehner geparkt.
Dieses Mal biss sich Liverpool jedoch nicht die Zähne an einem Underdog aus - ganz anders als noch in den vergangenen Jahren. Für Moyes ist der Hauptgrund dafür Jürgen Klopp: Auf The Normal One angesprochen, kam der Schotte regelrecht ins Schwärmen und nannte ihn sogar Liverpools zwölften Mann.
Nach anfänglichen Schwierigkeiten läuft es auch bei Liverpools neuer Nummer eins Loris Karius immer besser. Sein Auftritt am Samstag wird jedoch aufgrund einer kuriosen Aktion in den Köpfen hängen bleiben: In der ersten Halbzeit führte der Ex-Mainzer nämlich den wohl bodenlosesten Abstoß der Premier-League-Geschichte aus. Den am Fünfer liegenden ruhenden Ball über die eigene Torauslinie zu befördern, bekommen wohl nicht einmal Karius' Kollegen aus der Kreisliga hin.
Anything Else? Neun Tore, vier davon in elf Minuten und vier Führungswechsel - die Partie zwischen Swansea und Crystal Palace wird als einer der verrücktesten Premier-League-Partien in die Historie eingehen.
Besonders die Schlussphase hatte es absolut in sich: Fernando Llorente drehte die Partie mit zwei Treffern in der Nachspielzeit und brachte seinen bis dahin sieglosen Trainer Bob Bradley (der nach 90 Minuten noch einen bemitleidenswerten Eindruck erweckte) und das Liberty Stadium zum Ausrasten. Ausgerechnet Llorente, der noch in der Vorwoche von Bradley aufgrund mangelnder Fitness und schwacher Form auf die Tribüne verbannt worden war.
Ganz anders war die Stimmung nach der Partie bei Palace-Coach Alan Pardew. Für ihn dürfte die Luft langsam aber sicher dünn werden - die Londoner weisen im Kalenderjahr 2016 die schlechteste Bilanz aller Profiteams auf der Insel auf. Pardews Credo vor der Partie: Gegen die offensiv schwächelten Swans sollte endlich mal wieder die Null stehen.
Primera Division
Von Jochen Rabe
Der Wet-T-Shirt-Contest des Spieltags: Bei diesen Bildern müssen alle Männer ganz stark sein. Weil sie vor Neid erblassen und weil sie unter Umständen ihre Frauen auffangen müssen, die in Ohnmacht fallen. Beim 2:1-Real-Sieg gegen Sporting Gijon zitterten nicht nur die, die es mit den Königlichen halten, wegen des dramatischen Spielverlaufs. Die Frauen zitterten auch vor Entzückung.
Doppelpack? Pah! Damit gibt sich ein Cristiano Ronaldo nicht zufrieden. Der legt lieber einen Sixpack vor. Eines ist klar, der zweihundertfache Weltfußballer gewann am Samstagnachmittag im Bernabeu nicht nur das Spiel, sondern auch den Wet-T-Shirt-Contest. Ein kleines Experiment: Man schaue sich die Bilder von CR7 im enganliegenden, klitschnassen, einfarbig weißen Trikot an, spiele die Szenen auf Zeitlupe ab und lege dazu "You can leave your hat on" von Joe Cocker auf. Was passiert da mit einem?
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Warum eigentlich einfarbig weiß? Mann, ist doch klar, Ozeanmüll! Mit dem Parley-Trikot will der Ausrüster auf die verschmutzten Weltmeere aufmerksam machen. Kennt man hierzulande vom FC Bayern. Während man bei den Bayern vor einigen Wochen gegen die TSG Hoffenheim zumindest noch Ansätze von Sponsor und Klublogo erkannt hat, war es bei Real spätestens nach den brutalen Regenfällen aber vorbei mit Details. In der Folge war nichts mehr der Fantasie überlassen. Die durchgetrieften Nachthemden legten Sixpacks frei. Und auch an den Hosen zeichnete sich mehr ab, als man eigentlich sehen möchte.
Das lässt die Herzen höher schlagen. Wohl auch das von Duje Cop. Der Gijon-Angreifer stand in der 78. Minute zum Elfmeter bereit. Dabei war er so nervös, dass er mit dem Finger am Hals seinen Puls fühlte. Offenbar war er zu hoch, denn er zimmerte die Pille über die Latte. Ein Zeichen für soziale Verantwortung hat er trotzdem gesetzt. Während Real die Weltmeere sauber machen will, machte er mit einem feschen Tom-Selleck-Schnauzer auf Darmkrebs aufmerksam. Movember, ole!
Der Bruchpilot des Spieltags: "Quack, der Bruchpilot" ist nicht nur eine ganz hervorragende Figur in Entenhausen. Nein, mit etwas Fantasie könnte man die orangefarbene Strähne, die unter seinem Helm hervorguckt, auch als Neymar-Frisur interpretieren. Wie passend, schließlich schrieb der Paradies-Brasilianer am Wochenende sein eigenes Kapitel der Bruchpiloten-Geschichte. Am Sonntagmorgen vor dem Spiel gegen Real Sociedad setzte Neymar seinen feuerroten Ferrari auf dem Weg ins Training in die Leitplanke. Kein Totalschaden, nur ein kurzer Schock. Bitter dennoch. Passt ins Bild zwischen Steuerstrafverfahren und Formkrise. Seit nunmehr sechs Ligaspielen wartet er auf einen Treffer.
Auch in San Sebastian hat er nicht genetzt und hatte damit seinen Anteil am nächsten Rückschlag seiner Mannschaft. Dieser kam aber auch mit Ansage. Auswärtsspiele in Real Sociedad sind in den letzten Jahren nicht gerade in Barcas Wheelhouse. Wer weiß, wann die Katalanen letztmals ein Auswärtsspiel bei La Real gewinnen konnten? Richtig, am 5. Mai 2007. Bilanz seitdem: 0 - 2 - 5. Nicht geil. Ähnlich ungeil war die Leistung am Sonntagabend. In der ersten Halbzeit gab der Meister keinen einzigen Schuss aufs Tor ab, Saison-Premiere. Kein Wunder, dass Luis Enrique nach der Partie die Hutschnur platzte: "Es wäre übertrieben, die Meisterschaft schon abzuhaken. Aber wir müssen in allen Bereichen besser werden. Das war das schlechteste Spiel in meiner Ära."
Vor dem Clasico (Samstag ab 15.30 Uhr live auf DAZN und im LIVETICKER) kam die Punkteteilung übrigens gar nicht gelegen. Sechs Punkte Rückstand sind es jetzt auf die Königlichen. Die Ferngläser sind schon bestellt. Oder hat Quacks cheffige Pilotenbrille am Ende sogar eine Zoomfunktion?
Clasico-Countdown: Fünf besondere Clasico-Momente
Algo mas? Malagas Keeper Carlos Kameni hatte am Sonntag bestimmt Muskelkater vom Fingerheben in der Kneipe. "Noch einen, bitte!" Seinem Teamkollegen Javi Ontiveros musste er am Samstagabend nämlich mehr als einen ausgeben. In der 82. Minute verschuldete Kameni nämlich mit einem verheerenden Flutschfinger-Anfall den Ausgleichstreffer für Deportivo La Coruna. Nach einer souveränen 3:1-Führung bis 20 Minuten vor Schluss stand es plötzlich 3:3. Und Kameni war der begossene Pudel.
Gut, dass Javi Ontiveros auf dem Platz stand. Der war nämlich in der Nachspielzeit von allen guten Geistern verlassen und schweißte das Ding aus über 20 Metern mit dem rechten Hammer in den Knick. 4:3, lässiger Sieg! Malaga, Drama, kennt man hierzulande ja, diesmal aber mit einem besseren Ende für die Blau-Weißen...