Serie A
Von Oliver Birkner
Blut des Spieltags: Zwischen Black Friday und Cyber Monday liegt bekanntlich der Disaster Sunday, zumindest im Hause Juventus. In Genua kassierte der Meister drei Treffer in den ersten 29 Minuten und lag auch sonst ziemlich neben der Spur. Addiert man dazu noch die Verletzungen von Dani Alves (drei Monate Pause) und Leo Bonucci (zwei), avancierte die Butterfahrt in Ligurien zu einer rundum gelungenen Veranstaltung.
Juve hatte in dieser Saison noch gar kein Gegentor in der ersten Hälfte notiert und sich zuletzt vor elf Jahren gegen Milan drei Dinger in Durchgang eins gefangen. "Bis Weihnachten müssen wir ständig mit dem Bleifuß auf dem Gaspedal stehen", hatte Trainer Max Allegri vor dem Duell ausgegeben. Der Bleifuß passte, doch offensichtlich verwechselten seine Spieler katastrophal das Pedal.
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Allegri kochte, kommentierte hinterher jedoch mit beachtlicher Nonchalance: "Wir hätten in der 41. einen Elfmeter bekommen müssen. Ich sagte dem Schiri aber, dass er zum Glück weiterspielen ließ. Wir verdienten es nicht, in die Partie zurückzukommen. Diese heftigen Prügel mit der Holzlatte waren hilfreich. Die Foulstatistik ging mit 25:8 an Genoa, so zimperlich wie wir kann kein Team der Welt gewinnen." Sehr erfrischend, wenn der Coach selbst seinem Team mal ausdrücklich einen Strafstoß verweigert.
Eigentlich war alles schon durch inbrünstigen Pathos vorherbestimmt. Diego Simeone, Trainer von Atletico Madrid, meldete sich unter der Woche beim Filius: "Du wirst allen dein Simeone-Blut demonstrieren und treffen." Giovannis Blut brodelte und der 21-jährige "Cholito" traf sogar doppelt: "Ich habe gefightet wie ein Simeone und Papas Wunsch übertroffen", frohlockte der Youngster. Drei Millionen kostete der Argentinier letzten Sommer - nach mittlerweile vier Treffern ein wahres Schnäppchen. Kein Wunder bei diesem Blut.
Königin des Spieltags: 2:0 in Bologna, damit acht Siege und ein Remis aus den letzten neun Partien - da feierten am Sonntagabend tausende Tifosi die Rückkehr ihrer Atalanta-Heroen nach Bergamo. "Wir werden Meister", skandierten die Anhänger, die solch einen Höhenflug letztmals vor 16 Jahren erlebten. Ansonsten sonnte man sich höchstens als "Königin der Provinz", da kein anderer Verein ohne den Status Provinzhauptstadt länger in der Beletage weilte.
"Dabei war ich noch im September ein Dead Man Walking", erinnert sich Trainer Gian Piero Gasperini. Seine Elf hatte vier der ersten fünf Duelle verloren und der 58-Jährige stand vor der Entlassung. Gegen Napoli wählte er dann eine riskant offensive Aufstellung. "Der Präsident sagte mir vor dem Anstoß: Entweder Sie sind verrückt oder haben unglaubliche Eier!" Atalanta gewann 1:0 und mischt seither die Serie A auf.
Der erste Scudetto der Klubgeschichte wird es leider kaum werden, obschon die Gazetten schon von "Ata-Leicester" schreiben. Einen Rekord wird Atalanta allerdings wohl niemand mehr nehmen: 1988 erreichte man als Zweitligist ein Europapokal-Halbfinale (das gelang ansonsten nur Cardiff 1968) und eventuell steuert die Provinzkönigin nach 26 Jahren wenigstens wieder Europa an.
Altro? "Bernardeschi verdient eine ambitioniertere Mannschaft als die Fiorentina." Keine wirklich schlauen Worte über einen Spieler, wenn sie vom Florenz-Trainer persönlich kommen. Die Tifosi wirkten über den Ausspruch von Paulo Sousa wenig amused. "Hau endlich ab, du heuchlerischer Buckliger", durfte Sousa vor dem Training auf einem Transparent am Stadion lesen. "Bucklige" sind in Italien die Juventini und in Notzeiten ist man in Florenz mit einer buckligen Vergangenheit (wie Sousa Mitte der 1990er) stets ganz schlecht beraten.