Thomas Doll im Interview: "Gerede von Matchplänen ist nur für die Galerie"

Thomas Doll ist seit Dezember 2013 Trainer von Ferencvaros Budapest
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SPOX: Haben Sie mal überlegt, sich bei einem internationalen Auswärtsspiel abzusetzen?

Doll: Nein, dieses Gefühl hatte ich nie. Ich war sehr früh verheiratet, hatte ein Kind und hätte mich nie wohl gefühlt, wenn ich gewusst hätte, dass meine Familie auf der anderen Seite ist. Ich habe mich nach Auswärtsreisen immer gefreut, wieder nach Hause zu kommen.

SPOX: War das bei allen im Team so?

Doll: Für die Jungs, mit denen ich zu tun hatte, war eine Flucht nie ein Thema. Eine Gaudi haben wir uns aus dem Thema aber schon gemacht.

SPOX: Erzählen Sie!

Doll: Bei Auswärtsspielen saßen in der Nacht im Hotelkorridor immer Aufpasser, die wir gerne auf die Schippe genommen haben. Ich war mit Andreas Thom im Zimmer und wir haben unsere Tür immer wieder ein bisschen aufgemacht und so getan, als würden wir rausgehen wollen, woraufhin die Aufpasser hektisch aufgestanden sind und jedes Zimmer gecheckt haben.

SPOX: Wie intensiv haben Sie sich mit der politischen Lage befasst?

Doll: Mein Vater hat in der Politik zwar eine hohe Position bekleidet, zuhause aber selten über Politik geredet. Ich kannte natürlich nur die eine Seite, also konnte ich mir keine Meinung bilden. Wir sind groß geworden mit dem Bild, dass im Ausland alles schlechter ist.

SPOX: Bei Ihrem Wechsel zum Hamburger SV durften Sie gemerkt haben, dass das nicht der Realität entspricht.

Doll: Das war schon eine wahnsinnige Umstellung. Auf einmal wurden mir die Schuhe geputzt und meine Kleidung gewaschen, was ich eigentlich gar nicht wollte. Beim Training waren Fans und die Zeitungen haben ausführlich darüber berichtet. Und der Fuhrpark der Spieler war natürlich nicht mit dem vergleichbar, was ich kannte. Fußballerisch habe ich aber gar keinen Unterschied gemerkt, das war hinsichtlich des Niveaus das Gleiche.

SPOX: Später hat Ihnen der HSV den Einstieg in den Trainerberuf ermöglicht. Wie sind Sie diese neue Tätigkeit angegangen?

Doll: Ich habe mir dutzende Videos aus allen möglichen Ländern bestellt und mir daheim am Fernseher Trainingsformen und Systeme angeschaut, während andere Ex-Profis Golfen waren. Ich habe Trainer, die unvorbereitet auf den Trainingsplatz kommen, immer gehasst. Deshalb habe ich alles penibel geplant. Die Spieler finden das toll, weil sie sehen, dass ich mir Mühe gebe.

SPOX: Was sind Ihre Stärken als Trainer?

Doll: Darüber möchte ich nicht reden, ich lasse Erfolge sprechen.

SPOX: Haben Sie sich seit dem Wechsel ins Ausland verändert?

Doll: Ich hoffe nicht und ich glaube, dass ich genauso kommunikativ und offen bin wie damals. Ich kann jetzt aber bestimmte Situationen besser einschätzen als früher. So etwas wie meine legendäre Rede in Dortmund würde mir heute nicht mehr passieren. Da würde ich souveräner, gelassener reagieren. Außerdem habe ich gelernt, dass Deutschland nicht das Zentrum der Welt ist und auch woanders Menschen arbeiten, die es ernst meinen.

SPOX: Derzeit stellen viele Vereine Trainer ein, die auf keine Profi-Vergangenheit zurückblicken können. Was halten Sie von diesem Trend?

Doll: Nur alten, verbitterten Trainern gefällt diese Entwicklung nicht. Ich finde sie schön. Wenn jemand die Gabe hat, eine Fußballmannschaft zu führen, dann ist es egal, ob er mal Profi war oder nicht. Als ich beim HSV Cheftrainer wurde, war ich mit meinen 37 Jahren verdammt jung und fast genauso alt wie mein Spieler Sergej Barbarez. Und jetzt kommt Julian Nagelsmann daher und ist nochmal fast zehn Jahre jünger. An seinem Beispiel sieht man aber, dass ein Trainer respektiert wird, wenn er gute Ideen hat - egal wie alt er ist.

SPOX: Nagelsmann gilt als sogenannter Konzepttrainer.

Doll: Mit dem Begriff "Konzepttrainer" kann ich nichts anfangen, weil jeder Trainer ein Konzept hat. Das Gerede von "Matchplan A" und "Matchplan B" ist nur für die Galerie. Man braucht ein Konzept im täglichen Umgang mit der Mannschaft. Alles andere sind Floskeln, die Journalisten hören wollen und viele Trainer auch von sich geben.

SPOX: Träumen Sie eigentlich noch von einem Engagement in der Bundesliga?

Doll: Ich hatte zuletzt zwar Angebote aus der Bundesliga, aber es hat sich nichts ergeben und ich bin sehr glücklich in Budapest.

SPOX: Ihr Ex-Spieler Rafael van der Vaart meinte kürzlich, dass er sich - wäre er HSV-Verantwortlicher - ins Auto setzte würde, nach Budapest fahren und Sie einfach mitnehmen würde.

Doll: So einfach ist das nicht, der müsste mich erst einmal ins Auto bekommen. (lacht)

SPOX: Könnten Sie sich ein erneutes Engagement beim HSV denn überhaupt vorstellen?

Doll: Nein, derzeit nicht.

SPOX: Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage beim HSV?

Doll: Die großen Pläne konnten nicht realisiert werden. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem sich die Zukunft entscheidet. Ich hoffe jedenfalls, dass der Verein, der mir am Herzen liegt, in der Bundesliga bleibt, egal wie und egal mit wem.

SPOX: Was muss bis zu Ihrem Karriereende noch passieren, damit Sie dann glücklich sind?

Doll: Als Trainer sollte man nie in die Zukunft schauen, weil du nach drei Niederlagen überall in Frage gestellt wirst. Egal wie du heißt und was du bisher geleistet hast.

Thomas Doll im Steckbrief

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