SPOX: In der Saison 2003/04 waren Sie einige Monate Trainer des 1. FC Köln und sind letztlich abgestiegen. Wie beurteilen Sie diese Zeit mit etwas Abstand?
Koller: Damals war das Umfeld in Köln sehr unruhig, alles war hektisch und nervös. Wenn in den Medien immer Geschrei ist und teilweise nicht immer die Wahrheit geschrieben wird, ist es schwierig, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
SPOX: Mittlerweile ist in Köln Ruhe eingekehrt.
Koller: Das ist der Verdienst von Präsidium, Manager Jörg Schmadtke und Trainer Peter Stöger. Sie haben die richtigen Spieler ausgewählt, führen die Mannschaft sehr gut und haben so die Hektik aus der Stadt vertrieben.
SPOX: In Ihrer kurzen Zeit in Köln haben Sie bleibenden Eindruck hinterlassen, indem Sie Lukas Podolski in die erste Mannschaft geholt haben.
Koller: Ich habe gesehen, dass er Power und einen hervorragenden linken Fuß hat und ihm einfach vertraut. Er wusste immer, dass er viel trainieren muss und wenn er das nicht gemacht hat, habe ich es ihm klar gesagt. Es freut mich jedenfalls, welche Karriere er gemacht hat. Besonders finde ich an Lukas, dass er nie abgeboben ist und sich von außen nicht beeinflussen lässt. Er ist sehr herzlich und will immer allen helfen.
SPOX: In Bochum, Ihrer zweiten Station in Deutschland, waren Sie knapp viereinhalb Jahre tätig.
Koller: Ich habe den Klub in der zweiten Liga übernommen und bin direkt aufgestiegen. Trotz geringer finanzieller Mittel habe ich den VfL drei Jahre lang in der Bundesliga gehalten. Mittlerweile ist Bochum seit sieben Spielzeiten in der zweiten Liga und der Weg geht eher Richtung dritte.
SPOX: Nach ihrer Tätigkeit in Bochum waren Sie knapp zwei Jahre ohne Job. Was haben Sie in dieser Zeit gemacht?
Koller: Ich habe eine Pause gebraucht und erstmal Urlaub gemacht, um ein bisschen Abstand zu gewinnen. Dann habe ich mich fortgebildet, etliche Spiele im Stadion angeschaut und mit vielen Leuten gesprochen. Ich hatte auch das eine oder andere Angebot, aber es hat nie hundertprozentig gepasst - bis die Österreicher gekommen sind.
SPOX: Was war Ihr erster Gedanke, als Sie das Angebot erhalten haben?
Koller: Dass ich für so einen Job noch viel zu jung bin. (lacht)
SPOX: Und dann?
Koller: Ich habe mir ein paar Spiele angeschaut und gesehen, dass die Mannschaft über viel individuelles Potenzial verfügt. Die Gespräche mit den handelnden Personen waren auch gut und so sind wir zusammengekommen.
SPOX: Von großen Teilen der österreichischen Öffentlichkeit und vielen Experten wurde Ihre Anstellung sehr kritisch beurteilt. Waren Sie von der Wucht der Ablehnung überrascht?
Koller: Ich habe schon mit Kritik gerechnet, weil es immer erst einmal negativ gesehen wird, wenn ein Ausländer Nationaltrainer wird. Entscheidend an der Wucht war eventuell auch, dass meine Verhandlungen mit dem ÖFB erst sehr spät publik wurden.
SPOX: Inwiefern hatte das Auswirkungen?
Koller: Die Medien wussten lange nichts von den Verhandlungen und erst um etwa 22 Uhr am Tag vor der Vorstellungs-PK sind erste Informationen durchgesickert. Die Journalisten und Experten standen deshalb unter Zeitdruck und konnten nur wenig recherchieren, bevor sie ihre Meinungen abgeben mussten. Der eine oder andere hat sich später für sein vorschnelles Urteil bei mir persönlich entschuldigt. Jetzt ist die Kritik aber wieder am Kommen, weil die Ergebnisse derzeit nicht stimmen.
SPOX: Österreich hinkt in der WM-Qualifikation hinterher, glauben Sie noch an eine Teilnahme?
Koller: Es ist noch nichts verloren.
SPOX: An der zurückliegenden EM hat Österreich teilgenommen, nach einer überragenden Qualifikation aber ein schwaches Turnier gespielt. Hat das Team in der Qualifikation über seinem Leistungsvermögen gespielt, oder beim Turnier darunter?
Koller: Wir haben in der Qualifikation zwar gut gespielt, hätten aber auch da Spiele verlieren können. Im Vorfeld der EM haben wir das nötige Glück verloren und beim Turnier selbst waren zur gleichen Zeit vier, fünf Schlüsselspieler nicht in Form und dann wird es für ein Land wie Österreich sehr schwierig. Ein Grund für die schwache EM war aber unsere mangelhafte Chancenverwertung.
SPOX: Womöglich war auch die Erwartungshaltung im Land zu hoch.
Koller: Es gab in Österreich einen enormen Hype und den wollten wir natürlich nicht sprengen. Hier gibt es nur himmelhochjauchzend oder zu Tode betrübt und dazwischen nichts. In vielen Situationen wäre aber ein Mittelweg besser.
SPOX: Worauf legen Sie beim Zusammensein mit dem Nationalteam besonderen Wert?
Koller: Für mich ist es wichtig, dass sich die Spieler wohlfühlen und gerne herkommen, weil ich davon überzeugt bin, dass sie so ihre besten Leistungen abliefern können. Wenn die Spieler verklemmt sind und unter großer Anspannung stehen, funktioniert es nicht.
SPOX: Fast alle Ihrer Nationalspieler sind Legionäre. Tendieren Sie bei zwei ähnlich guten Spielern zu dem, der im Ausland spielt?
Koller: Nein, das spielt keine Rolle. In diesem Fall entscheiden wir uns für den jüngeren.
Marcel Koller im Steckbrief