Holland? Ein Himmelfahrtskommando!

Von Justus Dingemanse
Wo soll's hingehen? Die Niederlande stehen mal wieder am Scheideweg
© getty

Die Niederlande laufen Gefahr, das nächste große Turnier zu verpassen, Trainer Danny Blind ist entlassen, ein geeigneter Nachfolger noch nicht in Sicht. Woran krankt der niederländische Fußball und wie geht es weiter? Ein Gastbeitrag von Voetbalzone-Experte Justus Dingemanse.

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Es war ein fantastisches Ergebnis. Platz drei bei der WM 2014 in Brasilien, gesichert mit einem klaren 3:0 über den Gastgeber, war mehr als die kühnsten Optimisten vor dem Turnier der Elftal zugetraut hätten.

2012 hatte Louis van Gaal das Regiment übernommen, ein Jahr nachdem er bei Bayern München entlassen worden war. Van Gaal löste Bert van Marwijk ab, der bei der EM 2012 mit seiner Mannschaft in der Vorrundengruppe mit Deutschland, Portugal und Dänemark ohne Punkt ausgeschieden war. Dass van Marwijk die Niederlande 2010 noch ins WM-Finale geführt hatte, war da schon nichts mehr wert.

Nach dem EM-Desaster 2012 erwartete keiner etwas von van Gaal. Das Team war schwach und verwundbar, aber Van Gaal fand den richtigen Schlüssel. Er entschied sich dafür, das natürliche 4-3-3-System aufzubrechen und eine 5-3-2-Formation einzuführen. Die taktischen Diskussionen wurden sehr laut und aggressiv geführt. Der Erfolg sprach für Van Gaal.

Erster Fehlgriff: Guus Hiddink

Auch die Debatte über die Erbschaft Van Gaals wurde im Anschluss an dessen Rücktritt nach der WM 2014 ausufernd geführt und für viele Experten galt Ronald Koeman als perfekter Kandidat. Trotzdem entschied sich Bert van Oostveen, der Direktor des KNVB, Guus Hiddink den Job des Cheftrainers zu geben.

Gleichzeitig wurde seinem Assistenten Danny Blind das Amt nach der Europameisterschaft 2016 versprochen. Als die Resultate aber schnell ausblieben und sich abzeichnete, dass sich die Niederlande nicht für die EM in Frankreich qualifizieren sollten, wurde Hiddink Ende 2015 entlassen und Blind übernahm sofort.

Der ehemalige Ajax-Kapitän trug aber schon eine Mitschuld am Niedergang unter Hiddink und hatte von Beginn an ein schlechtes Standing und kaum Rückhalt in der Öffentlichkeit. Wie erwartet gelang Blind der Umschwung nicht. Er verlor drei der vier noch ausstehenden Qualifikationsspiele und die EM fand ohne die Niederlande statt.

Zweiter Fehlgriff: Danny Blind

Um diesen Makel zu beseitigen, hätte Blind eine beeindruckende WM-Qualifikation spielen müssen, was schon nach der Auslosung mit Frankreich und Schweden als Gruppengegner sehr unwahrscheinlich erschien.

Nach nur einem Punkt aus den ersten beiden direkten Duellen mit den großen Rivalen und zwei Pflichtsiegen gegen die Punktelieferanten Weißrussland sowie Luxemburg, war die Partie gegen Bulgarien ein Endspiel, um weiter gut im Rennen um Platz zwei zu bleiben.

Die WM-Quali-Statistiken der Niederlande und Deutschlands im Vergleich

Blinds konfuse Entscheidung mit Matthijs de Ligt

Aufgrund von Verletzungen fehlten Blind seine drei etatmäßigen Innenverteidiger Jeffrey Bruma, Virgil van Dijk and Stefan de Vrij. Blind ging volles Risiko. Zum Erstaunen aller nominierte er das 17-jährige Ajax-Talent Matthijs de Ligt, der bisher erst 267 Minuten in der holländischen Liga absolviert hatte, und stellte ihn in Sofia auch gleich noch in die erste Elf, obwohl erfahrenere und sicherere Alternativen vorhanden gewesen wären.

Das Ergebnis war ein Desaster. Nach 20 Minuten stand es 0:2, de Ligt sah bei beiden Gegentreffern schlecht aus, Blind entzog ihm das Vertrauen und ersetzte ihn zur Halbzeit durch Lazio-Verteidiger Wesley Hoedt, der nach landläufiger Meinung in der Startelf hätte stehen sollen.

Blinds Entscheidungen blieben konfus. Er weigerte sich, trotz des Zwei-Tore-Rückstands offensiver spielen zu lassen. Außerdem brachte er in der Schlussphase den in der Krise steckenden Luuk de Jong, statt des formstarken Memphis Depay.

Wer will Blinds Nachfolger werden?

Kapitän Arjen Robben war nach dem Spiel ratlos ob der grausigen Vorstellung in Sofia. Der Verband wusste nur einen Rat und setzte Blind vor die Tür, auch wenn ihn das 400.000 Euro Abfindung für den Trainer kostete.

Nach Blind-Rauswurf: Experten fordern van Gaal

Die unvermeidliche Trennung von Blind hat die Niederlande in eine Zwickmühle gebracht. Der Wunschkandidat Koeman hat bereits erklärt, dass er seinen Job in Everton nicht eintauschen will und wer auch immer das Amt übernimmt, muss wohl mehr als drei Jahre warten, um sich bei einem Turnier beweisen zu können.

Auch wenn die Niederlande einige Talente besitzen, sind herausragende Spieler nur schwer zu finden und die Fußstapfen der alternden Stars Robben, Wesley Sneijder oder der nicht mehr nominierten Klaas-Jan Huntelaar, Robin van Persie und Rafael van der Vaart sind schwer zu füllen.

Zeitpunkt zur Trainersuche ist ungünstig

Der Zeitpunkt zur Trainersuche ist extrem ungünstig. Die EM-Qualifikation ist ein Himmelfahrtskommando und kaum zu schaffen. Eine viel wichtigere Aufgabe ist es auch, ein komplett neues Team aufzubauen. Die wichtigsten Kriterien dafür sind: Geduld, ein gutes Auge für Talente und der Rückhalt der gesamten Nation.

In der Zwischenzeit werden sich alle niederländischen Fußballfans mit dem Verpassen eines weiteren großen Turniers und der Mittelmäßigkeit der aktuellen Generation abfinden müssen.

Vorerst hat Blinds Assistent Fred Grim die Rolle als Bondscoach übernommen, er bereitet das Team auf das Spiel gegen Italien am Dienstag vor. Die Deadline zur Bestimmung eines endgültigen Nachfolgers hat sich der Verband für Juni gesetzt. Dann trifft die Elftal in der Quali zuhause auf Luxemburg.

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