Ein Co-Trainer gilt oft auch als Bindeglied zwischen Trainer und Mannschaft. Gab es Spieler, zu denen Sie einen besonders guten Draht hatten?
Hübscher: Mit vielen Spielern habe ich heute noch Kontakt. Letztens war ich noch bei Joel Matip in Liverpool zum Champions-League-Rückspiel gegen Atletico. Auch mit Roman Neustädter tausche ich mich regelmäßig aus. Sead Kolasinac oder Alexander Nübel sind weitere Beispiele für Spieler, zu denen ich heute noch ein gutes Verhältnis pflege. Man kommt mit einigen Personen besser zurecht als mit anderen, das ist menschlich und auch als Co-Trainer der Fall. Grundsätzlich kann man zudem sagen: Ein Cheftrainer muss nicht immer alle mannschaftsinternen Dinge wissen. Als Assistent solltest du wiederum alle Dinge in seinem Interesse regeln.
"Boateng sagte: 'Trainer, pack' das Trikot mit der Nummer neun zur Seite'"
Ein großer Name während Ihrer Zeit als Co-Trainer bei den Profis war Kevin-Prince Boateng. Wie erinnern Sie sich an das erste Treffen mit ihm?
Hübscher: Er war enorm selbstbewusst, aber auch offen, höflich und zurückhaltend. Er sagt seine Meinung, wenn er es für nötig hält, bewahrt dabei aber immer den Anstand. Wir haben ihn damals als Eckpfeiler geholt, an dem sich unsere vielen jungen Spieler orientieren können.
Wie kam es zu seiner Verpflichtung?
Hübscher: Wir haben erstmals im Trainingslager in Doha über ihn gesprochen. Als sich herausgestellt hat, dass die Möglichkeit besteht, ihn zu bekommen, hat Jens Keller ihn angerufen. Boateng sagte nur: "Trainer, pack' schon einmal das Trikot mit der Nummer neun zur Seite, wir rocken das Ding." Er war genau der erfahrene Spieler, den wir gebraucht haben. An sein erstes Spiel gegen Leverkusen vor heimischen Publikum kann ich mich noch gut erinnern.
Warum?
Hübscher: Er hat damals auf der Sechs gespielt. In einer Situation spielte Max Meyer ihn nicht an, sondern einen Pass ins Aus. Da die Situation nahe der Bank stattfand, war sehr gut zu hören, wie er schrie: "Max, spiel mich an. Max! Max!" Meyer antwortete nur, dass Boateng doch gedeckt worden sei. Der erwiderte: "Das ist mir scheißegal, spiel mich an." So ein Spieler hat uns zuvor gefehlt.
Wieso trennten sich die Wege dann zwei Jahre später?
Hübscher: Das waren keine menschlichen Gründe, wir haben einfach seine Verletzungsanfälligkeit nicht mehr in den Griff bekommen. Er war nicht mehr so leistungsfähig wie wir und auch er sich das gewünscht hätten, denn auch unter Roberto Di Matteo, den er übrigens immer als Mister angesprochen hat, war er eine wichtige Persönlichkeit.
Wodurch unterscheidet er sich von anderen Spielern?
Hübscher: Durch sein Selbstbewusstsein. Er hat sich nicht darum geschert, ob wir gegen Leverkusen oder Bayern München gespielt haben. Dem war das scheißegal. Er hatte einfach dieses Selbstverständnis, dass sich jeder an ihm zu orientieren hat. Das half zu diesem Zeitpunkt unserer ganzen Mannschaft weiter. Und zusätzlich konnte er natürlich sehr gut kicken.
Suchte er auch das Streitgespräch?
Hübscher: Das kam vor, aber immer respektvoll. Er hat seine Meinung vertreten, aber trug das nicht vor der Mannschaft aus, sondern kam in die Trainerkabine und hat seine Sicht der Dinge erläutert. Das macht Führungsspieler, wie er oder Höwedes es damals waren, aus. Sein Wort hatte sowohl beim Trainer als auch bei den Mitspielern Gewicht. Er packte sich auch mal Kollegen und sagte: "Hört auf, diesen scheiß Kinderfußball zu spielen." Dann lieferte er ihnen einen kurzen und prägnanten Lösungsansatz, der dann aber auch saß. Sowas ist für einen Trainer Gold wert.
Hübscher schwärmt von Di Matteo: "Zeit war absolut überragend"
Di Matteo kam als Champions-League-Sieger zu Schalke, war nach sieben Monaten aber schon wieder Geschichte. Warum hat es mit ihm nicht funktioniert?
Hübscher: Das ist halt die Frage, ob es mit ihm nicht funktionierte. Meinten zumindest die Verantwortlichen. Wenn ich mir die Platzierung anschaue, hat es ja doch irgendwie funktioniert. Ich kannte ihn vorher nicht, aber menschlich war die Zeit absolut überragend. Roberto ist ein feiner Kerl, ich war im Nachhinein mehrfach bei ihm in England und habe ihn besucht. Zu seiner Zeit auf Schalke hatten wir mit Verletzungen zu kämpfen und das Selbstverständnis des Klubs war damals sehr hoch. Wir haben es als Team aber nicht geschafft, die richtige Balance zwischen Offensive und Defensive zu finden, weshalb der Europa-League-Platz nicht unbedingt positiv in Erinnerung geblieben ist. Heute würde man gewisse Dinge eventuell anders bewerten, auch Jens Keller und Andre Breitenreiter wurden immer kritisch gesehen, obwohl beide doch recht erfolgreich waren.
Was machte die Arbeit von Di Matteo aus?
Hübscher: Er war sehr genau, die Trainingsvorbereitung war bei ihm immer ein Schwerpunkt in der Arbeit. Ich erinnere mich an eine Spielform, die er uns zuvor auf einem Blatt Papier aufgezeigt hat. Dabei zeichnete er das Tor gemäß des Maßstabs knapp 60 Zentimeter vor die Mittellinie. Als wir später draußen auf dem Platz aufbauten, stellten wir das Tor einfach auf die Mittellinie, um sie auch als Auslinie zu nutzen. Als Roberto dann kam, rief er uns zwei Co-Trainer zu sich und sagte, dass das Tor falsch positioniert sei. Genauigkeit war bei ihm das A und O. Als es sportlich nicht mehr lief, arbeitete er sogar noch akribischer als zuvor, aber leider musste er dann dennoch gehen.
Haben Sie eine Erklärung für den hohen Trainerverschleiß auf Schalke in der jüngeren Vergangenheit?
Hübscher: Das liegt meiner Meinung nach an der extrem hohen Erwartungshaltung. Alles andere als die Champions League war zu meiner Zeit eine Enttäuschung, eine Qualifikation für die Europa League genügte den Ansprüchen nicht wirklich. Des Weiteren brauchst du das Publikum auf deiner Seite, musst Fußball mit viel Power und Ballbesitz spielen lassen und die Leute begeistern, ansonsten kann es problematisch für dich werden.
Als Markus Weinzierl kam, waren Ihre Dienste nicht mehr gefragt. Wie haben Sie darauf reagiert?
Hübscher: Ich konnte seine Entscheidung verstehen. Es war klar, dass er seinen Trainerstab mitbringen würde, sollte er zu Schalke kommen. Ich hatte allerdings die Hoffnung, dass es zumindest zu einem persönlichen Gespräch mit ihm kommen würde. Das war allerdings nicht der Fall und das war die einzige Sache, die ich in der Nachbetrachtung zu monieren hätte.
Schalke-Rückkehr unter Tedesco war Thema
Aufgrund Ihres guten Verhältnisses gab es nach dem Schalke-Aus Gerüchte um einen gemeinsamen Wechsel mit Di Matteo zu Aston Villa.
Hübscher: Ich war zweimal bei Aston Villa vor Ort und habe mir alles angeschaut. Allerdings hatte ich noch einen laufenden Vertrag bei Schalke und meine Frau war zu diesem Zeitpunkt schwanger, weshalb daraus erstmal nichts wurde. Es war mein Traum, mit ihm dort zu arbeiten, und ich hätte das Angebot auf jeden Fall noch angenommen. Leider war Di Matteo zu diesem Zeitpunkt bereits entlassen worden.
2017 waren Sie ein Kandidat für das Trainerteam von Domenico Tedesco. Wie konkret standen Sie vor einer Rückkehr zu S04?
Hübscher: Christian Heidel hatte schon länger die Idee, mich wieder einzubinden. Mit Tedesco gab es Gespräche, er entschied sich damals allerdings für Andreas Hinkel, den er als Assistenten mitbringen wollte. Da ich zu dieser Zeit das Angebot von Bremen auf dem Tisch liegen hatte, habe ich Werder nach Tedescos Absage zugesagt, auch wenn Hinkel später doch nicht nach Gelsenkirchen kommen sollte.
Sie wurden in Bremen zunächst Trainer der U17 und ein Jahr später Coach der zweiten Mannschaft, ehe Sie im vergangenen Sommer bei Preußen Münster anheuerten. Nach 17 Spieltagen wurden Sie im vergangenen Dezember von ihren Aufgaben entbunden. Warum hat es dort nicht funktioniert?
Hübscher: Es gab einen großen Umbruch im Kader, die Aufgabe war nicht einfach. Doch aufgrund des in mich gesteckten Vertrauens der Verantwortlichen wollte ich diese angehen. Leider konnten wir in den Partien, in denen wir überzeugend gespielt haben, nicht die nötigen Punkte einfahren. Letztlich ist der Trainer verantwortlich und es wurde versucht, der Mannschaft mit einem Trainerwechsel einen neuen Impuls zu geben.
Peilen Sie eine schnelle Rückkehr als Trainer an?
Hübscher: Auf jeden Fall. Es gibt lockere Kontakte in viele Richtungen, aber aufgrund der Coronakrise muss man ohnehin erstmal abwarten, wie sich der Fußball davon erholt.
Haben Sie eigentlich ein Vorbild als Trainer?
Hübscher: Ich achte eher auf Spielstile. Klar finde ich es beeindruckend, wenn Joel Matip erzählt, wie Jürgen Klopp seine Jungs packt. Selbiges gilt für den Ballbesitzfußball, den Pep Guardiola spielen lässt. Ich schaue mir generell viele Spiele an. Ajax beispielsweise hat im vergangenen Jahr mit Gegenpressing und schnellem Umschaltspiel für Furore in der Champions League gesorgt. Eigentlich wollte und sollte ich bei Erik ten Hag in Amsterdam hospitieren. Da war schon alles klar, aber Corona hat mir da leider einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Was genau erzählt Matip von Klopp?
Hübscher: Klopp ist maximal emotional und das springt auf die Spieler über. Jeder ist bereit, Vollgas zu geben. Auch der Konkurrenzkampf spielt eine wichtige Rolle, das erleichtert dem Trainer die Arbeit. Dennoch sagt er, dass alle jederzeit bereit seien, für Klopp zu marschieren. Noch nie in seinem Leben habe er eine härtere Vorbereitung erlebt als in Liverpool. Wie fit die Mannschaft in der Folge ist, sieht man ja auf dem Platz. Sie spielen mit einer Viererkette, davor laufen drei Wahnsinnige von rechts nach links alles zu und vorne haben sie drei Vollgranaten, die die Buden machen. So haben sie vergangene Saison die Champions League gewonnen.
Auch Sie durften bereits einige Champions-League-Abende erleben. Woran denken Sie am liebsten zurück?
Hübscher: Das größte und gleichzeitig negativste Erlebnis war das Rückspiel bei Real Madrid im Santiago Bernabeu 2015. Das war eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Nach dem Spiel machte es einen stolz, wie die Fans uns zugejubelt haben, nachdem wir nach einem 0:2 im Hinspiel beinahe noch in die nächste Runde eingezogen wären. Andererseits haben wir zum Beispiel mit Höwedes' Chance kurz vor Schluss gehadert, als der Ball knapp am Tor vorbeiging. Diesen Abend werde ich dennoch nie vergessen.
Hübscher: Galatasaray? "Wollte ihm nicht glauben, bis die ganze Trainerbank wackelte"
Auch die Stimmung bei Galatasaray durften Sie bereits erleben.
Hübscher: Vor diesem Spiel haben wir uns mit dem Trainerteam Videoclips von der Atmosphäre angeschaut. Wir haben die Mannschaft auch in einer Teambesprechung darauf vorbereitet und mit Lautsprechern versucht, die Stimmung zu simulieren. Eine vergleichbare Atmosphäre gibt es in Deutschland nicht. Vor dem Anstoß zählen die Fans runter und legen pünktlich zum Anpfiff richtig los. Unser Torwarttrainer Holger Gehrke hat uns zudem im Vorfeld gewarnt: "Ihr werdet Gänsehaut bekommen, wenn 50.000 Türken aus voller Kehle anfangen, ein Lied zu singen. Da bebt das ganze Stadion." Ganz glauben wollte ich es ihm nicht, bis dann die ganze Trainerbank wackelte, als ich es selbst erleben durfte. Das war wirklich beeindruckend.
Welcher Spieler hat Sie am meisten beeindruckt?
Hübscher: Von meinen eigenen Spielern Joel Matip, der es auf Schalke nicht unbedingt leicht hatte. Seine Leistungen wurden nicht immer wertgeschätzt, obwohl es wenige Spieler gibt, die mit und ohne Ball mutiger spielen. Spätestens seit dem Champions-League-Sieg dürfte jedem klar sein, welche Qualität er hat.
Und von externen Spielern?
Hübscher: Cristiano Ronaldo. Als wir in Madrid gespielt haben, hatten die Nationalspieler untereinander Kontakt. Toni Kroos kam dann zu uns in die Kabine und unsere Jungs fragten ihn nach Ronaldo. Kroos bestätigte alles, was man über die Medien aufschnappt, beispielsweise dass Ronaldo sich immer als erster am Trainingsgelände einfinde und der Letzte sei, der geht. Außerdem erzählte Kroos davon, wie ihm der Portugiese gleich nach seinem Wechsel zu Real seine Hilfe in allen Lebensbereichen anbot. Aus dem Mund einer seiner Mitspieler imponiert das einem schon noch deutlich mehr.