Es war das Spiel mit der bekannten "Volley!"-Choreographie, Deutschland gegen die Niederlande, EM-Qualifikation vor über 50.000 Zuschauern im Hamburger Volksparkstadion. Sieht man sich in Zeiten von Corona und Geisterspielen eine Zusammenfassung der Begegnung aus dem September 2019 an, gleicht das Geschehen auf den Rängen beim drittletzten Pflichtspiel der Nationalmannschaft mit Zuschauern selbst für Länderspielverhältnisse teilweise sogar einem Tollhaus.
Mit 2:4 ging die Partie aus Sicht des DFB-Teams verloren. Serge Gnabry brachte das Team von Joachim Löw schnell in Führung, Frenkie de Jong und ein Eigentor von Jonathan Tah drehten das Spiel nach der Pause für Oranje. Toni Kroos brachte Deutschland nach einem umstrittenen Elfmeter zwar noch einmal zurück, doch dann schlug die große Stunde des Donyell Malen.
Er stand gerade einmal 21 Minuten auf dem Platz, es waren seine ersten im Trikot der Nationalmannschaft, als Memphis Depay die deutsche Viererkette mit einem feinen Pass sezierte, Georginio Wijnaldum gekonnt in die Mitte lupfte, wo Malen den Ball aus der Luft nahm und an Manuel Neuer vorbei im Tor unterbrachte. Premierentreffer beim Länderspieldebüt gegen den langjährigen Rivalen, es war ein traumhafter Abend für den jungen Niederländer.
PSV: Malen spielte bei Ajax mit de Ligt und Kluivert
Heute ist Malen 21 Jahre alt, doch für sein junges Alter hat er bereits einiges erlebt. Im Alter von acht Jahren schloss sich der Sohn einer Niederländerin und eines Surinamers der berühmten Jugendakademie von Ajax an. Dort wusste er in allen Altersklassen zu überzeugen, der 1999er-Jahrgang der Amsterdamer mit Spielern wie Matthijs de Ligt (mittlerweile Juventus Turin) und Justin Kluivert (RB Leipzig) war ohnehin meistens eine Nummer zu groß für den Gegner.
Malen durchlief ab der U15 sämtliche Jugendauswahlen von Oranje, bei Ajax fühlte er sich kurz vor dem Herrenbereich dennoch nur als einer von vielen und war nicht davon überzeugt, in absehbarer Zeit bei den Profis Fuß fassen zu dürfen.
Deshalb entschloss er sich mit 16 nach einem Treffen mit Arsene Wenger dazu, zum FC Arsenal nach England zu wechseln. Star-Berater Mino Raiola, der sich zu dem Zeitpunkt bereits um Malens Angelegenheiten kümmerte, fädelte den Wechsel ein.
Anders als in Amsterdam sollte er in London regelmäßig mit den Profis trainieren, Spielpraxis wurde ihm in der U23 geboten, wo der Offensivspieler von Stürmer-Legende Thierry Henry wertvolle Tipps bekam. Malen erzielte in seinen ersten zwei Jahren bei den Gunners 44 Treffer für die U18 und U23, woraufhin ihn Wenger 2017 mit einer Nominierung für die Vorbereitungstour nach Asien belohnte.
"Donyell macht sich sehr gut", äußerte sich der Trainer damals über den Youngster. Dennoch suchte Malen Wochen später am Deadline Day das Weite und wechselte zurück in die Heimat zu PSV Eindhoven. Was war passiert? Aus Sicht des Spielers zu wenig. Arsenal sah in ihm zwar Potenzial - ähnlich wie Ajax - doch den großen Sprung zu den Profis traute man ihm noch nicht sofort zu.
Was in Malens noch junger Karriere auffällt, ist die Tatsache, dass er zu wissen scheint, was er will und was er für seine Entwicklung braucht. Angst vor harten Entscheidungen hat er nicht, vielleicht spielt auch Raiola dabei eine Rolle. Als Jugendlicher verließ er 2015 sein Heimatland, um nach London zu gehen. Zwei Jahre später sah er dort seine Entwicklung gefährdet und kehrte in die Niederlande zu PSV zurück.
"Es lief gut in England, doch ich wollte Arsenal verlassen, weil ich die Chance hatte, bei PSV zu unterschreiben. Diese Möglichkeit konnte ich mir nicht entgehen lassen", erklärte er den Schritt und wehrte sich gleichzeitig gegen Meldungen, er sei aussortiert worden: "Das ist nicht wahr. Ich hatte noch ein Jahr Vertrag und Arsenal wollte sogar verlängern."
PSV: BVB und Barca an Donyell Malen interessiert?
Sein Wechsel sollte sich als richtig erweisen, denn mittlerweile zählt er zu den interessantesten Spielern der Eredivisie. Seit seinem Erstligadebüt im Februar 2018 ist er fester Bestandteil des Profikaders. Seit Sommer 2018 netzte Malen 28-mal in 58 Ligaspielen ein, zwölf weitere Treffer bereitete er vor.
Der FC Barcelona mit Trainer Ronald Koeman, unter dem Malen sein Länderspieldebüt feiern durfte, soll schon länger ein Auge auf ihn geworfen haben. Zuletzt brachte ihn die Sport Bild auch bei Borussia Dortmund als möglichen Nachfolger für Jadon Sancho ins Gespräch.
Dabei kommt Malen nur bedingt auf Sanchos Position zum Einsatz. In Roger Schmidts 4-2-2-2-System ist er in der Regel eine der beiden Spitzen. Gelegentlich kommt er auch zu Einsätzen auf dem Flügel, dann meistens aber auf der linken Seite. Da Sancho eher rechts beheimatet ist, sind Gerüchte um einen BVB-Wechsel Malens in der Eindhovener Medienlandschaft noch wenig gestreut.
Malen selbst sagte, von FOX Sports darauf angesprochen, dass ihn die Berichte "nicht wirklich interessieren. Es ist immer schön, so etwas zu lesen. Doch soweit ich weiß, ist daran nichts dran". Auch sein Trainer Schmidt blockte ab. "Es ergibt keinen Sinn, darauf einzugehen. Er ist unser Spieler", so der Deutsche, der sich der Qualitäten seines Schützlings aber bewusst ist: "Natürlich wird er eines Tages die PSV verlassen, wenn er sich weiterhin so entwickelt."
Zu den Stärken des Rechtsfußes gehören seine Geschwindigkeit, das Positionsspiel und die bereits genannte Flexibilität im Angriff. Am besten ist er jedoch im Sturmzentrum, denn er ist ein schnörkelloser Spieler, der mit beiden Beinen stark abschließen kann, für seine 1,79 Meter Körpergröße durchaus kopfballgefährlich ist und über ein gutes Dribbling verfügt.
"Ich habe früher jedes Spiel von Ronaldinho gesehen - egal, ob von Brasilien oder Barcelona", verriet er dem Algemeen Dagblad einst sein Idol. "Mein Zimmer war voll von ihm und ich habe all seine Tricks nachgemacht."
Goals Eredivisie-Experte Stefan Coerts sieht bei Malen vor allem in der Entscheidungsfindung noch Luft nach oben. Auch die Konstanz spiele noch eine zu große Rolle. "Seine Leistungen unterliegen noch Schwankungen. Man merkt, dass er in diesem Jahr aufgrund einer Knie-OP mehrere Monate pausieren musste, doch er scheint von Einsatz zu Einsatz stabiler zu werden."
PSV: Donyell Malen vergibt noch zu viele Großchancen
Auch ein Blick auf die Zahlen offenbart Schwächen. Mit sieben vergebenen Großchancen belegt er laut Opta in diesem Ranking den unrühmlichen zweiten Rang in Hollands Beletage, folglich landen nur 41,6 Prozent seiner Großchancen auch im Netz. Positiv sticht hingegen hervor, dass er als zentraler Stürmer 61,5 Prozent seiner Dribblings erfolgreich beendet.
35 Ballaktionen im Schnitt pro Partie deuten außerdem daraufhin, dass er durchaus in das Kombinationsspiel integriert ist. Bayerns Robert Lewandowski hat mit durchschnittlich 38 einen ähnlichen Wert, Erling Haaland vom BVB beispielsweise berührt den Ball pro Einsatz nur rund 27-mal.
Dass Malen nach der EM im kommenden Sommer noch für PSV auflaufen wird, darf stark bezweifelt werden. An Interessenten wird es bei ähnlichen Leistungen im weiteren Saisonverlauf nicht mangeln. Zu drastischen Entscheidungen, die seiner Karriere weiterhelfen, ist er bekanntlich bereit. Berater Raiola wird sein Übriges tun - und der hat spätestens seit dem Haaland-Transfer offenbar auch gute Beziehungen nach Dortmund.