Bei welchen Ihrer Liefering-Spielern waren Sie am meisten überrascht, dass ihnen später eine Profikarriere gelungen ist?
Letsch: Dmitri Skopintsev kam damals über Leipzig nach Liefering und hat bei mir sehr wenig gespielt. Mittlerweile ist er Stammspieler bei Dynamo Moskau. Bei Robert Mudrazija, der heute bei HNK Rijeka spielt, war es ähnlich. Manchmal benötigt ein Spieler einen Umweg wie beispielsweise auch Stefan Lainer, der von Liefering über Ried den Sprung nach Salzburg und später zu Mönchengladbach geschafft hat.
Wie kommt es, dass Salzburg so viele herausragende Talente findet und entwickelt?
Letsch: Das Scouting und Netzwerk sind herausragend. Eine große Stärke des Klubs ist es auch, wie die verpflichteten Talente nach ihrem Wechsel betreut und begleitet werden. Mittlerweile kommt darüber hinaus der Ruf dazu: Junge Spieler sehen, wie viele heutige Stars über Salzburg den Sprung nach ganz oben geschafft haben.
Einer davon ist Sadio Mane. Wie haben Sie ihn damals erlebt?
Letsch: Er war einerseits ein absolut positiver Typ, andererseits aber auch verschlossen. Er hat Nähe gesucht zu den Leuten, die auch Französisch gesprochen haben. Fußballerisch haben mich vor allem seine Schnelligkeit und sein erster Kontakt begeistert.
Zusammengearbeitet haben Sie auch mit Martin Hinteregger, der die zahlreichen Wechsel von Salzburg nach Leipzig scharf kritisierte. Er mutmaßte, dass Leipzig Salzburg damit "kaputt machen" würde.
Letsch: Martin trägt sein Herz auf der Zunge. Er sagt, was er denkt. Genau deswegen schätze ich ihn und kann ihm solche Dinge nicht übelnehmen. In der Sache hatte er inhaltlich aber Unrecht: Salzburg wäre genau so geschwächt geworden, wenn die Spieler zu anderen Vereinen gewechselt wären. Länger als zwei Jahre bleibt ein angehender Topspieler ohnehin nicht in Österreich.
Wie haben Sie Hinteregger als Typ erlebt?
Letsch: Im Fußball gibt es viele ähnliche Typen. Ich finde es absolut erfrischend und bereichernd, wenn manche Spieler etwas anders ticken. So jemand ist Martin. Er hat sich nichts aus irgendwelchem Schnickschnack gemacht, sondern ist lieber mal angeln gegangen.
Eng begleitet haben Sie den Werdegang von Dayot Upamecano. Er war 16 Jahre alt, als er vom FC Valenciennes nach Salzburg wechselte und zunächst unter Ihnen beim FC Liefering spielte.
Letsch: Abseits des Platzes war er völlig zurückhaltend und schüchtern. Er hat kein Wort rausgebracht und hat eher nach unten geschaut als dir in die Augen. Auf dem Platz wurde er aber zur Maschine, zum Biest, zum Terrier. Seine Schnelligkeit, Robustheit und Mentalität waren schon im Alter von 16 Jahren sehr ausgeprägt.
Waren Sie von Beginn an von ihm überzeugt?
Letsch: Absolut. Auch wenn man nie voraussagen kann, wo genau der Weg am Ende hinführt. Natürlich hat er damals mit 16 Jahren auch Fehler gemacht, aber das gehört in diesem Alter dazu. Der Weg über Liefering war für ihn aus meiner Sicht der absolut perfekte.
Können Sie sich an eine beeindruckende Leistung Upamecanos im Jugendbereich erinnern?
Letsch: Ja, an ein Spiel in der UEFA Youth League gegen Besiktas im November 2015. Wir hatten auswärts mit 0:1 verloren und er wollte das Rückspiel ganz allein für uns gewinnen. Er hat die Gegner in den Zweikämpfen förmlich aufgefressen und auch noch das Tor zum 2:1 gemacht (Endergebnis 5:1, Anm. d. Red.). Da hat er zum ersten Mal gezeigt, was für ein Spieler er sein kann und welche Mentalität er hat. Das war absolut beeindruckend.
Upamecano wechselte im Januar 2017 nach Leipzig, Sie verließen Salzburg ein halbes Jahr später. Warum?
Letsch: Nach dem Abschied von Oscar Garcia hatte ich mir Chancen auf den Cheftrainerposten ausgerechnet. Der Verein entschied sich aber für Marco Rose, was im Nachhinein betrachtet auch nicht die schlechteste Wahl war. Er ist ein Top-Trainer und ich bin bis heute gut mit ihm befreundet. Für mich war das aber das Zeichen, etwas anderes zu probieren. Ich hatte eine fantastische Zeit in Salzburg, wusste dann aber, dass ich Salzburg verlassen und eine neue Herausforderung suchen muss.
Sie wechselten zum Zweitligisten Erzgebirge Aue. Das muss wie ein Kulturschock gewesen sein.
Letsch: Absolut. Das sind aus vielerlei Gesichtspunkten zwei völlig verschiedene Welten. Es ist aber wichtig, diese unterschiedlichen Erfahrungen zu machen und aus seiner Komfortzone rauszugehen. Ich habe den Schritt weg aus Salzburg nie bereut. Auch wenn das Kapitel Aue nicht das glücklichste war.
Nach nur drei Pflichtspielen wurden Sie entlassen.
Letsch: Rückblickend habe ich zu sehr aus der Emotion und ohne genügend Vorbereitung auf die neue Aufgabe entschieden. Beide Seiten haben dann sehr schnell festgestellt, dass die Konstellation aus unterschiedlichen Gründen nicht passt und es so sehr schwer werden würde, erfolgreich zu sein.
Inwiefern?
Letsch: Das ist ehrlich gesagt Schnee von gestern.
Kam die schnelle Entlassung überraschend für Sie?
Letsch: Nein, auch wenn es natürlich sehr schnell ging. Es gibt Konstellationen, die passen und solche, bei denen dies nicht der Fall ist. In dem Fall ist es doch besser, diese schneller zu beenden als zu lange zu warten.
Anschließend kehrten Sie nach Österreich zurück und trainierten Austria Wien.
Letsch: Ich blicke gerne auf meine Zeit bei der Austria zurück, die ich persönlich in sehr positiver Erinnerung habe. Zum Zeitpunkt meiner Freistellung waren wir hinter Salzburg und dem LASK auf Platz drei in der Liga und am Beginn eines Umbruchs. Junge Spieler wie Vesel Demaku oder Dominik Fitz haben ihre ersten Einsätze gehabt. Speziell die beiden Derbysiege bleiben als Highlights immer im Gedächtnis.
Ihr aktueller Klub Vitesse Arnheim ist bekannt als Leih-Station für etliche Talente des FC Chelsea, zeitweise sammelte hier auch Mason Mount Spielpraxis. Wie funktioniert diese Kooperation genau?
Letsch: Es gibt keine offizielle Kooperation, sondern nur einen guten Kontakt zwischen den Klubs. Mason Mount war natürlich das Musterbeispiel, wie es laufen sollte. In der vergangenen Saison hatten wir mit Armando Broja ebenfalls einen Leihspieler, der bei uns seine ersten Schritte im Profibereich machen konnte und diese Chance absolut genutzt hat. Die Eredivisie ist für Toptalente ein guter Zwischenschritt, bevor sie für eine der absoluten Topligen bereit sind. Armando und damals sogar Mason haben sich am Anfang zwar schwergetan, am Ende aber voll überzeugt und sind dann auf einem völlig anderen Level zu Chelsea zurückgekehrt.
Vitesse-Besitzer Valeriy Oyf gilt als guter Freund von Roman Abramovich. Wie präsent ist er im Klub?
Letsch: Vor meiner Unterschrift haben wir uns in zwei Videocalls kennengelernt. Persönlich getroffen habe ich ihn erstmals nach dem Ende der vergangenen Saison. Davor war es wegen Corona leider nicht möglich. Auch wenn er seltener vor Ort ist, findet ein regelmäßiger Austausch statt. Er ist immer bestens informiert.