Vor eineinhalb Wochen war Todor Nedelev am wohl einzigen kleinen Lichtblick beteiligt, den die bulgarischen Fußball-Nationalmannschaft dieses Jahr zustande brachte. In der Anfangsphase der Nations-League-Partie gegen Nordmazedonien spielte er einen traumhaften Doppelpass mit Kiril Despodov, der zum zwischenzeitlichen 1:0 traf.
Das Spiel endete 1:1, es folgten eine 2:5-Heim-Blamage gegen Georgien, ein Trainerwechsel, ein peinliches 1:1 in Gibraltar und ein folgenschwerer Verkehrsunfall des Mannschaftsbusses auf dem Weg zum Nations-League-Spiel in Georgien, bei dem sich ausgerechnet Nedelev schwer verletzte. Er erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma und musste in einem örtlichen Krankenhaus operiert werden.
Gemeinsam mit den international ähnlich unbekannten Anton Nedyalkov und Kiril Despodov von Ludogorez Rasgrad gilt Nedelev als einer der besten bulgarischen Spielern der Gegenwart. Das sagt eigentlich schon alles, was man über den aktuellen Zustand der Nationalmannschaft wissen muss.
Bulgarien: Nachfolger von Stoichkov und Berbatov nicht in Sicht
Der 29-jährige Mittelfeldspieler Nedelev setzte sich beim 1. FSV Mainz 05 einst nicht durch, seit 2016 spielt er in der Heimat bei Botev Plovdiv. Chance auf den Meistertitel hat er dort keine, denn den gewinnt laut ungeschriebenem bulgarischen Gesetz immer Ludogorez Rasgrad: In der abgelaufenen Saison holte der von einem Pharmaunternehmen alimentierte Klub aus dem Norden des Landes zum elften Mal in Serie den Titel. Das schaffte bisher nicht einmal der FC Bayern München.
Anders als zu erfolgreichen früheren Zeiten kicken die Schlüsselspieler der Nationalmannschaft nicht bei berühmten ausländischen Klubs, sondern in der eintönigen heimischen Liga. Legitime Nachfolger von einstigen Stars wie Hristo Stoichkov (FC Barcelona) oder Dimitar Berbatov (Manchester United) sind nicht in Sicht.
Seit 2004 qualifizierte sich der WM-Halbfinalist von 1994 für kein großes Turnier mehr. In der Weltrangliste liegt Bulgarien auf Platz 73 zwischen dem Irak und El Salvador. Bei der Qualifikation für die WM in Katar landete die Mannschaft auf dem vorletzten Platz seiner Gruppe.
Anfang dieses Jahres setzte es zwei Testspielpleiten gegen Katar und Kroatien. In Erinnerung blieb davon vor allem eine Szene: Nachdem der bereits verwarnte Despodov zum zwischenzeitlichen 1:0 gegen Kroatien getroffen hatte, zog er sich sein Trikot aus - und sah Gelb-Rot. Es war die Einleitung des Tiefpunkts, der während der aktuellen Nations-League-Runde folgen sollte.
Nations League: Bulgarien droht der Abstieg
Nach dem 2:5 gegen Georgien trat der erst 2021 berufene Nationaltrainer Jassen Petrov zurück und erklärte: "Ich habe kein moralisches Recht zu bleiben." Der Präsident des Fußballverbands Borislav Mikhailov hatte das Stadion angeblich schon vor dem Abpfiff verlassen. In einer Erklärung tags darauf schrieb die Verbandsführung in einer Mitteilung von "starker Empörung" über die Leistung und einer "katastrophalen Niederlage".
Interimistisch übernahm die Nachfolge Sportchef Georgi Ivanov. Er heißt zwar wie ein berühmter bulgarischer Kosmonaut aus den 1970er-Jahren mit herrlichem Schnauzbart, verhalf der Mannschaft aber zu keinem Höhenflug. Ganz im Gegenteil: Es folgte das peinliche 1:1 in Gibraltar, der wohl größte Fußball-Erfolg für das Land mit seinen knapp 30.000 Einwohner. Zum Vergleich: In Bulgarien leben rund sieben Millionen Menschen.
In seiner Gruppe der Liga C liegt Bulgarien nun lediglich einen Punkt vor Gibraltar auf dem vorletzten Platz. Es droht somit der Abstieg in die unterste Liga, in der nur die sieben schwächsten Nationen Europas mitspielen. Am Sonntag steigt das Rückspiel gegen die noch verlustpunktfreien Georgier.