Der Ferrari in der Busspur

Von Carsten Germann
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© Getty

London - Diego war in der Stadt und kaum jemand hat es gemerkt. Vom Besuch der argentinischen Fußball-Legende Diego Armando Maradona in ihrer Gemeinde erfuhren die Bewohner der englischen Kleinstadt Cobham nur aus der lokalen Zeitung.

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Der 47-Jährige hatte sich im hochmodernen Trainingszentrum des FC Chelsea in der 11.000-Einwohner-Gemeinde Cobham umgesehen, ein bisschen mit Michael Ballack und Andrej Schewtschenko gescherzt, für die Fotografen posiert und sich dann ganz artig verabschiedet.

Die Maradona-Visite ist bezeichnend für den FC Chelsea und seinen Trainingsort Cobham, gut 25 Kilometer südwestlich von London. Bei den Blues ist man bemüht, die Dinge, die sich im beschaulichen Cobham rund um den Klub abspielen, möglichst unter der Decke zu halten. Die Stars sollen abgeschirmt bleiben. Es gibt kein öffentliches Training.

Wer das gigantische, im Sommer 2007 modernisierte Trainingszentrum, das Chelsea vor drei Jahren noch unrenoviert bezog, betreten will, blitzt ab.

30 Plätze und jede Menge High-Tech

Videokameras und ein Fingerabdrucks-Sicherheitssystem sichern die Chelsea-Stars in der futuristisch anmutenden Anlage vor den Fans und Medien. Das Chelsea-Areal in Cobham gehört zu den modernsten Trainingsanlagen der Welt. Es umfasst 30 bestens präparierte Trainingsplätze, ein Schwimmbad mit Unterwasserlaufband, ein Fitness- und ein Reha-Center - optimale Rahmenbedingungen für Ballack und Co.

"In Cobham bringen wir das Training unserer Profis und der örtlichen Jugendteams unter ein Dach", erklärte Chelsea-Geschäftsführer Peter Kenyon bei "BBC Sport" anlässlich der Einweihung im Juli 2007.

"Das neue Trainingscenter spielt eine Schlüsselrolle für den Klub und wir werden auch in Zukunft in die Entwicklungsprogramme der Gemeinde Elmbridge investieren", meinte Kenyon.

"Geringschätzung und Irritation"

"Die Ankunft des FC Chelsea in Cobham hat sich positiv auf Gesundheits-, Erziehungs- und Gemeinschaftsprojekte in allen Altergruppen ausgewirkt", freut sich Distrikts-Bürgermeisterin Rosemary Dane über die prominenten Anwohner. Viel Lob, aber es bleibt eine merkwürdige Distanz zwischen den in Cobham wohnhaften Chelsea-Stars und den Einheimischen.

"Das Auftauchen der Chelsea-Spieler hat die Menschen in Cobham leider auch an die Toleranzgrenze geführt", klagt Chris Tarrant, ein Nachbar des englischen Nationalspielers John Terry.

"Die Reaktionen schwanken zwischen snobistischer Geringschätzung und totaler Irritation."

Beispiele aus dem Alltag: Frank Lampard parkt seinen Ferrari gerne und provokant in der Busspur, John Terry handelte sich eine Beschwerde wegen Ruhestörung ein, als er das gesamte Team inklusive Betreuerstab zu einem feucht-fröhlichen PlayStation-Turnier eingeladen hatte.

Schokolade in den Briefkästen 

Um längerfristige Zaunstreitereien zu vermeiden, ließ Terry hinterher seinen Nachbarn Schokolade in die Briefkästen legen. Kuschelkurs ist auch in der Adventszeit angesagt: Dann schalten die Chelsea-Stars in einer feierlichen Zeremonie die vorweihnachtliche Straßenbeleuchtung ein.

"Man kann sagen, dass Chelsea Einfluss auf Cobham genommen hat", relativiert der ortsansässige Immobilienmakler Simon Ball gegenüber SPOX.com die Lage. "Aber der Verein hat die Stadt nicht komplett verändert und er hat eine Menge Gutes für die Gemeinde getan."

Dennoch hält sich der Spaßfaktor beim Shopping in Cobham in Grenzen. Die wenigen Autohäuser haben ihr Angebot ganz auf den Bedarf des FC Chelsea ausgerichtet und bieten fast nur noch hochpreisige Modelle der Marken Ferrari oder Aston Martin an. Boutiquen, Sonnenstudios, Restaurants und Juweliergeschäfte schrecken die Einheimischen in Cobham mit hohen Preisen ab.

Das anvisierte Neureichen-Klientel des FC Chelsea nimmt längst nicht alle Angebote an. "Als die ersten Chelsea-Spieler hier aufgetaucht sind, hab wir sogar einen Informationsabend für sie und ihre Frauen gemacht", berichtet der Juwelier Mark Reid im Gespräch mit SPOX.com. "Aber die meisten von fahren nach wie vor lieber zum Shopping nach London."

Immobiliensuche: Luxus "sells"

Cobham und der Chelsea-Faktor - Die Grundstückspreise sind mit dem Einzug der Blues in die idyllische Gegend am Flüsschen Mole um ein Vielfaches gestiegen.

Wer rund um Cobham ein Haus oder ein Grundstück erwerben will, muss mit exorbitanten Preisen zwischen 3,5 und 5 Mio. Euro rechnen.

"Die Präsenz der Chelsea-Spieler hat sich am meisten auf die Preise für Grundbesitz und auf die Mieten ausgewirkt", erklärt Ali Sophilpin vom Maklerbüro Frank Knight gegenüber SPOX.com.

"Chelsea hat das Dorf teuer gemacht und es ist für Menschen, die nicht gerade dem Berufsstand des Fußballprofis angehören, schwer geworden, in Cobham auf Immobiliensuche zu gehen." Doch obwohl regelmäßig Spieler des FC Chelsea oder ihre Berater in die Immobilienbüros kommen, kommen Simon Ball und sein Team selten zum Abschluss.

"Es ist sehr schwer, ihren Ansprüchen gerecht zu werden", klagt Ball. So habe sich der Michael Essien ein Haus angesehen und dann ungeachtet eines Wohnwertes von rund zwei Mio. Euro abgesagt. Trotz sechs Schlafzimmern war ihm das Haus zu klein.