Als Referee Phil Dowd das Spiel im Londoner Wembley Stadion am vergangenen Montag abpfiff, konnte man Brendan Rodgers nicht ansehen, ob sein Team nun gewonnen oder verloren hatte. Der Trainer von Swansea City stand einfach nur da, während auf dem Platz und im eigenen Fanblock die Hölle losbrach. Die Swans waren gerade als erster walisischer Verein überhaupt in die Premier League aufgestiegen.
Acht Jahre zuvor stand der Verein kurz vor der Pleite, Handwerker mussten phasenweise mit Dauerkarten bezahlt werden. An fußballerische Erfolge war nach jahrelanger Misswirtschaft sowieso nicht zu denken.
"Vor acht Jahren konnte der Verein nicht mal seine Stromrechnung bezahlen und jetzt haben wir ein 90-Millionen-Pfund-Spiel (ca. 103 Millionen Euro; d. Red.) gewonnen", sagte Rodgers nach dem Aufstieg bei "SkySports" voller Glück.
Der Verfall beginnt in den 80er Jahren
So glücklich waren die Jahre zuvor wahrlich nicht gewesen, wie ein kurzer Blick in die Vereinshistorie zeigt.
Zu Beginn der 60er Jahre ist Swansea der erste walisische Verein, der in einen europäischen Pokalwettbewerb einzieht. Zwei Dekaden danach gelingt den Südwalisern der Aufstieg in die höchste Spielklasse, die damalige First Divison.
1983 verpasst man den Klassenerhalt im Oberhaus, weitere Abstiege folgen und die Verbindlichkeiten des Klubs werden immer höher. Zu Beginn des neuen Jahrtausends steht Swansea schließlich finanziell und fußballerisch vor dem Ruin.
2003 kurz vor der Pleite
Die Swans spielen 2003 in der Third Division und liegen nach neun Spieltagen auf dem letzten Platz. In den vergangenen Jahren hat mehrfach der Besitzer gewechselt, darunter zweimal für ein symbolisches Pfund. Swansea stabilisiert sich zwar ein wenig im Verlauf der Spielzeit, braucht aber trotzdem am letzten Spieltag einen Sieg gegen Hull City, um die Klasse zu halten.
In einem Spiel, von dem die Existenz des Klubs abhängt, ringt Swansea Hull mit 4:2 nieder und macht den Klassenerhalt in letzter Minute perfekt. James Thomas, nur wenige Kilometer neben dem Stadion in Swansea aufgewachsener Stürmer der Swans, erzielt einen Hattrick. Zwei Tore davon per Elfmeter.
Der Sieg gegen Hull sollte richtungsweisend sein. In den folgenden Jahren arbeitet sich Swansea von der vierten Liga in die zweithöchste Spielklasse vor, plötzlich hat man die Gelegenheit, Geschichte zu schreiben. Was dem Erzrivalen aus Cardiff zwei Jahre zuvor verwehrt blieb, ist jetzt für die Swans möglich: der Austieg in die Premier League.
86.000 Fans in Wembley
Der 30. Mai 2011: Swansea steht vor dem größten Erfolg der jüngeren Vereinsgeschichte. Nach einer starken Saison sind die Swans in die Playoffs um den Aufstieg eingezogen, haben im Halbfinale Nottingham Forest eleminiert und stehen nun im Finale gegen den FC Reading.
Das legendäre Wembley Stadion ist beim Endspiel um den Aufstieg mit über 86.000 Zuschauern voll bis fast unter den Giebel. Zwei Tage zuvor lockte das Champions-League-Finale zwischen dem FC Barcelona und Manchester United an gleicher Stelle nur ein paar hundert Fans mehr ins Stadion.
Sinclair macht den Aufstieg klar
Nach 45 Minuten sieht alles nach einer klaren Sache für die Waliser aus. Swansea führt gegen ein schwaches Team aus Reading völlig verdient mit 3:0, der Aufstieg ist quasi perfekt. Doch in der zweiten Hälfte kippt das Spiel. Swansea kassiert direkt nach der Pause zwei Gegentreffer und wankt bedenklich. In der Schlussphase erzielt Scott Sinclair per Elfmeter doch noch das spielentscheidende Tor zum 4:2. Sinclair gelang in dem Spiel übrigens ein Hattrick, davon zwei Tore per Elfmeter. James Thomas lässt grüßen.
Die Highlights vom Playoff-Finale Swansea City vs. Reading FC bei "SkySports"
Rodgers gegen die Vergangenheit
Aber am 30. Mai ging es nicht nur um den Aufstieg in die Premier League, die Partie gegen den FC Reading hatte gleich zwei Nebenkriegsschauplätze. Der eine war Swansea-Coach Brendan Rodgers. Der hatte zu Beginn des letzten Jahrzehnts nicht nur mehrere Jahre unter Jose Mourinho als Trainer der Chelsea-Amateure gearbeitet, sondern auch einen Großteil seiner Spieler- und Trainerkarriere in Reading verbracht.
"Es war hart, einen Klub zu verlassen, den ich liebe. Deshalb konnte ich nach dem Schlusspfiff auch nicht jubelnd herumspringen", gab Rodgers einen Einblick in seine Gefühlswelt.
Deutlich trauriger ist die andere Geschichte dieses Spiels. Nach dem Triumph streiften alle Swans-Spieler T-Shirts mit dem Namen Besian Idrizaj und dessen Konterfei über. Der Österreicher war Spieler bei Swansea und verstarb fast genau ein Jahr zuvor im Alter von nur 22 Jahren völlig unerwartet an einem Herzleiden. Swansea hatte direkt nach der Tragödie entschieden, Idrizajs Trikot mit der Nummer 40 nie wieder zu vergeben.
Die Erinnerung an Idrizaj, der Aufstieg ausgerechnet gegen seinen Ex-Verein - Brendan Rodgers hielt sich am Tag des großen Sieges vor der Presse stark zurück und wirkte sehr in sich gekehrt. Erst am folgenden Tag hatte der Trainer der Swans seine Souveränität wiedererlangt und riskierte einen ersten Blick in die Zukunft.
Rodgers: "Kein Platz für Sentimentalitäten"
Man stehe auf einer Stufe mit Blackpool im letzten und Burnley vorletzten Jahr. Beide Teams waren in die Premiere League aufgestiegen, mussten den Platz im Oberhaus aber jeweils nach einer Saison wieder räumen.
Dementsprechend ernst will Rodgers den Kampf um den Klassenerhalt auch angehen, wie er bei "The Independent" betonte: "Ich habe in Reading gelernt, dass es im Fußball keinen Platz für Sentimentalitäten gibt. Ich will das Team nicht völlig auseinanderbrechen, aber ich werde neue Spieler dazuholen."
Wie das Abenteuer Premier League auch immer ausgehen mag, Swansea City hat schon mit dem Aufstieg Historisches geschafft. In der kommenden Spielzeit muss jedes Team erstmals mindestens einmal die Reise nach Wales antreten. Und durch die deutlich höheren Einnahmen dürften die Swans mittelfristig auch keine Probleme beim Begleichen der Stromrechnung haben.
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