Didi Hamann stand im WM-Finale, er gewann UEFA-Cup und Champions League, trug 59-mal das Trikot der deutschen Nationalmannschaft. So ein Mann, das ist die einhellige Meinung unter den Fußball-Fans in Hamanns Wahlheimat England, gehört in die Premier League.
Und tatsächlich: Wenn am Wochenende überschattet von den Krawallen überall im Land die Saison beginnt, gibt Hamann dort sein Trainer-Debüt. Wobei, nicht ganz: Sein Klub Stockport County spielt in der Blue Square Bet Premier League. 5. Liga. Amateurfußball.
Rückkehr nach Liverpool das Ziel
"Irgendwann", sagt Hamann, wolle er mal als Teammanager zum FC Liverpool zurück. Die Reds sind seine große Liebe, in der legendären Nacht von Istanbul gewann er mit ihnen 2005 die Champions League, seine Einwechslung beim Stand von 0:3 gegen den AC Mailand änderte alles. Seither verehren ihn die Fans als Scouser, als einen von ihnen. Doch für die Anfield Road fühlt sich Hamann noch nicht bereit. Die Gegenwart heißt Stockport, rund 4000 Zuschauer im Schnitt.
"Ich will lernen, und irgendwo muss man ja beginnen. Das ist für mich zum Anfang genau das richtige Niveau", sagte er dieser Tage dem Guardian. County eröffnet am Freitagabend bei den Forest Green Rovers die neue Spielzeit. "Das wird natürlich eine ganz andere Anspannung sein als die vor einem WM-Finale oder Endspiel der Champions League. Aber ich werde die Aufregung doch spüren", sagt Hamann. Er wolle Erfolg haben - und den Klub irgendwann in einem besseren Zustand zurücklassen als er ihn vorgefunden habe.
Vom Assistenten zum Chef
Als Hamann sein Amt vor einigen Wochen nach zwei Assistenztrainer-Posten bei den Milton Keynes Dons und Leicester City (unter Sven-Göran Eriksson) antrat, lag der Verein in Trümmern.
Nach 106 Jahren Profifußball waren die Hatters (Hutmacher) erstmals in die erste Amateurklasse abgestürzt, gerade einmal drei Spieler standen noch unter Vertrag, das Stadion im Edgeley Park wird mit einem Rugby-Team geteilt. Ein mysteriöses Konsortium übernahm den maroden Verein und holte Hamann, der selbst zugibt, nicht allzu viel über die Investoren zu wissen. "Das scheinen nette Leute zu sein", meint er nur.
Hamann hätte wohl auch einen Klub in der Championship, der zweithöchsten Liga gefunden, doch in Stockport reizte ihn die Größe der Aufgabe. "Als ich 1998 nach England kam, war Stockport noch eine gute Zweitliga-Mannschaft und auf dem Sprung in die Premier League", sagt er. County ist für Hamann trotz aktueller Probleme "ein großer Klub. Wenn du Herausforderungen nicht annimmst, wirst du im Fußball nie das erreichen, was du erreichen willst."
Große Pläne mit Stockport
Der neue Besitzer Tony Evans hat mit Stockport und Hamann Großes vor. An erster Stelle steht die möglichst sofortige Rückkehr in die League Two, zudem soll bald ein neues, klubeigenes Stadion gebaut werden.
Eine gewisse Exzentrik erlaubt er sich jedoch auch. Unlängst ließ er im Internet darüber abstimmen, ob der Klub Stürmer George Donnelly von Fleetwood oder Angreifer Jamie Vardy aus Halifax verpflichten solle. Die Fans wollten Donnelly. "Letztlich ist es aber Didi, der darüber entscheidet, welche Spieler wir holen", betonte Evans.
Neben der Abwicklung von Spielertransfers kümmerte sich Hamann bei County zunächst um die Professionalisierung. "Als ich hier herkam, gab es nach dem Training Weißbrot-Sandwiches oder Curry", sagt er. Der nächste Schritt war die Umsetzung seiner Vorstellung von Fußball. Flach spielen und Ballbesitz - das sind seine Grundsätze.
Die Vorbereitung sei "flüssig" gelaufen, meint Hamann, nun erwartet er mit Spannung den Start. Eins steht für ihn fest: "Ich kann den Unterschied ausmachen." Und irgendwann in der echten Premier League ankommen.