Wenn Ryan Giggs sagt, dass er nicht Fußballer geworden ist, um reich und berühmt zu werden, sondern nur um erfolgreich zu sein und Spaß zu haben, dann glaubt man ihm das. Giggs ist heute einer der reichsten Fußballer Großbritanniens und hätte sich längst zur Ruhe setzen können. Er unterschreibt seit fünf Jahren nur noch Ein-Jahres-Verträge, deren Summen nicht größer werden.
Und doch kann man es ihm nicht verdenken, dass er dieses Auto wollte.
1991 war Ryan Giggs gerade erst Profi bei Manchester United geworden und spielte sich bei den Red Devils in der Mannschaft fest. In der Kabine erzählten ihm die älteren Spieler, dass ihnen ein Auto geschenkt wurde, nachdem sie 25 Mal für United gespielt haben und er auch bald dran sei.
"Du kriegst höchstens ein Fahrrad"
Der junge Ryan wurde zwar hellhörig, wusste aber nicht so genau, was er machen sollte. "Also habe ich Leute wie Bryan Robson oder Steve Bruce gefragt, ob ich denn wirklich ein Auto bekommen würde", erinnert sich Giggs. Bryan und Steve werden mich doch auch nicht veralbern, dachte er sich. "Sie sagten: ‚Ja klar, frag' den Trainer. Du bist jetzt Profi und gehörst fest zur Mannschaft."
Nach seinem 20. Einsatz sammelte der Jungspund all' seinen Mut und klopfte bei Alex Ferguson an. "Ich sah nur noch, wie er lila anlief", lacht Giggs. "Ein Auto? Du kriegst höchstens ein Fahrrad", antwortete Sir Alex so trocken, wie man es von ihm kennt. "Als ich das Büro verließ, standen die Jungs vor der Tür und krümmten sich vor Lachen."
Ob diese Erfahrung ihn dazu verleitete, seine Garage heute mit mehreren Luxuskarossen zu füllen, ist nicht überliefert. Giggs spricht ungern darüber, was außerhalb des Platzes passiert. Also auch nicht über seine Autos. Sir Alex lief damals lila an, aber den Jungen, den er einst mit 14 zu United zu holte, liebte er. Er saß damals im Wohnzimmer seiner Mutter, als der junge Ryan Wilson - so hieß er damals noch - vom Fußballspielen heimkam. Noch dort versprach er ihm: "Ich mache dich mit 17 zum Profi." Er hielt Wort und wurde wie eine Art Vater.
Keine PR-Maschine
Er kümmerte sich um ihn so sehr, dass Ferguson Giggs bis zu dessen 20. Lebensjahr verbot, Interviews zu geben. Und als Giggs endlich mit den Medien sprechen durfte, stand Ferguson daneben und passte genau auf, was sie ihn fragten. Wenn es ihm zu bunt wurde, brach er das Interview ab. Der Schotte prägte ihn, sodass Giggs auch in seiner Blütezeit nie zum Lautsprecher wurde.
Und dabei ist es bis heute geblieben. Giggs ist seit Freitag 40 Jahre alt, er hat mehr Spiele als jeder andere bei Manchester United, ihn gibt es im englischen Profifußball länger als die Premier League und dennoch wirkt er manchmal immer noch wie der schüchterne 17-Jährige, der sich von den älteren Spielern veralbern lässt.
Womöglich macht ihn genau das zu einem der beliebtesten Spieler des Planeten. Er ist keine PR-Maschine wie viele andere, sondern der Junge, der seit Jahrzehnten seinen Traum lebt und dabei so normal geblieben ist, wie es in diesem Metier nur geht.
Bei United haben sie ihn schon längst heiliggesprochen.
Sir Alex spendete ihm freilich ein eigenes Kapitel in seiner Autobiographie. Sein Nachfolger David Moyes, der den Waliser in einer zweiten Funktion auch als Assistent in seinem Trainerteam begegnet, sagt: "Es ist für mich ein Privileg, mit ihm zusammenzuarbeiten. Seitdem ich mit ihm unter einem Dach bin, sehe ich ihn noch viel intensiver. Er ist einfach unglaublich."
"George Best war so eine Art Ryan Giggs"
United-Legende George Best sagte lange vor seinem Tod: "Eines Tages werden sie vielleicht mal sagen: 'George Best war so eine Art Ryan Giggs.'" Mehr Huldigung geht nicht.
Bei Auswärtsspielen wird er mitunter gefeiert, bei gegnerischen Spielern sorgt er dagegen für Verwunderung: "Wissen Sie was", sagt Wayne Rooney. "ich habe es aufgegeben, Worte über Ryan zu finden. Aber ein Leverkusener Abwehrspieler fragte mich während des Spiels, wie Ryan mit 40 noch so spielen kann. Ich könnte das nicht", sagte der ManUnited-Stürmer nach dem 5:0 in der BayArena.
"Ich weiß nicht, wie alt ich da war, aber ich kann mich erinnern, wie wir als Kinder im Garten Fußball spielten und ich Ryan Giggs war", sagt Mitspieler Tom Cleverley. Einige seiner Kollegen waren noch gar nicht geboren, als Giggs erstmals für Manchester United spielte.
Kein Tropfen Alkohol
Die Opta-Daten verraten die Wucht des Geschichte: Der Waliser hat mehr Titel gewonnen als jeder andere Spieler in der Geschichte des englischen Fußballs. Er hat mehr Premier-League-Spiele für einen Klub absolviert, als jeder andere Spieler (626, 109 Tore) und war zudem der einzige Spieler, der in jeder Saison seit Bestehen der Premier-League getroffen hat. Und: Giggs ist der erste Spieler, der 100 Premier-League-Tore für Manchester United erzielte.
Das Geheimnis seines Erfolgs kann Giggs selbst kaum definieren. Dass er seit zehn Jahren keinen Tropfen Alkohol trinkt und regelmäßig Yoga betreibt, mögen Gründe sein. Aber vor allem ist es wohl die Art und Weise seiner Herangehensweise: "Manchmal kann es sehr hart sein", sagte er. "Aber es macht mir immer noch Spaß."
Daher denkt er auch noch nicht ans Aufhören. David Moyes würde ihm sofort wieder einen neuen Ein-Jahres-Vertrag für die nächste Saison geben. "Es ist nichts, worüber ich grüble. Wenn es so kommt, schön", sagt Giggs.
Das Alter spielt eh längst keine Rolle mehr: "Als ich 17 oder 18 war, dachte ich, 31 sei steinalt. Und hier bin ich, mit 40."
Ryan Giggs im Steckbrief