Vergessener Stern des Südens

Von Michael Berndt
Top-Talent Jennings wartet weiter auf seinen Durchbruch im Profi-Fußball
© getty

Dale Jennings kam 2011 als neues Super-Talent zum FC Bayern. Vergleiche mit Franck Ribery machten die Runde an der Säbener Straße. Allerdings blieb der Engländer in seiner Zeit bei den Münchnern aufgrund von Verletzungen vieles schuldig. Zurück auf der Insel geriet der Flügelflitzer trotz Familienglück schnell in die Kritik, hat aber bei MK Dons wieder die Chance, sich in den Fokus zu spielen.

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13. November 2010. Der Ball kommt auf die linke Flanke, Dale Jennings nimmt sich des Spielgeräts an, dribbelstark und blitzschnell läuft er die Linie entlang, zieht nach innen, lässt mit zwei Körpertäuschung die Abwehr stehen und schließt mit rechts eiskalt in die rechte untere Ecke ab. Ein Tor, das jedem Stürmer gut steht, selbst wenn er nur bei Tranmere Rovers in der dritten englischen Liga kickt.

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Ein Treffer, den auch die Scouting-Abteilung des FC Bayern wohl zu sehen bekam. Und mehr: Seine Beschleunigung gepaart mit seiner Bulligkeit erinnerten stark an Franck Ribery oder Wayne Rooney - die spektakulären Tore ebenfalls. Wochen vor dem Traumtor schoss der damals 18-Jährige seinen heutigen Arbeitgeber Milton Keynes Dons im Alleingang mit zwei Toren und zwei Vorlagen ab. Die Saison schloss er mit ordentlichen sechs Toren und fünf Assists ab. Grund genug, den von Everton und Liverpool umworbenen Flügelflitzer an die Isar zu holen.

Und auch für Jennings gab es keine Zweifel, das Abenteuer Deutschland zu wagen. "Ich wollte zu Bayern, sie sind einer der besten Vereine der Welt. Mein Trainer Les Perry fragte mich, ob ich andere Angebote prüfen möchte. Mir war aber klar, ich gehe nach München."

Anfangs nur für die Reserve geplant, zeigte sich der Liverpooler damals gegenüber der tz optimistisch. "Hoffentlich schaffe ich es auch bald in die erste Mannschaft." Wünsche, die schnell der Realität wichen.

Ein Bänderriss zum Einstand

In den ersten vier Spielen bei der zweiten Mannschaft saß der hochveranlagte Brite auf der Tribüne. Anschließend führte Trainer Andries Jonker den 1,70 Meter und 70 Kilogramm schweren Kugelblitz Schritt für Schritt an die Gangart der 3. Liga heran. Ab September 2011 stand Jennings in der Startelf der Münchner.

Spektakuläre Läufe und Treffer wie auf der Insel blieben aus, dennoch stieg er bei den Fans aufgrund seiner engagierten, bisweilen ruppigen Spielweise (fünf Gelbe Karten in 16 Partien) zum Publikumsliebling auf. Ein folgenschwerer Bänderriss im linken Knie verhinderte weitere Einsätze in der Hinrunde.

Das Comeback in der Rückrunde brachte weitere zwölf Einsätze, insgesamt verlief die Saison aber enttäuschend.

"Es ist eine ganz andere Art Fußball hier. Ich habe mich erst spät daran gewöhnt. Ich bin noch ein bisschen zu aggressiv, habe mir deshalb eine paar Kartons abgeholt. In Deutschland geht es technischer zu mit mehr Passen und mehr Bewegung", gestand er zum Abschluss seiner Premieren-Saison.

Goldener Herbst und Schwarzer Frühling

Im zweiten Jahr in der Regionalliga lief es anfangs besser: Jennings, dessen Beine stark an die von Gerd Müller erinnern, wurde von Neu-Coach Mehmet Scholl in die Sturmspitze beordert - mit Erfolg. Gegen den TSV Rain/Lech legte er sein erstes Tor auf. Zwei Wochen später markierte er gegen die Würzburger Kickers und den FC Augsburg II seine ersten beiden Treffer.

Seine kurze Glückssträhne blieb auf der Insel nicht unvermerkt. Mark Hughes, 1988 selbst bei den Bayern aktiv, lobte Jennings' Schritt Richtung Deutschland: "Wenn er alles aufnimmt, was Bayern ihm bietet, wird er es lieben. Ich selbst hatte das Glück, dort sechs Monate zu spielen. Trotz der kurzen Zeit habe ich dort viel mitgenommen. Bayern geht bei der Entwicklung und der Spielvorbereitung bis ins kleinste Detail und überlässt nichts dem Zufall. Eine tolle Gelegenheit für den Jungen."

Bevor Jennings durchstarten konnte, verletzte er sich an der Leiste, kurz darauf streikte die linke Kniescheibe erneut. Die Folgen: OP in einer österreichischen Spezialklinik Anfang 2013 und eine mehrwöchige Zwangspause. Für den damals 20-Jährigen keine leichte Zeit: "Hat jemand ein neues Knie für mich?", twitterte der Verletzte damals mit Galgenhumor, außerdem stellte er während der Rekonvaleszenz Bilder von Selbstgekochtem und rohem Rindfleisch in der Pfanne ein und meckerte über die englische Fußballlandschaft. Jennings zwitscherte folglich mehr, als er im Kraftraum und auf dem Platz stand. Ein Pflichtspiel für den FCB sollte er nicht mehr absolvieren.

Nach 36 Spielen in der zweiten Mannschaft stand für Jennings eine Rückkehr nach England fest. "Ich hatte noch ein Jahr Vertrag und Zweifel, in die erste Mannschaft zu kommen. Ich fühlte mich ausgebrannt und hatte Probleme mich einzugewöhnen, es war Zeit zurückkehren", so die frühere Nummer 11 der Bayern-Reserve gegenüber der BBC. Heimweh und die Schwangerschaft seiner Freundin Hayley nannte er als weitere Beweggründe.

Zwischen Familienglück und Konditionsproblemen

Im Sommer 2013 wechselte Jennings für knapp 300.000 Euro zum Zweitligisten FC Barnsley. In der Heimat fand er mit Töchterchen Mila - er postet regelmäßig Bilder mit ihr auf Twitter und Instagram - sein privates Glück.

Sein sportlicher Einstand hingegen gestaltete sich schwierig. Sechs Minuten nach seiner Einwechslung gegen Wigan Athletic im ersten Spiel für seinen neuen Arbeitgeber legte sich der heißspornige Jennings mit seinem Gegenspieler an und flog postwendend vom Platz.

Von seinem Talent überzeugt, aber von seiner Unbeherrschtheit wenig amüsiert, transferierten ihn die Nordengländer im November 2013 für sechs Wochen zu den Milton Keynes Dons eine Liga tiefer. Unter Karl Robinson - mit 29 Jahren jüngster Trainer mit einer UEFA-Lizenz - durfte er sechsmal von Beginn an ran.

Ab Neujahr zurück in Barnsley spielte er meistens durch, verbuchte drei Tore und drei Assists in der Rückrunde, den Abstieg seiner Truppe konnte er trotzdem nicht verhindern. Der Abwärtstrend setzte sich fort: Zwar sprang zu Beginn der Saison 2014/2015 ein Tor heraus, ab der Rückrunde befand sich der Offensiv-Allrounder aber meistens auf der Bank.

Seinen letzten Profieinsatz feierte Jennings wegen Fitnessmängeln im März. Sein Vorgesetzter Lee Johnson beschwerte sich darüber öffentlich im Daily Star: "Du spielst bei mir nicht, wenn du nicht laufen kannst. Ich meine nicht, er kann überhaupt nicht rennen, aber momentan müsste er deutlich mehr tun."

Die Yellow Press schrieb nonchalant "Vom Aufstieg und Fall des Dale Jennings". Anfang Juni einigten sich beide Partien auf eine Vertragsauflösung.

MK Dons als Chance

Zum 1. Juli heuerte Jennings erneut bei den MK Dons an. Manager Karl Robinson erinnerte sich positiv an Jennings' Vier-Punkte-Match vor fünf Jahren und an die Kurzleihe 2013, machte aber zugleich eine klare Ansage in Richtung des twitterfreudigen und trainingsfoulen Neuzugangs: "Das ist eine Chance für Dale. Er weiß, er hat einiges an Arbeit vor sich. Beim letzten Mal hat er gezeigt, was er kann und seinen Beitrag zu guten Ergebnissen geleistet."

Robinson, eines der größten Trainer-Talente Englands, feierte mit MK Dons in der abgelaufenen Saison den Aufstieg in die 2. Liga. Besonders der letztjährige Triumph über Manchester United in der zweiten Runde des FA Cups wird für immer einen Platz in der Vereinshistorie haben.

Am 26. August 2014 zerlegte sein Team die Red Devils und Louis van Gaal mit 4:0, United-Schreck Dele Alli schaffte daraufhin den Sprung zu den Tottenham Hotspur in die Premier League.

Für Jennings sind die MK Dons ein Neuanfang. Mit Robinson schenkt ihm wie in München ein ambitionierter Übungsleiter das Vertrauen. Nun liegt es am ihm, die Lockerheit und die Unbekümmertheit, die ihn in den sozialen Netzwerken auszeichnen, auf das Spielfeld zu bringen. Die Rahmenbedingungen und seine Anlagen sind zweifelsfrei vorhanden, um ähnlich wie Dele Alli aufzusteigen. In München bleibt er wohl auf ewig ein vergessener Stern des Südens.

Dale Jennings im Steckbrief

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