Am Sonntag (17.30 Uhr im LIVESTREAM und auf Facebook) spielen der FC Liverpool und Manchester City das Finale des Capital One Cup aus. Die SPOX-Redakteure Andreas Lehner und Benedikt Treuer, GOAL-Redakteur Christoph Köckeis sowie GOAL-Liverpool-Korrespondentin Melissa Reddy diskutieren die wichtigsten Fragen rund um beide Teams und LFC-Trainer Jürgen Klopp.
Wie viel Klopp steckt schon in dieser Liverpooler Mannschaft?
Andreas Lehner (SPOX): In einzelnen Momenten und Spielen scheint der Klopp-Fußball schon durch. Die Ergebnisse gegen die großen Teams passen, das heißt, dass die Underdog-Rolle schon funktioniert. Verteidigen, Pressen, Zweikämpfe gewinnen, Umschalten. In dieser Saison wird das nicht mehr für eine Spitzenposition reichen, aber Klopp bewerte ich vor allem ab der nächsten Saison. Er braucht die Vorbereitung und noch den einen oder anderen Spieler für seine Idee.
Benedikt Treuer (SPOX): Klopps Philosophie basiert auf zwei Dingen: Spielverständnis und Emotionalität. Und in beiden Aspekten ist der Trainer eingeschränkt: Viele seiner Spieler weisen immer wieder grobe taktische Undiszipliniertheiten auf, zu häufig mangelt es an Spielintelligenz. In Sachen Emotion hat es Klopp dahingehend schwer, dass die Sprache offensichtlich doch noch ein größeres Hemmnis darstellt als zuerst gedacht. Die Entwicklung geht daher nur sehr schleppend voran. Bis man wirklich vom Klopp'schen Fußball sprechen kann, wird es mindestens bis zur nächsten Saison dauern - und neue Spieler benötigen.
Christoph Köckeis (Goal): Die Frage müsste eher sein, wie viel Klopp in dieser Mannschaft überhaupt stecken kann: Als er in Liverpool übernahm, lief die Saison auf Hochtouren. Er wurde in ein gemachtes Nest gesetzt, hatte weder Einfluss auf die mangelhafte Transferpolitik, noch Zeit, um sein Leitbild zu implementieren. Natürlich sind die Klopp'schen Elemente nicht zu übersehen. Sie überforderten ManCity beim 4:1 vor einigen Wochen. Die Ansätze lassen hoffen, jedoch sind es bloß Ansätze. Bis zum Sommer ist Klopp eine Art Lückenstopfer. Er wird limitiert, vom Terminkalender und dem eindimensionalen Kader.
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Melissa Reddy (Goal-Liverpool-Korrespondentin): Jeder in Liverpool, egal ob Spieler oder Mitarbeiter, hat gemerkt, dass Jürgen Klopp seit seiner Ankunft im Oktober große Änderungen vorgenommen hat. Das einzige Problem liegt darin, dass die Mannschaft es nicht schafft, den "Kampf-Fußball" von Klopp konstant zu zeigen. Das liegt sowohl an der Verletztenmisere als auch der schwierigen Übergangsphase. Der 4:1-Sieg gegen Manchester City in der Premier League hat verdeutlicht, wozu die Mannschaft unter Klopp im Stande ist.
Was würde ein Titel in der ersten Saison für Klopp bedeuten?
Andreas Lehner (SPOX): Er hätte damit erstmal Ruhe. Silberware lassen Fans und Eigentümer strahlen, auch wenn es der am wenigsten wichtige Wettbewerb der Saison ist. Außerdem könnte sich Klopp gleich mal ein Image als Winner auf der Insel aufbauen.
Benedikt Treuer (SPOX): Ich bin voll bei Anderl: In erster Linie würde er sich etwas mehr Zeit verschaffen und sich die zunehmende Skepsis an seiner Arbeit vom Hals halten. Egal wie oft Klopp betonte, nicht der Heiland zu sein, der den Verein innerhalb einer Woche wieder an die nationale Spitze führt, ganz England erwartete genau das von ihm. Mit diesem - zugegebenermaßen kleinen - Titel würde er zeigen, dass die in ihn gesetzte Hoffnung ihre Berechtigung hat. Der Capital One Cup hilft ihm aber nur für's Zwischenzeugnis, auf Dauer wird er an der Liga-Platzierung gemessen.
Christoph Köckeis (Goal): Ein Titel würde zweifelsfrei den Klopp-Hype verlängern. Er würde die Fans in ihrem Glauben und in ihrer Hoffnung bestärken. Sie, der Klub dürsten nach Erfolg. Irgendwann soll die Premier League her. 26 Jahre wartet man nun darauf. Ob es 27 werden - pfeif' drauf. Aber: Klopp muss es richten. Einzig daran wird er gemessen. Mehr als die schönste Nebensache der Reds-Welt wäre der Capital One Cup also nicht. Unterstreichen würde er, dass Klopp auf der Insel funktioniert - das tut er nämlich.
Melissa Reddy (Goal-Liverpool-Korrespondentin): Liverpools letzter Titel liegt vier Jahre zurück. Nach nur vier Monaten bei den Reds hofft Klopp, dass er seinen ersten Titel in England feiern kann. Dass er die Mannschaft trotz akuter Personalsorgen überhaupt ins Finale geführt hat, ist bereits ein Erfolg. Ein Triumph am Sonntag würde den Fans und der jungen Mannschaft helfen, daran zu glauben, dass Klopp in der Saison 2016/17 etwas noch Größeres aufbauen kann.
ManCity in der Krise: Ist Pellegrini eine lame duck?
Andreas Lehner (SPOX): Da steckt für mich auch die Frage dahinter: Wie viel Macht hat ein Trainer eigentlich wirklich? In der Liga zeigt die Kurve seit dem feststehenden Abschied Pellegrinis nach unten, den FA Cup hat der Trainer hergeschenkt. Gut möglich, dass sich Pellegrini voll auf die Champions League konzentriert und seine Spieler da mitziehen. Aber dieser Titel ist alles andere als planbar. Und City hat für mich nicht die Klasse von Barca, Bayern oder Real.
Benedikt Treuer (SPOX): Es wäre viel zu einfach, den jüngsten Misserfolg auf den Trainer abzuwälzen. Zugegeben, in München spürt man deutlich intensiver, dass das Team noch hinter dem scheidenden Coach steht. Und dennoch: Pellegrini wird nichts unversucht lassen, in seinen letzten Monaten noch so viele Spiele und Titel zu gewinnen wie möglich. Schließlich geht es auch für ihn um eine neue Beschäftigung andernorts. Der überzeugende 3:1-Sieg in Kiew hat gezeigt, dass sich City keinesfalls gehen lässt.
Christoph Köckeis (Goal): Pellegrini ist keine "lame duck". Er ist der teuerste Platzhalter der Welt - gefangen im Teufelskreis Pep. Seit eineinhalb Jahren wurde Guardiola zu ManCity geschrieben. Kaum auszumalen, wie Jose Mourinho reagiert hätte, wäre er beinahe jede Woche von der Presse damit konfrontiert worden. Von üblen Hasstiraden bis hin zum wortlosen Rücktritt wäre alles denkbar. Pellegrini allerdings tickt anders. Er ist ein Gentleman, wird seinen Job ohne Rundumschlag quittieren. Nur das ewige Stuhl-Gesäge hat teamintern Risse hinterlassen. Kommt es hart auf hart, werden nicht alle Spieler für ihn kratzen und beißen.
Melissa Reddy (Goal-Liverpool-Korrespondentin): Seit Manchester City offiziell bekanntgegeben hat, dass Pep Guardiola Manuel Pellegrini als Trainer ersetzt, hat der Klub begonnen zu wanken - daran besteht kein Zweifel. Diesen Monat haben sie nur einen einzigen Sieg geholt und sich gegen Sunderland sehr schwer getan, bevor das Team Niederlagen gegen Leicester, Tottenham und Chelsea hinnehmen musste.
Wie schwer wiegt der Ausfall von De Bruyne?
Andreas Lehner (SPOX): Mich überzeugt Citys Kader in der Breite nicht, so dass De Bruynes Verletzung ein Loch in die Mannschaft reißt. Er ist sicher noch nicht ganz so wichtig wie in Wolfsburg, aber aufgrund seiner Fähigkeiten als Vorbereiter und Vollstrecker schon jetzt ein Fixpunkt. Einen Eins-zu-eins-Ersatz hat City auf jeden Fall nicht.
Benedikt Treuer (SPOX): Entgegen vieler Annahmen war De Bruyne von Anfang an fester Bestandteil der Stammelf der Skyblues und zahlte das bis zu seiner Verletzung mit Leistung zurück. Offensiv bedeutet sein Ausfall einen deutlichen Qualitätsverlust. Denn meiner Meinung nach ist City nicht nur in der Breite, wie Anderl sagt, sondern auch in der Spitze nicht mehr weltklasse besetzt. Im europäischen Vergleich ist der Kader maximal mittelprächtig - ohne De Bruyne erst recht.
Christoph Köckeis (Goal): De Bruyne kann man nicht ersetzen. Das bekommt auch der VfL Wolfsburg zu spüren. Anstatt den FC Bayern zu jagen, blickt der Vize-Meister mit 28 Punkten Respektabstand neidisch gen Spitze. Einen Ausnahmekönner wie KDB zu verlieren, bedeutet nämlich, ein Kern-Element des eigenen Auftretens zu verlieren. Vor allem in Partien, in denen Genieblitze über Schein oder Sein entscheiden, fehlt er. Ich bin überzeugt: Der Ausfall wird City den Titel kosten. Immerhin war De Bruyne bis zur Verletzung an 25 Toren beteiligt - in 30 Spielen. Noch Fragen?!
Melissa Reddy (Goal-Liverpool-Korrespondentin): Es ist ein herber Verlust für City. Er zeigte, wie er das Offensivspiel inspirieren kann. Neben seinen zahlreichen Toren und Assists konnte er die meisten Chancen für seine Teamkollegen kreieren. Sie haben natürlich ebenfalls große Qualität, aber De Bruynes Ausfall können sie nicht auffangen. Nicht nur die Statistik, vor allem sein Fußball-IQ wird schwer zu ersetzen.
Wer/was macht im Finale den Unterschied?
Andreas Lehner (SPOX): In der Liga hat Liverpool ManCity überrascht. Das dürfte am Sonntag nicht nochmal passieren. Aber mit der Geschwindigkeit ihrer Offensive können die Reds den Citizens enorm weh tun. Wenn City die Konter unterbinden kann und die Verteidiger nicht allein gelassen werden, haben die Skyblues Vorteile. Aber ich glaube, dass sich Liverpool durchsetzen wird.
Benedikt Treuer (SPOX): Die besser eingestellte Abwehrreihe. Denn die sind auf beiden Seiten langsam, unbeweglich und zuweilen komplett fahrlässig. Gegen die umso stärkeren Offensiven beider Mannschaften könnte das brutal enden. Entsprechend kann ich mir auch ein ähnliches Ergebnis wie in der Liga vorstellen - in welche Richtung auch immer. Auch ein völlig verrücktes 5:4 schließe ich nicht aus. Es wird ein Spektakel geben. Wer hinten einmal mehr den Fuß dazwischen bekommt, gewinnt.
Christoph Köckeis (Goal): Kloppo macht den Unterschied. Nicht, weil er in der Schatzkiste kramt und fündig wird. Nein. Wie er die gegnerischen Stars triezen möchte, zeigte er beim 4:1 in der Liga - und damit wird er niemanden überraschen. Klopp ist kein Virtuose, der für eine Begegnung die Taktik über den Haufen wirft. Sein Ansatz: Perfektionieren geht über Experimentieren. Jeder Akteur wird genau wissen, was er zu tun hat, was er zu erwarten. Und viel wichtiger: Jeder wird bedingungslos dahinter stehen. Das Finale entscheidet sich über die Mentalität. Klopp ist ein Mentalitätsmonster und er weiß, solche zu erschaffen.
Melissa Reddy (Goal-Liverpool-Korrespondentin): Philippe Coutinho und Roberto Firmino haben schon im November gezeigt, wie man Citys Defensive entblößt. Sie agierten brillant und erhalten mit Daniel Sturridge nun schlagkräftige Unterstützung. Er kam zwar aufgrund von Verletzungen erst auf neun Einsätze, aber erzielte fünf Tore. Wichtig wird sein, dass die verwundbare Liverpool-Abwehr David Silva und Sergio Agüero in den Griff kriegt. Klar ist: Liverpool wird ähnlich aggressiv auftreten wie beim letzten Mal - speziell ohne Ball.