"Football is not a wish concert", mahnte Jürgen Klopp wenige Wochen nach Antritt seines Amts beim FC Liverpool. Er versteht es gut, die Aufmerksamkeit mit kultigen Sprüchen wie diesem auf sich zu lenken, für gute Stimmung im eigenen Lager wie bei den Medien zu sorgen und somit in relativer Ruhe arbeiten zu können.
Und doch steckte mehr hinter diesem Witz vom "wish concert". Klopp wählt seine Worte bedacht, auch in diesem Fall. Nach der Entlassung von Brendan Rodgers sollte er die Reds sofort in die Erfolgsspur zurückführen. Fans, Spieler und sogar Gegner waren gespannt, was der deutsche Übungsleiter auf die Insel mitbringen würde.
Vor dem ersten Finale in der noch kurzen Liverpool-Karriere Klopps lässt sich seine bisherige Zeit eben genauso am besten zusammenfassen: "Football is not a wish concert." Weder hat man mit dem klopp'schen Pressing die Premier League im Sturm erobert, noch fegte das schnelle Umschaltspiel über die Gegner hinweg.
Spielertypen passen nur bedingt
Liverpool hat Probleme. Jede Menge. Und doch gibt es Fortschritte, die das Trainerteam verzeichnet. Zahlreiche Verletzungen, hohe Belastung verbunden mit wenig Trainingszeit haben den Entwicklungsprozess nur verlangsamt, nicht zum Erliegen gebracht. Viele Dinge haben sich geändert und doch wird Klopp noch nicht zufrieden sein.
Schon beim Erstellen einer Grundordnung beginnen die Sorgen. Der Kader, der Klopp zur Verfügung steht, ist nicht ausgeglichen und schon gar nicht nach den Wünschen des Ex-BVB-Coachs gestaltet. Die individuelle Qualität in der Defensive ist niedrig, die Verteidiger nicht nur mit Ball am Fuß unsicher, sondern auch gegen den Ball nicht ausgelegt für ein hohes Pressing, wie es Klopp bevorzugt.
Das defensive Mittelfeld ist nicht sonderlich aufbaustark, die Offensive mit zahlreichen Halbspielern besetzt, die sich am wohlsten fühlen, wenn sie nach innen ziehen können. Echte Flügelspieler findet man kaum, am ehesten wohl der junge Jordon Ibe. Erste Überlegungen von Klopp resultierten in einem 4-3-3 mit sehr enger Offensive, die Außenverteidiger mussten meist Breite geben.
Suche nach der Grundordnung
Ein paar Anpassungen später sah man Liverpool in einer 4-3-2-1-Ordnung, das defensiv zwar große Stabilität aufwies, dafür aber im Umschaltspiel nach vorne zu wenig Durchschlagskraft entwickelte. Das 4-2-3-1, in Dortmund oft erste Wahl, ist zwischenzeitlich ebenfalls immer wieder zu erkennen gewesen.
Die verschiedenen Spielerrollen dürften ausschlaggebend gewesen sein für die Umstellungen der Grundordnung. Selten hatte Klopp die gleichen Spieler zur Hand wie im Vorspiel, erst im weiteren Verlauf der Saison erfolgten individuelle Anpassungen auf die Gegner. Einige Elemente blieben dennoch immer gleich.
Für mobile Nutzer: Liverpools Grundordnungen im 4-3-3 und 4-2-3-1
Zum einen ist dort James Milner, oft eingesetzt als beweglicher Spieler zwischen Halbraum (Achter) und Flügel (rechts oder linkes Mittelfeld). Der Engländer hat es Klopp sichtlich angetan, trägt er doch die Balance des Teams zu großen Teilen auf seinen Schultern. Ähnlich ergeht es Jordan Henderson, der sich langsam an seine Zeiten beim AFC Sunderland zurückerinnert fühlen dürfte.
Dort kam der auserkorene Nachfolger von Steven Gerrard viel auf dem rechten Flügel zum Einsatz, mit den Reds in dieser Saison geht es immer mehr in diese Richtung. Im 4-3-3 oft als rechter Achter aufgeboten, hat Henderson viele Aktionen an der Seitenlinie und agiert - ähnlich wie Milner - in einer Doppelrolle.
Das Pressing beginnt
Sie stellen damit sicher, dass ihre Vorderleute wie gewohnt nach innen ziehen können, und somit löst Klopp zumindest ansatzweise das Problem der fehlenden Flügelbesetzung. Gegen den Ball verdichtet seine Mannschaft dann dementsprechend das Zentrum und versucht den Gegner nach außen zu lenken.
Große Parallelen zum BVB-Pressing kann man dennoch nicht erkennen. Setzten die Borussen lange Zeit auf Pressingfallen im Zentrum, um dort bessere Ballgewinne für den Konter zu haben und gegnerische Sechser zu isolieren, scheint das noch keine Alternative für Liverpool zu sein, erfordert es doch bessere Automatismen, als es bis jetzt der Fall ist.
Die Reds pressen ohne Frage gut und haben inzwischen eine sehr gute defensive Kompaktheit entwickelt. Doch Klopp weiß um die Schwächen seiner Männer im individual- wie gruppentaktischen Bereich und hat sich wohl deshalb für ein nach außen gerichtetes, hohes Mittelfeldpressing entschieden, in dem nur bei manchen Gelegenheiten in ein Angriffspressing übergegangen wird.
Schwächen in Klopps Königsdisziplin
Viele misslungene Pressingaktionen kennzeichnen das Spiel Liverpools bis jetzt immer noch. Beispielhaft eine Szene aus dem Spiel gegen Norwich City zwischen Minute 14 und 15. Die Canaries beginnen beim Torwart, der flach den rechten Innenverteidiger einsetzt. Roberto Firmino als Mittelstürmer kappt durch sein Anlaufen die Verbindung zur linken Spielfeldseite und drängt den Verteidiger ab.
Dieser spielt riskant in die Mitte zum Sechser, welcher sofort von Emre Can und Henderson unter Druck gesetzt wird. Milner orientiert sich am linken Innenverteidiger von Norwich, um einen hektischen Rückpass abzufangen. Liverpool geht damit in ein 4-1-5 über, weil Jordon Ibe den linken Flügel nicht verlassen hat, sondern sich um den gegnerischen Rechtsverteidiger kümmert.
Für mobile Nutzer: Liverpools misslungene Pressingaktion gegen Norwich (GIF)
Das Pressing ist umspielt, Leiva fällt nahe an die Viererkette zurück, um nicht ausgespielt zu werden, Norwich gewinnt massiv an Raum. Oft laufen die Spieler Liverpools ihren Gegner an, ohne auf dessen Passwinkel zu achten, versperren die Anspielmöglichkeiten nicht gut oder kommen schlichtweg mit zu viel Tempo und werden so ausgespielt.
Diese individuellen Mängel sind mit der Zeit weniger geworden, sind aber doch noch immer deutlich zu erkennen. Gruppentaktisch fehlen oft Absicherungen und Kompaktheiten in der Nähe des Pressings, um den Ball nicht nur unter Druck zu setzen, sondern wirklich auch zu gewinnen.