Für einen Fußballer gibt es Schlimmeres, als mit Wayne Rooney verglichen zu werden. Nicht optisch, natürlich. In diesem Fall auch nicht unbedingt in Sachen Spielweise. Vielmehr statistisch.
Noch schmeichelhafter ist das Kompliment, wenn man sich bei dem Vergleich auf den jungen Rooney bezieht. Der, der sich zwischen 2002 und 2004 einen Namen in der Premier League machte und 2005 nach seinem Wechsel zu Manchester United endgültig den Durchbruch schaffte.
Das erste wirklich große Statement seiner Karriere gab er im Februar 2004 ab: Im Spiel gegen Southampton erzielte der damalige Everton-Stürmer den ersten Doppelpack seiner Karriere - im Alter von 18 Jahren und 120 Tagen.
Genau so alt war auch Marcus Rashford am Sonntag, als ihm das gleiche Kunststück gelang. Fast im Alleingang erledigte er in seinem ersten Liga-Einsatz bei Uniteds 3:2-Sieg die Gunners.
Doppelter Doppelpack bei Doppel-Premiere
Als ein Reporter den 18-Jährigen nach dem Spiel darauf ansprach, dass er sein erstes Premier-League-Tor mit seinem ersten Schuss überhaupt erzielt hatte, strahlte Rashford bis über beide Ohren und brachte nur ein aufgeregtes "Ja, in Europa war es genauso" hervor.
Denn um den Wahnsinn erst so richtig wahnsinnig zu machen, hatte der neue Red-Devils-Shootingstar nur drei Tage zuvor bereits schon einmal doppelt getroffen: Beim 5:1-Sieg über den FC Midtjylland in der Europa League leitete er mit seinen Toren zum 2:1 und 3:1 das Weiterkommen ein.
Nur wenige Minuten vor Anpfiff hatte er am Donnerstag erfahren, dass er kurzfristig für den verletzten Anthony Martial stürmen würde. Es war eine fabelhafte Woche für den Newcomer: Ein doppelter Doppelpack bei seiner Doppel-Premiere. Damit stahl er selbst Louis van Gaals überragender Schwalben-Vorführung die Show.
Obendrein feierten ihn die Medien dafür, dass er mit seinen vier Profi-Treffern schon jetzt so erfolgreich ist wie Radamel Falcao in seiner gesamten Zeit bei United. Britischer Humor eben - Marcus Rashford lacht gerne mit.
Entscheidung gegen ManCity
Das Rampenlicht genoss der Youngster sichtlich - auf eine bodenständige, kindliche Art und Weise. Für Rashford war schon gegen Midtjylland ein Traum in Erfüllung gegangen, den nächsten spektakulären Doppelpack - ausgerechnet gegen Meisterschaftskandidat Arsenal - konnte aber auch er nicht begreifen. Dafür ging in den letzten Tagen einiges zu schnell.
Womöglich wäre es auch nie dazu gekommen, wenn Rene Meulensteen, bis November 2013 Jugendkoordinator der Red Devils, den Teenager vor Jahren nicht überzeugt hätte, sich für den roten Teil Manchesters zu entscheiden. Denn Rashford hatte ein vielversprechendes Angebot von den Skyblues: "City versprach ihm, ein Team um ihn herum zu bauen", erzählte David Horrocks der Daily Mail. Er war Rashfords erster Jugendtrainer bei Fletcher Moss Rangers - dem Klub, der auch Spieler wie Wes Brown, Danny Welbeck, Cameron Stewart oder Kyle Bartley hervorbrachte.
Im Alter von neun Jahren trainierte Rashford bei beiden Manchester-Teams. "United hatte ein Trainingsprogramm, das stärker auf individuelle Fähigkeiten einging. Meulensteen hatte das implementiert. Diese Priorisierung war wie zugeschnitten auf Marcus. Sie erlaubte ihm, oft den Ball zu haben und sich dadurch auszudrücken, anstatt immer nur zu passen, passen, passen", so Horrocks. Das nahm Rashford die Entscheidung quasi ab.
Nervös? Nur beim Sprechen
In den darauffolgenden Jahren entwickelte er sich schnell zu einem Ausnahmestürmer. In Uniteds U-Mannschaften gehörte er immer zu den auffälligsten, in der U18 erzielte er als Kapitän in der letzten Saison 13 Tore. In der UEFA Youth League gelang Rashford bei der älteren U21-Mannschaft zuletzt ebenfalls ein Doppelpack - natürlich bei seinem Debüt.
Sein großer Vorteil gegenüber seinen Mitspielern ist die ungeheure Athletik: Rashford ist schnell, kann sich mit seinen breiten Schultern gut durchsetzen, ist sehr beweglich und verfügt über eine immense Sprungkraft.
Er sieht Lücken, bewegt sich intelligent zwischen den Ketten und strahlt große Ballsicherheit aus. Die Nervosität der Interviews ist auf dem Platz nicht zu erkennen.
Lechzen nach einer neuen Symbolfigur
Was den englischen Junioren-Nationalspieler bei all dem Trubel aber wirklich auszeichnet, ist seine Einstellung: "Marcus will den Ball, er will seiner Mannschaft helfen. Er ist hungrig auf Erfolg und hat die gleiche Trainingsmentalität wie einst Eric Cantona und David Beckham", findet Horrocks, der nicht als Einziger Rashford gerne mit großen Vereins-Ikonen in Verbindung bringt.
Und plötzlich ist der Zahlenvergleich mit Rooney mehr als nur ein alberner Zufall. Denn nach all den Diskussionen um heimische Talente will das Theatre of Dreams endlich die nächste designierte Klublegende gefunden haben.
Die Fans lechzen nach einer neuen Symbolfigur. Rashford, der jahrelang selbst auf der Tribüne an der Stretford End stand und damit einer von ihnen ist, soll zu genau jener reifen. Mehr noch, als es Rooney gelungen ist.
Marcus Rashford im Steckbrief