Junior Tallo saß 118 Minuten lang auf der Bank, ehe er das Signal bekam, sich in Schale zu werfen. Trainingshose aus, Trikot an und anständig in die Hose stecken. Bereit machen für das, was kommt. Ein 60-Sekunden-Einsatz im Finale des Afrika Cups 2015.
Tallo sollte nicht etwa das entscheidende Tor für die Elfenbeinküste schießen in der Verlängerung gegen Ghana. Er sollte kurz Luft schnuppern, sich mit der Atmosphäre vertraut machen. Denn Tallo wurde nur eingewechselt, weil er als sicherer Elfmeterschütze der Ivorer galt.
Als zweiter Spieler der Elefanten trat Tello an - und schoss den Ball am Tor vorbei. Weil zuvor bereits Wilfried Bony nur die Latte getroffen hatte, lag Ghana nach jeweils zwei Schützen 2:0 vorne. Sollte es etwa wieder nichts werden mit dem ersehnten Titel für die Elfenbeinküste? Für die Star-Truppe, die zwar regelmäßig an Weltmeisterschaften teilnimmt, aber immer dann versagt, wenn es um den kontinentalen Triumph geht?
Doch der 8. Februar 2015 fand ein gutes Ende für die Ivorer. Nach 17 (!) Elfmetern stand der Sieger fest: Die Elfenbeinküste holte ihren zweiten Titel nach 1992.
Kultfigur auf der Insel
Junior Tallos Fehlschuss wird eine Randnotiz dieses denkwürdigen Shootouts bleiben. Nicht aber sein Statement nach dem Spiel: "Ich hätte es mir niemals verzeihen können, wenn ich schuld an unserer Niederlage gewesen wäre. Dieser Titel ist so wichtig für alle Ivorer. Vor allem aber für mein großes Vorbild Yaya Toure."
Die Elfenbeinküste hatte Didier Drogba und sie hat Yaya Toure. Drogba verlieh den Elefanten Glamour, war der berühmteste Export des Landes in die Premier League und engagiert sich politisch in seinem Heimatland. Toure ist aber noch ein bisschen populärer.
Der 32-Jährige hat vielleicht nicht den Star-Appeal von Drogba. Aber Toure hat sich mit Fleiß, Vielseitigkeit und vor allem Verlässlichkeit im europäischen Spitzenfußball einen Namen gemacht.
Elf Titel gewann Toure seit 2009 mit dem FC Barcelona und Manchester City. Er war Teil von Barcas Sechs-Titel-Elite in der Saison 2008/09, sicherte ManCity mit zwei entscheidenden Toren in Halbfinale und Finale des FA Cups 2010 den ersten Titel seit 35 Jahren und wurde mit den Skyblues in den Folgejahren zweimal englischer Meister.
Auf der Insel erlangte Yaya Kultstatus. Der Yaya/Kolo-Song wurde nicht nur bei City- und Liverpool-Fans ein Gassenhauer.
Die "Schande für ganz Afrika"
Viermal in Folge (2011-2014) wurde Toure zu Afrikas Fußballer des Jahres gewählt, das ist nicht mal Kameruns Nationalheld Samuel Eto'o gelungen. Die vorerst letzte Wahl zum besten Spieler des Schwarzen Kontinents bedeutete für Toure allerdings die schwerste Niederlage auf sportlicher Ebene. Dass nicht er, sondern Dortmunds Pierre-Emerick Aubameyang die Auszeichnung für 2015 gewann, wertete Toure als "Schande für ganz Afrika".
Er wollte nicht Aubameyangs Leistung schmälern; vielmehr prangerte er fehlenden Respekt an. "Ich bin sehr enttäuscht. Es ist traurig zu sehen, dass Afrika so reagiert. Die Dinge, die in Afrika passieren, sind nicht wichtig. Wir favorisieren mehr, was außerhalb unseres Kontinents passiert ist. Das ist erbärmlich", giftete Toure.
Es war nicht das erste Mal, dass Toure sich öffentlich vehement wehrt, wenn ihm etwas nicht in den Kram passt. Im Sommer 2014 wollte er Manchester City verlassen, weil ihm der Klub seiner Meinung nach nicht anständig zum Geburtstag gratuliert hatte. Er schickte seinen Freund und Berater Dimitri Seluk, um die Dinge klarzustellen.
"Yaya hat einen Kuchen bekommen. Aber als Roberto Carlos Geburtstag hatte, bekam er von Anschis Präsidenten einen Bugatti geschenkt. Ich erwarte nicht, dass City Yaya einen Bugatti schenkt. Aber wir dürfen erwarten, dass man ihm wenigstens die Hand schüttelt zum Geburtstag. Das ist das Minimum an Respekt, das nötig ist. Und wenn der nicht da ist, wird Yaya den Klub verlassen. Kein Problem", sagte Seluk.
Immer noch unverzichtbar für City
Eineinhalb Jahre später ist Toure immer noch da. Er ist nach wie vor sehr wichtig für Trainer Manuel Pellegrini. Ob im 4-1-4-1 auf einer der Halbpositionen in der dritten Linie, im 4-2-3-1, 4-4-2 mit Raute auf der Zehn oder als Part der Doppelsechs - Toure spielt praktisch immer. Sein umfassendes Können als zentraler Mittelfeldspieler, gepaart mit seiner Torgefährlichkeit macht ihn nahezu unverzichtbar.
Zudem ist Toure in der rauen Premier League ein Vorbild für Disziplin. In 187 Spielen ist er noch nie vom Platz geflogen, seine einzige Rote Karte als City-Spieler kassierte er in der Champions League gegen ZSKA Moskau, als er sich zu einer (eher harmlosen) Tätlichkeit hinreißen ließ. Lediglich alle 460 Minuten bekommt er als Spieler der Skyblues eine Gelbe Karte.
Doch in den letzten Wochen mehrte sich die negative Kritik an Toure. Englische Medien sprachen bereits vom "Auslaufmodell", dessen beste Jahre vorbei sind. Pellegrini ergriff permanent Partie für Toure.
"Yaya ist keine 20 mehr und kann nicht mehr 90 Minuten lang von Box zu Box laufen oder drei Spiele pro Woche machen. Aber er hat noch ein paar Jahre guten Fußball in sich. Die Leute gehen nicht fair um mit Yaya. Nur weil er nicht jede Saison 20 Tore schießt wie in meinem ersten Jahr als Trainer bei City? Das kann's ja nicht sein", sagte der scheidende Coach kürzlich.
Yayas Pech: Guardiola kommt
Toures Vertrag in Manchester läuft noch bis 30. Juni 2017. Nach dem Tod seines jüngeren Bruders Ibrahim, der im Juni 2014 im Alter von 28 Jahren an Krebs starb, wollte Yaya seine Karriere eigentlich bei City beenden. "Er war mein Bruder und hat Fußball geliebt. Als er krank wurde, war er oft in Manchester und hat meine Spiele besucht. Wenn er aufgrund seiner Krankheit nicht konnte, habe ich ihn nach den Spielen im Krankenhaus besucht. Dadurch ist meine Bindung zur Stadt Manchester noch enger geworden", so Toure.
Die Chancen, dass Yaya auch nächste Saison das Trikot der Skyblues trägt, stehen allerdings schlecht: Pep Guardiola kommt. Der City-Trainer der nächsten drei Jahre war der Grund für Toures Flucht aus Barcelona im Jahr 2010.
"Immer wenn ich Guardiola etwas fragte, bekam ich merkwürdige Antworten. Er hat mich ziemlich ignoriert. Hätte er mit mir geredet, wäre ich wahrscheinlich in Barcelona geblieben. Ich wollte nicht weg, sondern meine Karriere dort beenden. Doch er hatte kein Vertrauen in mich und wollte nicht, dass ich bleibe", sagte Toure 2011.
Berater Seluk machte deutlich, dass es keine Basis gibt für eine vernünftige Zusammenarbeit zwischen Toure und Guardiola. "Ich denke, Yaya wird den Klub verlassen. Es geht nicht darum, ob Pep ihn mag oder nicht. So ist eben das Leben", sagte Seluk. Immerhin ließ er ein Hintertürchen offen. "Pep kann Yaya ja anrufen und ihn wissen lassen: 'Ich stehe auf Deiner Seite' oder 'Ich stehe nicht auf Deiner Seite'."
Ob bei City oder woanders - Yaya Toure wird definitiv weiter spielen. Ein großes Ziel hat er nämlich noch: 2021 findet der Afrika Cup in der Elfenbeinküste statt.
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