"Gündogan kann Peps Dominator werden"

Jochen TittmarAdrian Fink
12. August 201622:10
Pep Guardiola startet in seine erste Saison als City-Coachgetty
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Endlich geht die Premier League wieder los! Vor der Saisoneröffnung des Meisters Leicester City gegen Hull City (13.30 Uhr live auf DAZN und im LIVETICKER) diskutieren zwei SPOX-Redakteure und zwei Kollegen von Goal.com über den Titelkampf in der Premier League.

Wie schnell kann Pep Guardiola bei ManCity seinen Fußball implementieren?

Jochen Tittmar (SPOX): Für mich die wohl spannendste Frage in dieser Saison. Ich bin vom Trainer Guardiola sehr überzeugt, daher traue ich ihm zu, aus den Citizens relativ zügig eine reine Ballbesitzmannschaft zu machen, die wie zuletzt die Bayern taktisch enorm flexibel agiert. Der personelle Umbruch sowie das Verinnerlichen der taktischen Prinzipien werden zwar Zeit benötigen, ManCity wird aber vom Fleck weg Dominanz ausstrahlen und um den Titel mitspielen - weil Peps Handschrift im Laufe der Saison immer deutlicher sichtbar sein und zum Tragen kommen wird.

Der SPOX-Favoritencheck: Pep gibt den Takt vor

Adrian Fink (SPOX): Ich bin fest davon überzeugt, dass City unter Guardiola auf Anhieb funktioniert. Natürlich muss man dem Team Zeit einräumen, bis alle taktischen Finessen aufeinander abgestimmt sind. Aber Guardiola konnte seine Mannschaft nach seinen Vorstellungen zusammenstellen, dementsprechend passt das Spielermaterial zu seiner Philosophie. Deshalb sind die Citizens für mich klarer Favorit auf den Titel.

Maximilian Schmeckel (Goal.com): Guardiola wird bei den Citizens deutlich mehr Zeit benötigen, seinen dominanten Ballbesitz-Fußball effektiv zu installieren. Denn anders als bei Bayern und Barcelona hat er kein Team von Weltklasse-Spielern, sondern eines, dessen Akteure bis auf einige Ausnahmen entweder noch jung sind (Sane, Stones, Jesus) oder aber schlicht nicht den Fußball-IQ haben, um seine Abläufe auf höchstem Niveau umzusetzen (Zabaleta, Clichy, Fernando, Fernandinho). Die erste Spielzeit unter seiner Ägide wird daher nicht mehr als eine Übergangssaison werden.

Erlebe den Titelkampf der Premier League live auf DAZN

Oliver Maywurm (Goal.com): Mit Gündogan - wenngleich vorerst noch verletzt - Stones, Sane und Nolito hat Guardiola vier Wunschspieler nach Manchester geholt, die sich über alle Mannschaftsteile verteilen. Da Gündogan wahrscheinlich der wichtigste ist, die bei City häufig fehlende Spielkultur tragen soll, ist sein verletzungsbedingtes Fehlen in den ersten Wochen aber ein klares Hindernis für die rasche Implementierung von Peps Tiki-Taka-Philosophie. Das Improvisationstalent des Katalanen ist gefordert.

SPOX

Gelingt Jose Mourinho der radikale Umbruch bei Manchester United?

Jochen Tittmar (SPOX): Da bin ich mir nicht so sicher. Die prominenten Neuzugänge lesen sich auf dem Papier zwar glänzend, doch ob Mkhitaryan oder Ibrahimovic in der neuen und robusteren Umgebung an ihre Vorsaison anknüpfen, erscheint mir ebenso fraglich wie die Rolle Pogbas, der sich schon bei der EM im von Mourinho bevorzugten 4-2-3-1 nicht besonders wohl fühlte. Viel wird vom Start abhängen, das Programm der Red Devils klingt jedenfalls machbar. Ich glaube, dass United wie schon im verkorksten Vorjahr eine starke Defensive auszeichnen wird. Dass die Offensive trotz des großen Potentials auf Anhieb richtig ins Rollen kommt, glaube ich aber nicht. Dennoch ist ManUnited für mich ein Anwärter im Kampf um die direkten Champions-League-Plätze.

Adrian Fink (SPOX): Die Red Devils haben trotz all der prominenten und teuren Neuzugänge keine leichte Saison vor sich. Auf dem Papier ist die Offensive zwar brutal besetzt, in der Praxis müssen sich die Stars aber nicht nur aneinander, sondern auch an die körperbetonte Liga gewöhnen. Während das angesichts des leichten Auftaktprogramms zu Beginn kein Problem darstellt, wird United gegen die großen Gegner auch angesichts der nominell anfälligen Abwehr Probleme haben. Am Ende werden sie aber dennoch in der Champions League landen.

Maximilian Schmeckel (Goal.com): Mit Sicherheit kann das freilich nicht gesagt werden. Viel wird vom Saisonstart abhängen und davon, wie schnell sich Mkhitaryan, Bailly, und vor allem Pogba an die neue Liga gewöhnen. Die Erwartungen sind nach den Transfers jedenfalls immens. Gerade die Offensive wird aber Zeit brauchen, sich einzuspielen. Denn enorme individuelle Qualität kreiert nicht automatisch Chancen, sondern ein gutes taktisches Konzept. Welches zum Spielermaterial der Red Devils passen soll, ist auf den ersten Blick nicht wirklich ersichtlich - das Festhalten am von Mourinho favorisierten 4-2-3-1 wäre nach dem Pogba-Transfer jedenfalls eine Überraschung.

Oliver Maywurm (Goal.com): Schwierig. Mourinho und United kommt zunächst wie eine komplizierte Ehe daher, ist der Portugiese nun doch Leiter eines Langzeitprojekts, obwohl er es normalerweise nicht allzu lange bei einem Klub aushält. Der kurzfristige Erfolg steht über allem, Königstransfer Ibrahimovic passt genau in dieses Schema. Die Perspektive, unter Mourinho wieder zu Englands Elite zu gehören, ist da - das Gelingen eines radikalen Umbruchs aber äußerst fraglich.

Qualifiziert sich der FC Liverpool diesmal für einen europäischen Wettbewerb?

Jochen Tittmar (SPOX): Ja. Klopp hat die Reds und vor allem das Umfeld wieder wachgeküsst und die Mannschaft sinnvoll verstärkt. Es wird Liverpool sehr zugute kommen, dass sie in keinem internationalen Wettbewerb vertreten sein werden. Die Mannschaft ist so in der Lage, Klopps Spielidee besser und vor allem austarierter umzusetzen. Fußball auf der Insel ist zwar grundsätzlich meist von hoher Intensität geprägt, die wilde Kloppsche Balljagd ist dennoch für viele Gegner ungewohnt - und wird für sie schwer zu bespielen bleiben. Ich traue dem LFC daher zu, mindestens um den CL-Quali-Platz vier zu spielen.

Adrian Fink (SPOX): Da stimme ich dir grundsätzlich zu, Jochen! Das erste Jahr mit Klopp lief für die Reds noch nicht wirklich rund, aber jetzt in der Vorbereitung hatte Klopp endlich die nötige Zeit, um seinem Team seine Philosophie näher zu bringen. Hinzu kommt, dass das Team mit Mane, Wijnaldum, Klavan und Matip sinnvoll verstärkt wurde. Allerdings glaube ich angesichts der starken Konkurrenz nicht, dass es für einen Platz unter den ersten Vier reicht.

Maximilian Schmeckel (Goal.com): Mindestens! Klopp hat den Reds in kurzer Zeit seine Handschrift verpasst. In seiner ersten kompletten Saison hat er nun Wunschspieler dazugewonnen und hatte noch mehr Zeit, seinen Fußball zu implementieren. Auch Roberto Firmino ist nun angekommen an der Anfield Road und wird daher eine prägende Rolle spielen. Ähnliches traue ich auch Neuzugang Sadio Mane zu, der das Puzzleteil darstellt, das Klopp noch gefehlt hat.

Oliver Maywurm (Goal.com): Die Reds haben sich sinnvoll verstärkt, mit Mane einen echten Kracher an Land gezogen, der in der Vorbereitung schon glänzte. Dass Klopp jene "Pre-Season" diesmal komplett leitet, ist indes ein großer Vorteil. Vorgegebene Mechanismen können in Automatismen übergehen, den europäischen Wettbewerb macht Liverpool diese Saison sicher klar.

Spielt Meister Leicester City wieder oben mit oder droht der Absturz?

Jochen Tittmar (SPOX): Es würde mir enorm gefallen, wenn diese sensationelle Geschichte nicht gleich in der Folgesaison ins Gegenteil verkehrt würde. Ich sehe es für Leicester nicht als Muss an, die Top 5 zu erreichen. Der Kante-Abgang schmerzt, doch das Gros der Truppe ist zusammengeblieben und wird denselben (Underdog-)Geist ausstrahlen wie im Vorjahr. Einen Absturz sehe ich daher nicht, vielmehr eine grundsolide Saison - an Europa glaube ich für den Titelverteidiger aber nicht.

Kadercheck von Leicester City: Märchen wiederholen sich selten

Adrian Fink (SPOX): Für Sensationsteams ist im Folgejahr oft das internationale Geschäft das größte Problem. Wie geht Leicester mit den Highlights in der Champions League um? Und wie gut sind die Foxes dann am Wochenende beispielsweise gegen Bournemouth? Da ich davon ausgehe, dass die Top-Teams in dieser Saison stärker sein werden als im Vorjahr, wird es keine Wiederholung des Wunders geben. Aber gegen den Abstieg wird Leicester auch nicht spielen, im Normalfall winkt den Foxes ein Platz im Mittelefeld. Gelingt Ranieri und Co. ein Auftakt nach Maß, sind sogar die internationalen Ränge möglich.

Maximilian Schmeckel (Goal.com): An einen Absturz glaube ich nicht. Denn mit Kante hat man nur einen Schlüsselspieler verloren, mit Mendy, Musa und Kapustka aber drei spannende Spieler dazugewonnen. Gerade Mendy traue ich zu, ähnlich wichtig zu werden wie Kante im Meisterschaftsjahr. Weil die Automatismen stimmen und der Kader jetzt breiter ist, traue ich den Foxes durchaus zu, sich für Europa zu qualifizieren - zumal der Stempel des Underdogs nach dem Wettrüsten der Konkurrenz auch 2016/17 wieder gegeben sein wird.

Oliver Maywurm (Goal.com): Leicester spielte vergangene Saison über seinen Verhältnissen. Alles passte zusammen, das so dringend notwendige Glück war in entscheidenden Situationen treuer Begleiter. Den freien Fall in den Abstiegsstrudel wird es zwar nicht geben, weil der Kader weiterhin Qualität hat. Oben mitspielen werden die Foxes aber nicht. Daran glaubt nicht einmal Trainer Ranieri so wirklich.

Welcher deutsche Spieler wird die Premier League rocken?

Jochen Tittmar (SPOX): Ilkay Gündogan. Auch wenn der Ex-Dortmunder noch eine Weile braucht, um nach seiner Verletzungspause spielfit zu werden, traue ich ihm zu, auf Anhieb Peps Dominator werden zu können. Guardiola wollte Gündogan schon nach München holen, er ist zweifelsohne einer seiner Wunschspieler. Die Anlagen des Nationalspielers machen ihn auch zu einem idealen Pep-Spieler. Übersicht, Präzision und das gute Raumgefühl Gündogans sind die Zutaten, die es für Guardiolas Spielidee benötigt - und Gündogan ist derjenige, der sie nicht nur verkörpert, sondern auch umsetzen kann. Das hat er unter ähnlichen Bedingungen im Vorjahr unter Thomas Tuchel beim BVB bewiesen und das wird er auch in der neuen Umgebung tun.

Adrian Fink (SPOX): Leroy Sane. Er hat zwar eine Mega-Ablöse gekostet, aber trotzdem wird ganz England von seinem Talent überrascht sein. Für mich bringt er das Eins-gegen-eins-Element mit, das Guardiola für seinen Spielstil braucht und das sonst im Kader kaum ein anderer in dieser Qualität hat. Sane ist schnell, Sane ist mutig, Sane ist frech. In einer Offensive mit De Bruyne und Agüero und einem Mittelfeldlenker Gündogan wird Sane einschlagen wie eine Bombe.

Maximilian Schmeckel (Goal.com): Emre Can. Der Sechser hat sich unter Klopp weiterentwickelt und ist bereit, den nächsten Schritt zu machen. Er hat naive Dribblings weitgehend abgelegt und ist in seinem Passspiel sicherer geworden. Wenn Klopp es schafft, das nächste Level zu zünden, bringt Can alles mit, bei den Reds eine Führungsrolle einzunehmen.

Oliver Maywurm (Goal.com): Mesut Özil. Die vergangene war seine bis dato beste Saison im Arsenal-Trikot - obwohl er in den letzten Wochen und Monaten in Sachen Effektivität deutlich abbaute. Dennoch hat Özil, der sich mit Mitte/Ende 20 im besten Fußballeralter befindet, nachgewiesen: Er kann Premier-League-Spiele als Gestalter dominieren, kann bei einem absoluten Top-Klub dirigieren. Kommende Spielzeit dürfen wir noch mehr von ihm erwarten ...

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