Die 1000-Spiele-Narbe: Nicht jeder Ehrentag fand solch ein gebührendes Ende. Ausgerechnet das 1000. (!) Spiel mit den Gunners verlor Wenger. Nein, er ging baden. Sein Team kassierte eine 0:6-Klatsche gegen Chelsea. Schürrle erzielte nach sieben Minuten bereits das 2:0 für die Blues.
"Es war ein Albtraum. Einer der schlimmsten Tage meiner Karriere", klagte Wenger nach der Demütigung. Die höchste Niederlage erlebte der "Boss", wie er von seinen Spielern genannt wird, allerdings gegen Manchester United in der Saison 2011/12. Wayne Rooney und Co. schickten die Gunners mit 8:2 auf die Bretter.
Ohnehin sind die Red Devils in London gefürchtet. Gegen Wenger erzielte der englische Rekordmeister schon 85 Tore in 52 Spielen.
Der rote Jens: "Eine Niederlage ist wie eine Narbe im Herzen, die ein Leben lang bleibt", beschrieb Wenger einst ein Gefühl, das ihn auch am 17. Mai 2006 heimsuchen sollte. Nach zehn Spielen in Folge ohne Gegentreffer in der Champions League - bis heute Rekord - stand Jens Lehmann im Finale gegen Barca einen Moment neben sich.
Der ehemalige Nationaltorhüter griff in der 18. Minute gegen Samuel Eto'o zur Notbremse und musste vom Platz. Doch auch in Unterzahl bestätigte Arsenal die starke Form der Königsklasse.
Nach der überraschenden 1:0-Führung durch Sol Campbell drehte Barcelona jedoch das Spiel. Es war bis dato Wengers einzige Chance, sich den Henkelpott zu schnappen - eine tiefe Narbe.
Ein Claudio reichte: Sechs Jahre zuvor schnupperte er schon am UEFA Cup. Aus dem Elfmeter-Thriller von Kopenhagen ging jedoch Außenseiter Galatasaray als Sieger hervor. In dieser Nacht mutierte die brasilianische Torwart-Legende Claudio Taffarel zum türkischen Nationalhelden. Der Keeper parierte zwei Elfer. Wenger blickte in die Leere.
The Rise of the Untouchables: Niederlagen sind erschütternd, können aber auch Trotzreaktionen auslösen. Arsenal reihte sich in der Saison 2003/2004 in die Liste der Teams ein, die diese These belegen. Die Gunners waren ein Jahr zuvor Vizemeister geworden - hinter United. "Keiner in der Mannschaft hatte das Gefühl, dass wir nur die Zweitbesten waren", erinnert sich Innenverteidiger Martin Keown.
Trotz FA-Cup-Sieg als Trostpflaster spürte man den Willen, die Enttäuschung vergessen zu machen. Nach sieben Siegen und drei Unentschieden aus den ersten zehn Spielen war klar: Wenger hat etwas Großes geschaffen. Arsenal wurde ungeschlagen Meister! Ein Kunststück, das zuvor nur Preston North End im Jahr 1989 gelungen war. Die Untouchables waren geboren. Wenger machte sich endgültig unsterblich.
Das Pizza-Gate: Insgesamt waren die Gunners 49 Liga-Spiele lang ungeschlagen. Diese unglaubliche Serie endete beim "schwersten Spiel der Saison - im Old Trafford bei Manchester United". Am zehnten Spieltag verlor Arsenal 0:2 gegen den großen Rivalen.
Unzählige umstrittene Schiedsrichterentscheidungen, darunter ein Elfmeterpfiff für United, mündeten im "Battle of Buffet". Auslöser war ein übles Foul von Ruud van Nistelrooy an Arsenals Joel Campbell, das ungeahndet blieb.
Im Spielertrakt stellte Wenger den Übeltäter zur Rede, nannte ihn einen Betrüger. United-Coach Sir Alex Ferguson schritt sofort dazwischen. Ein Wortgefecht der beiden Trainer-Legenden entbrannte und schließlich flog sie, die berüchtigte Pizza (manchmal auch als Kaffee oder Tomatensuppe überliefert).
Bis heute ist nicht geklärt, welcher Gunners-Star Ferguson damit beworfen hatte, Cesc Fabregas gilt als Hauptverdächtiger. Das Ende vom Lied: Wenger wurde mit einer Geldstrafe belegt, van Nistelrooy nachträglich für drei Spiele gesperrt und die Beziehung der Coaches erlitt tiefe Wunden.
Party? Ohne Bier! Der Zwischenfall in den heiligen Gängen des Old Trafford veränderte Wengers Außendarstellung. Der Franzose war ja sonst so gentlemanlike, so asketisch. Er hielt Diät wie ein Spieler, ging 48 Stunden vor einem Spiel nicht mehr aus, widmete sein Leben dem Fußball.
Und er hielt auch seine Spieler dazu an. Wenger feierte 2001/2002 sein zweites Double mit den Gunners. Der frisch gebackene Meister hatte gerade Chelsea im FA-Cup-Finale geschlagen, als Mittelfeldspieler Ray Parlour im Flieger zum Bier griff. Wenger sah ihn und untersagte ihm den Genuss von Alkohol. Schließlich stand nur drei Tage später ein (eigentlich unwichtiges) Auswärtsspiel im Old Trafford an.
"Was? Ich habe gerade ein Tor im Finale geschossen, Boss", entgegnete Parlour. Doch Wenger blieb dabei: "No Drinking." Also machte sich Parlour auf den Weg ins hintere Flug-Abteil zu seiner Familie, wo er heimlich am Bier seiner Brüder nippte.
"Auf dem Weg nach Hause schaute ich noch beim Rush Green Social Club vorbei. Ich wusste, dass meine Brüder dort waren, also sagte ich kurz 'hallo'. Das Nächste, das ich weiß, ist, dass ich zehn Guinness intus hatte", schrieb Parlour in seiner Biographie.
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Drei Tage später gewann Arsenal mit 1:0 in Manchester. Parlour wurde zum Player of the Match gewählt - und sackte dafür auch Lob von Wenger ein. "Er sagte: 'Du warst spitze heute. Weißt du, was den Unterschied ausgemacht hat?' Ich antwortete: 'Nein, Boss. Was war es?' Und Arsene entgegnete stolz: 'Ich habe dich davor bewahrt, das Bier zu trinken'."
"Er saß da mit einem Eisbeutel": Anders als bei Parlours Disziplinierung lag Wenger oft richtig. So auch im Februar 2002, als ein Innenverteidiger vom ASEC Mimosas (Elfenbeinküste) zum Probetraining erschien. Sein Name war Kolo Toure, und ... er war übermotiviert. Erst senste er Henry mit zwei gestreckten Beinen um, dann Dennis Bergkamp.
"Das hätte jeweils die Rote Karte geben müssen. Er legte unsere besten Spieler um. Unglaublich", erinnert sich Parlour: "Sein nächstes Tackle war sauber, doch der Ball sprang hoch und landete auf Wengers Fuß." Und Toure fuhr in seinem Übereifer auch Wenger mit beiden Beinen in die Parade.
"Er schrie, humpelte sofort zum Physio-Team. Toure hat fast geweint. Später saß Wenger da mit einem Eisbeutel am Fuß. Ich ging zu ihm und sagte: 'Kolo hat das sicher nicht so gewollt'", erzählt Parlour: "Doch der Boss sagte nur: 'Mir gefällt sein Drang. Morgen werde ich ihn verpflichten'." Und Toure wurde zur festen Größe bei Arsenal.