Länderspielpause? Debüt von Sam Allardyce bei den Three Lions? Sorry, Big Sam, aber das interessiert auf der Insel gerade weniger. Schließlich treffen sich United und City zum Manchester Derby, und das wird so spannend wie lange nicht mehr. Das liegt vor allem an Pep Guardiola und Jose Mourinho, die neu an der Seitenlinie stehen. SPOX wirft einen Blick auf die beiden und schaut, was sie in ihren Klubs so alles auf den Kopf gestellt haben.
Personal
Manchester United:
Als Jose Mourinho sich bei Manchester United vorstellte, hatte er einen genauen Plan. United verpflichtete lediglich vier Spieler, dafür bekam er genau die, die er wollte: Bailly, Ibrahimovic, Pogba und Mkhitaryan. Dafür griff er tief in die Kassen der Red Devils: 185 Millionen Euro gab er aus - und Gott Ibra war ablösefrei.
Den Verein verließen vor allem einige Leihspieler, aber keine Leistungsträger. Dafür erregt der Umgang mit Bastian Schweinsteiger die Gemüter. Er gehört zu den Kandidaten, die Mou schon früh auf seiner Streichliste hatte. Auch wenn sich United-Fans dafür stark machten, dass der Deutsche seine Chance kriegt, soll Schweinsteiger gehen. Doch ein Transfer kam bisher nicht zustande, der Spieler selbst sagte, dass die Red Devils sein letzter Klub in Europa gewesen seien.
Immerhin meldete United vor einigen Tagen, dass Schweinsteiger für die Liga gemeldet wurde. Doch noch Hoffnung für den Ex-Münchner? Nein, er dürfte nur für den absoluten Notfall eingeplant sein, sollte das Verletzungspech zuschlagen. Das bestätigt auch, dass Schweinsteiger nicht für die Europa League eingeplant ist.
Doch auch ohne Schweinsteiger hat Manchester United eine imposante Mannschaft beisammen. Vor allem der Sturm ist hochkarätig besetzt: Zlatan Ibrahimovic und Wayne Rooney stechen heraus, dahinter kommen die Talente Anthony Martial und Marcus Rashford, der bei jedem Debüt trifft.
Manchester City:
Etwas aktiver waren die Citizens im Sommer: 213 Millionen Euro wurden aus Abu Dhabi zur Verfügung gestellt. Vor allem zwei Revierkicker hatten es Guardiola angetan. Ilkay Gündogan wurde verpflichtet, obwohl er noch verletzt war. Der Transfer von Leroy Sane zog sich lang wie ein Kaugummi. Erst als Christian Heidel schließlich eine Deadline zog, überwiesen die Skyblues 50 Millionen Euro nach Gelsenkirchen.
Doch einer kostete noch mehr (55,6 Millionen Euro) als der Lockenkopf: John Stones. Eine Verstärkung in der Innenverteidigung war auch dringend nötig. Vincent Kompanys Karriere war in den vergangenen Jahren eher von Verletzungen geprägt und ansonsten steht Guardiola mit Nicolas Otamendi nur ein gelernter Innenverteidiger zur Verfügung. Jason Denayer und Eliaquim Mangala wurden verliehen, Martin Demichils' Vertrag war ausgelaufen.
Doch Pep Guardiola ist ja bekannt dafür, sich Spieler passend zu schnitzen. So setzte der Coach das Schnitzmesser auch bei Aleksandar Kolarov an, seines Zeichens Linksverteidiger, und stellte ihn in die Innenverteidigung. Das Resultat kann sich sehen lassen.
Auch die Torwartfrage klärte Pep Guardiola. Bei seinem Liga-Debüt stand Willy Caballero im Tor, ein deutlicher Fingerzeig in Richtung Joe Hart, sich vom Acker zu machen. Er ging per Leihe zu Torino. Für Guardiola soll es doch bitte ein Keeper sein, der am Fuß mehr kann. Claudio Bravo kam vom FC Barcelona, Marc Andre ter Stegen schickte eine Dankeskarte.
Zudem sicherte sich City Nolito von Celta Vigo, der in der vergangen Saison 12 Tore schoss und sieben Vorlagen gab. Neben den bereits genannten Abgängen wurde Edin Dzeko nach seiner Leihe an die Roma nun endgültig verkauft, Wilfried Bony zu Stoke verliehen. Damit herrscht hinter Sergio Agüero - der im Derby gesperrt fehlen wird - eine qualitative Lücke im Sturm. Der andere echte Stürmer im Kader ist der junge Kelechi Iheanacho. Samir Nasri musste seine Zelte in Manchester ebenfalls abbrechen. Guardiola hatte das Gewicht des Franzosen nach der Sommerpause kritisiert.
Den "Fall Schweinsteiger" gibt es auch bei den Skyblues, er nennt sich Yaya Toure. Schon bei Barcelona sortierte Pep Guardiola ihn aus, nun wurde er bei City vom Coach erneut heimgesucht. Auch er hat keine Zukunft unter Guardiola, ist nicht für die Champions League gemeldet.
Spielstil
Manchester United:
Mourinhos Team zieht sich nach einer Führung weit zurück (unter Louis van Gaal standen die Red Devils deutlich höher) und spielt eher abwartend. Bei eigenem Ballbesitz agiert United ruhig und geduldig, Hektik kommt selten auf. Auch Torwart de Gea wird häufig angespielt.
Die Grundformation pendelt zwischen einem 4-2-3-1 und einem 4-4-2. Vor allem Paul Pogba hat sich bereits gut integriert und wird von seinen Mitspielern gesucht. Bei seinem Debüt gegen Southampton hatte der Rekordtransfer die meisten Ballaktionen und spielte die meisten Pässe bei United. Fellaini übernimmt eher eine absichernde Funktion.
Im Spiel nach vorne hat Mourinho viel Arbeit vor sich. Noch ist nicht klar, wie Mourinho mit Henrikh Mkhitaryan plant, der bisher nur als Joker kam. Doch solange Ibrahimovic vorne so grandios aufspielt wie bisher, ist das halb so schlimm. Zudem hat Mourinho an den Soft Skills gearbeitet und bei United die "Sieger-Mentalität" (Rooney) eingebracht.
Manchester City:
Eine große Frage stellte sich, als bekannt wurde, dass Pep Guardiola zu den Citizens geht: Kann er sein Ballbesitzspiel auch in der Premier League durchziehen? In einer Liga, in der das Tempo höher als in anderen Ligen ist? Noch kann diese Frage nicht vollständig beantwortet werden, schließlich sind gerade mal drei Spieltage vorbei, und einen wirklichen Maßstab gab es für City mit Sunderland, Stoke und West Ham noch nicht.
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Aber: In der Tabelle steht hinter dem neuen Logo von City bisher die volle Ausbeute von neun Punkten. Guardiolas Handschrift ist deutlich zu erkennen. Unter Manuel Pellegrini agierte Manchester City meist mit zwei defensiven Mittelfeldspielern. Nun ist die Grundformation eher ein 4-1-4-1 oder 4-3-3, aber das ist bei Guardiola ohnehin Nebensache, starre Formationen sind dem Coach ein Graus. Auffällig im ersten Spiel gegen Sunderland war, dass sich Fernandinho häufig zwischen die beiden Innenverteidiger fallen ließ. Um die Mitte zu stärken, rückten die beiden Außenverteiger Clichy und Sagna sehr weit ins Zentrum ein - dies gilt aber weniger, falls Zabaleta und Kolarov auf den Außen spielen, die eher vertikal agieren.
Im Derby könnte nun die Stunde von Ilkay Gündogan schlagen, der wieder fit ist. Allerdings birgt er auch ein Risiko, der frühere Dortmunder hat keine Spielpraxis. Um ihn an die Premier League heranzuführen, ist das Spiel gegen United vielleicht nicht das richtige Match. Oder auch gerade, das ist Ansichtssache.
Silva lässt sich zuweilen fallen, dadurch ist das Mittelfeld kompakt und City hat die Kontrolle über das Zentrum. Konter werden unterbunden und das eigene Ballbesitzspiel gestärkt. Apropos Ballbesitz: Bereits nach Pep Guardiolas erster Viertelstunde in der Premier League hatte sein Team 76 Prozent Ballbesitz. Diesbezüglich ist also alles beim Alten.
Vorne können Kevin de Bruyne und David Silva ihre Kreativität im Zentrum ausleben, interessant wird es auf den Flügeln. Dort steht mit Raheem Sterling (dessen Leistungskurve unter Guardiola explodiert), Nolito und Leroy Sane (auch wenn der noch nicht zum Einsatz kam) enormes Tempo zur Verfügung. Die Spieler sollen aber nicht damit bis zur Grundlinie vorstoßen, sondern ins Zentrum ziehen.
Hereingaben sind meist eher flach. Zudem lässt sich Sergio Agüero teilweise fallen, um eine weitere Anspielstation zu bieten. Im Derby macht er das wegen seiner Sperre aber nur auf seinem Tribünensitz.
Medien
Manchester United:
Wenn es jemanden gibt, der das Spiel mit den Medien perfekt beherrscht, dann ist es Jose Mourinho. Er wirkt meist lässig, unangreifbar. Spielt sein Team schlecht, lenkt er die Aufmerksamkeit auf sich, poltert, kritisiert die Schiedsrichter, um abzulenken und die Mannschaft zu schützen. Mourinho polarisiert.
Bei seiner Antrittspressekonferenz sagte er das, was Presse, United-Bosse und Fans hören wollten: Die Red Devils seien ein Champions-League-Klub und diese Saison solle die einzige sein, in der der Verein nicht in der Champions League vertreten sei. Weniger als das ist auch nicht sein persönlicher Anspruch. Zudem präsentierte sich Mou humorvoll, riss Witze. Bei einer Pressekonferenz machte er darauf aufmerksam, dass ein Journalist ein Nickerchen machte: "Da hinten sitzt ein Gentleman und schläft wie ein Engel." Die Lacher waren auf seiner Seite.
Zudem ist er gut vorbereitet (oder auch ein guter Bluffer). Als er darauf angesprochen wurde, dass er kaum junge Spieler hochziehe, holte der Portugiese einen Zettel hervor. "Ich wusste, dass diese Frage kommt. Ich habe 49 Spieler aus der Jugend gebracht. 49! Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen die Namen geben." Es ist wahrscheinlich, dass Mourinho auch im United-Umfeld keine Probleme haben wird, solange er nicht so wie mit Chelsea in der vergangenen Saison abstürzt.
Manchester City:
Pep Guardiola dürfte sich fast wie im Himmel fühlen und das liegt nicht daran, dass die Citizens auch als Skyblues bezeichnet werden. In Deutschland musste er sich ständig mit den Medien herumschlagen, hier ein Kommentar zum Spiel, da noch eine PK. In England dürfen sich die Klubs stärker abschotten. Öffentliche Trainingseinheiten? Nein, danke.
Die Yellow Press kann zwar unerbittlich sein, doch der direkte Kontakt ist deutlich geringer. Daher nahm sich Guardiola nach seinem ersten Training auch viel Zeit für die Fotojournalisten, allzu oft muss er das ja nicht mehr über sich ergehen lassen. In der Presserunde sagte er, er sei "nervös", doch das war eher etwas Schmeichelei. Auch der Katalane weiß, wie er mit den Medien umzugehen hat, die großen Bühnen ist er gewohnt. Er präsentierte sich selbstbewusst und ließ sich nicht zu irgendwelchen Aussagen hinreißen. Auch nicht zu seiner Rivalität mit Mourinho.
In München schwebte immer der Schatten Jupp Heynckes' über ihm. Das ist in Manchester anders, nicht aber das Ziel: der Gewinn der Champions League.
Bei seinem Antritt in München wurde er zu Beginn ebenfalls als Messias gefeiert, mit offenen Armen empfangen. Erst im Laufe der Zeit ist das Verhältnis abgekühlt. Also abwarten.
Infrastruktur
Manchester United:
Jose Mourinho war bisher nicht als Kämpfer für Datenschutz bekannt. Diesen Eindruck konnten seine Spieler aber kurz nach Mous Ankunft bekommen. Er ließ die Kameras am Trainingsgelände abschaffen. Freiheit. Die Kameras sollten Louis van Gaal und seinem Team die Analyse des Trainings erleichtern, aber die Spieler fühlten sich dadurch unter Dauerbeobachtung. Wohl nicht zu Unrecht.
Auch ein weiteres unbeliebtes Instrument des Niederländers strich Mourinho: die Bewertungssitzungen. Der Portugiese setzt eher auf Statistiken und Daten, die wird er aber mit seinen Analysten im Hintergrund aufarbeiten.
Mourinhos Spieler werden wohl nicht vor der versammelten Mannschaft zur Schnecke gemacht. Die neue Freiheit und der Wohlfühlfaktor scheinen sich auszuzahlen. Das Regiment des Tulpengenerals ist vorbei.
Manchester City:
Spiele werden heutzutage immer noch auf dem Rasen entschieden. Doch die Vorbereitung wird wichtiger. Und darauf will auch Guardiola Einfluss nehmen. Wie schon in Barcelona und München krempelt Guardiola den Ablauf vor einem Spiel um. Die Spieler müssen nicht mehr die Nacht vor einem Spiel gemeinsam im Hotel verbringen, sondern dürfen Zuhause schlafen. Selbstverantwortung ist das Stichwort.
Frühstück und Mittagessen sollen dafür gemeinsam eingenommen werden. Nach einem Spiel isst das Team zusammen. Und für den Heimweg stehen Wasser und ein Nussmix to go bereit. Auch kurze Trainigseinheiten "zum Wachwerden" (Sagna) stehen auf dem Programm.
Seinen eigenen Fitness-Coach hat der Katalane mitgebracht: Lorenzo Buenaventura arbeitete mit ihm schon bei Barcelona und Bayern zusammen.
Guardiola will den Zufall eindämmen und so viele Faktoren wie möglich kontrollieren. Das kann positiven Einfluss haben, manchmal aber auch Grenzen überschreiten. In Barcelona soll er Detektive angeheuert haben, um das Nachtleben seiner Spieler beschatten zu lassen.
Persönliches Verhältnis
Am Samstag ist es soweit: Die "ewigen Rivalen" werden zum ersten Mal in England aufeinander treffen. Guardiola gegen Mourinho, Jose vs. Pep. Dabei verband beide in früheren Jahren eine Freundschaft. Doch das ist vorbei. Mittlerweile sind sie beide als Chefcoaches tätig und treffen mehr (bei ihrer Tätigkeit in Spanien) oder weniger (bei Guardiolas Zeit in München) häufig aufeinander.
In der Königsklasse standen sie sich 2010 mit Barca und Inter gegenüber, trotz einer Niederlage im Rückspiel zog Mou ins Finale ein. Der Portugiese feierte mit provizierenden Gesten und bezeichnete das Spiel als seine schönste Niederlage. Im Hinspiel hatten sich die Trainer bereits einen verbalen Schlagabtausch geliefert.
Auch in den folgenden Jahren ließ das nicht nach. Mourinho stichelte gegen die erfolgreichen Jahre der Katalanen unter Guardiola, im Jahr 2011 gab es dann die bekannte Offenbarung von Peps Seelenlebens. Als der zu den Bayern ging, mutmaßte Mourinho, dass der Katalane den Job in der Bundesliga nur angenommen hatte, um ihm aus dem Weg zu gehen.
Zuletzt sollten beide beim International Champions Cup in China aufeinandertreffen, das Spiel wurde aber abgesagt. Beide wurden gefragt, ob sie dem anderen die Hand schütteln würden. "Um die Frage zu beantworten, müsste ich ein paar unhöfliche Wörter benutzen", sagte Mourinho. "Natürlich werde ich ihm die Hand geben. Ich habe die Frage an Guardiola schon nicht verstanden und verstehe sie nun auch an mich nicht." Guardiolas Reaktion zuvor war die Gleiche.
Die wenigen Duelle in den vergangenen Jahren scheinen das Verhältnis zueinander etwas verbessert zu haben. Und schließlich ist der Konkurrent auch dafür verantwortlich, dass sie zu den Besten ihres Fachs gehören. "Wir haben beide einen Anteil an der Entwicklung des anderen", so Mourinho kürzlich. Nur Freunde, die werden Guardiola und Mourinho nicht mehr.