Alex Ferguson hat in seiner Karriere als Fußball-Manager viel gewonnen, verdammt viel sogar. Zweimal holte er mit Manchester United die Champions League, 1999 und 2008 war das. Er triumphierte fünf Mal im FA Cup und gewann mehr Meisterschaften (13), als es in Manchester Sonnentage pro Monat, vielleicht sogar pro Quartal zu genießen gibt. Acht dieser Titel gewann er nicht als Alex Ferguson, sondern als Sir Alex Ferguson. 1999 wurde der Schotte zum Ritter geschlagen.
Ferguson ist Namensgeber eines Bauwerks (Sir Alex Ferguson Stand, Nordtribüne des Old Trafford), erstaunlich langer Nachspielzeiten bei eigenem Rückstand (Fergie Time) und einer mit eigens ausgebildeten Spielern gespickten Mannschaft (Fergie's Fledglings). Darüber hinaus finanziert er die englische Kaugummi-Industrie. Kurz: Ferguson hat in seiner Karriere Einiges erreicht, worauf er stolz sein kann.
Eines gibt es aber, was all das übertrifft. "Meine größte Herausforderung ist es, Liverpool von seinem verdammten Sockel zu stoßen", sagte Ferguson 2002. 16 Jahre zuvor hatte er Manchester United übernommen, der amtierende Meister hieß FC Liverpool. Genau wie in sieben der elf vorangegangenen Jahre. Rekordmeister waren die Reds damals auch, logisch. Ferguson machte sich also auf, die Dominanz der westlichen Nachbarn zu durchbrechen. Es sollte gelingen.
Blaues Wasser statt grüner Rasen
All das gab es schon einmal, über hundert Jahre früher und nicht auf grünem Rasen sondern blauem Wasser. Die Protagonisten waren nicht revolutionäre Trainer und talentierte Kicker, sondern gewiefte Ingenieure und verdreckte Arbeiter. Die Rivalität zwischen den Städten, die heute im Fußball weitergelebt wird, hat ihren Ursprung während der Industriellen Revolution. Sie hat ihren Ursprung im Bau eines 58 Kilometer langen Schiffskanals.
Liverpools Hafen war lange Manchesters Zugang zur großen, weiten Welt. Das wussten die Liverpudlians natürlich und nutzten es schamlos aus. Während in Manchester die "niederen Arbeiten", vor allem in der Textilindustrie, vollbracht wurden, finanzierte sich Liverpool schlicht durch hohe Hafengebühren für Lieferungen nach Manchester. "The Liverpool gentleman and the Manchester man", hieß es abschätzig von West nach Ost.
1894 war Schluss damit. Trotz heftiger Proteste aus Liverpool wurde nach sechs Jahren Bauzeit der Manchester Ship Canal, eine direkte Verbindung zwischen Meer und Manchester, eröffnet. Manchester hatte sich also emanzipiert, Liverpool verlor in der Folge gleichermaßen an Einkünften wie an Einfluss. Das Blatt hatte sich gewendet.
"You told us to come back"
Den englischen Fußball dominierten zu dieser Zeit um die Jahrhundertwende Vereine wie Preston North End, Sunderland oder Aston Villa. Manchester United und der FC Liverpool waren noch Klubs wie viele andere. Noch. Ändern sollte sich das in den 1960er Jahren. Dank zweier schottischer Managern: Uniteds Matt Busby und Liverpools Bill Shankly formten ihre Klubs gleichermaßen zu englischen Aushängeschildern wie europäischen Titelträgern und begründeten die fußballerische Rivalität.
Bald zogen die Reds hinsichtlich ihrer Erfolge jedoch davon. Ab 1976 durften sie sich Rekordmeister nennen. "Come back when you have won 18", richteten Liverpool-Fans Mitte der 90er Jahre aus, "kommt zurück, wenn ihr 18 Titel habt". United stand zu diesem Zeitpunkt noch bei einer einstelligen Anzahl an Meisterschaften.
Geht es um die Ehre, vergisst der Fußball-Fan nicht. "You told us to come back when we've won 18 - we are back", hieß es 2009, als United mit dem alten Rivalen gleichzog, auf einem Banner. Zwei Spielzeiten später übertrumpften die Red Devils die Reds gänzlich. Alex Ferguson hatte sein Lebensziel erreicht, er hatte Liverpool "von seinem verdammten Sockel gestoßen".
Geht es nach den Fans, ist die Geschichte mit dem Sockel jedoch unerheblich. Wer die Nummer eins ist, steht ohnehin fest. "Bei beiden Vereinen glaubt man, der größte Klub der Welt zu sein", erzählte Autor Kevin Sampson, der sich mit der Rivalität auseinandersetzt, mal gegenüber CNN, "United hinsichtlich der Anhängerschaft und den Einnahmen, Liverpool hinsichtlich der Folklore und den historischen Erfolgen."
Tragödien, die zu Mythen wurden
Geprägt sind die Historien der beiden Vereine jedoch nicht nur von Erfolgen, sondern auch von Tragödien. Tragödien, die zu Mythen wurden und tief verwurzelt sind in der DNA des jeweiligen Klubs: Uniteds Flugzeugunglück von 1958 und Liverpools Hillsborough-Katastrophe von 1989.
Gemeinsam haben die beiden Klubs aber nicht nur die schmerzhaften Episoden selbst, sondern auch, dass sie regelmäßig daran erinnert werden. Meist zweimal im Jahr, dann nämlich, wenn es gegen den Erzrivalen geht. Kleine Gruppen beider Fanlager besingen hämisch die Tragödie des Kontrahenten. "Sie haben viel mehr gemeinsam, als sie jemals zugeben würden. Vielleicht ist diese Rivalität deshalb so beständig", sagt Sampson.
Als das Flugzeug von United aber einst tatsächlich verunglückte, war an makabere Schmähgesänge noch nicht zu denken. Ganz im Gegenteil. Acht United-Kicker kamen ums Leben und der Erzrivale - damals gerade in der zweiten Liga - bot United die Dienste eigener Spieler an, damit sie die Saison zu Ende spielen können.