"Ich habe schlichtweg keine Message"

Jürgen Klopp besitzt beim FC Liverpool einen Vertrag bis ins Jahr 2022
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Jürgen Klopp steht mit dem FC Liverpool nach 15 Spieltagen auf Platz drei der englischen Premier League. Vor dem Auswärtsspiel beim FC Middlesbrough (20.45 Uhr im LIVETICKER) spricht Klopp im zweiten Teil des Interviews über die Intensität in England, das Thema Gegenpressing, erhöhten Ballbesitz seiner Mannschaften und seinen Umgang mit dem Kloppo-Hype.

Hier lesen Sie Teil 1 des Interviews mit Jürgen Klopp

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SPOX: Herr Klopp, gibt es Dinge, die Sie in England zu Beginn unterschätzt haben oder erst einmal am eigenen Leib spüren mussten, um adäquat darauf reagieren zu können?

Klopp: Ja, die Vielzahl und Intensität der Spiele. Natürlich haben wir in Deutschland auch auf die Premier League geschaut und uns ein Bild gemacht. Wenn man dann aber hier arbeitet, verändert sich dieses Bild zweifellos. Alleine das Thema Winterpause: Zwischen dem letzten Spiel vor und dem ersten nach der Winterpause in Deutschland haben wir mit Liverpool in dieser Saison zehn Partien zu bewältigen. Ich brauche hier auch keine Winterpause, das ist alles in Ordnung. Aber es ist ein gewaltiger Unterschied, mit dem man klarzukommen und umzugehen hat. Die Intensität der Liga sowie die Qualität der Gegner macht es fast unmöglich, nach einem Spiel unter der Woche plötzlich vier Spieler am kommenden Samstag zu schonen. Sonst gerät man sofort in Gefahr, die Partie zu verlieren.

SPOX: Im März dieses Jahres haben Sie ein sogenanntes Warm-Weather-Camp auf Teneriffa veranstaltet und sind mit 21 der nicht zu Länderspielen berufenen Spielern sowie deren Familien für ein paar Tage dem Alltag entflohen. Auch eine Maßnahme, um der Intensität in England zu begegnen?

Klopp: Absolut. Ich habe kürzlich erst gelesen, dass Hannes Wolf seinen Spielern in Stuttgart mal 94 Stunden am Stück freigegeben hat. Der Bursche ist weiter als viele andere. Als wir hier in Liverpool ankamen, hatten die Spieler vier Tage frei, und es hieß: weil es halt schon immer so war. Wir haben sie dann nach zwei Tagen kommen und trainieren lassen. Mittlerweile geben wir ihnen in einer Länderspielpause auch mal fünf Tage am Stück frei. So etwas musst du einfach machen, gerade hier in der Premier League. Natürlich mit vorgegebenen Regeln und dem Wissen für die Spieler, wenn sie sich nicht daran halten, wird es fünf freie Tage in Folge nie wieder geben. Dezember und Januar sind in England die intensivsten Monate. Wir spielen Vollgas durch, ein Spiel nach dem anderen. Da macht es grundsätzlich Sinn, die Jungs auch mal wegzuschicken, damit sie nicht jeden Tag nur das Trainingsgelände sehen.

SPOX: Im Vorjahr gab es im Liverpooler Kader auch eine Vielzahl an Verletzungen. Dieses Jahr hat sich das deutlich verringert.

Klopp: Schon bei unserer Ankunft hatten wir zahlreiche verletzte Spieler. Aufgrund der dichten Abfolge an Spielen konnten wir das letztlich nicht mehr vernünftig regeln, wir kamen aus dieser Spirale nicht heraus. Philippe Coutinho beispielsweise hatte sich einen Muskelfaserriss im Oberschenkel zugezogen. Nach seiner Genesung hätte er im Idealfall ein, zwei Spiele gemacht, das dritte dann ausgesetzt und so weiter. Da uns aber die Alternativen ausgingen, mussten wir ihn fünf Mal ins Rennen schicken - und am Ende hatte er sich erneut am Oberschenkel verletzt.

SPOX: Fitness-Coach Raymond Verheijen hat Ihnen via Twitter vorgeworfen, zu Beginn Ihrer Amtszeit zu schnell zu viel gewollt zu haben und somit verantwortlich für die Reihe an Verletzungen zu sein. Was entgegnen Sie ihm darauf?

Klopp: Gar nichts. Ich werde mir niemals anmaßen, Themen zu bewerten, in denen ich nicht stecke. Deshalb reagiere ich auch nicht auf Menschen, die genau dies tun.

SPOX: Schon zu Dortmunder Zeiten sahen Sie sich dem Vorwurf ausgesetzt, das Training und die hohe Intensität, mit der Sie spielen lassen, wäre für Verletzungen verantwortlich.

Klopp: Am Training konnte es nicht gelegen haben, denn das gab es hier zu Beginn ja nicht. Was die Spielweise angeht: Die fordert der Gegner ein. Natürlich haben wir unsere Art Fußball zu spielen. Es gibt von uns aber kein Limit, das besagt, jeder Spieler müsse 13 Kilometer pro Partie laufen. Wir waren neu im Klub und die Jungs hoch motiviert. Die sind gerannt wie die Pferde, weil sie Lust darauf hatten - und nicht, weil wir von ihnen gefordert haben, eine bestimmte Belastungsgrenze nicht zu unterschreiten.

SPOX: Ist denn - wenn man nicht den richtigen Moment dafür verpasst - nichts weniger anstrengend als Gegenpressing?

Klopp: Im Fußball ist vieles ungleich schwieriger, wenn man die richtigen Momente verpasst. Es geht alles über Timing. Es gibt weder das perfekte Spiel, noch die perfekte Art zu verteidigen. Doch alles, was du den Gegner unter Druck machen lässt, macht es für ihn bedeutend schwieriger.

SPOX: Zumal Gegenpressing unbestritten der kürzeste Weg in die Verteidigung ist.

Klopp: Das Spiel ist nun einmal physisch. Je dominanter man spielen kann, desto weniger muss man in den läuferischen Bereich investieren. Für uns ist es sinnvoll, dass beim Umschalt- oder Konterspiel nicht nur zwei, sondern mehrere Spieler mit nach vorne gehen, um die Optionen in der Offensive zu erhöhen. Man spielt oftmals 90 Minuten für diesen einen Moment. Dann kommt er - und um Kräfte zu sparen, schicke ich nur zwei Spieler mit nach vorne? Das entspräche nicht unserer Überzeugung.

SPOX: Als intensiv würden Sie Ihre Herangehensweise an den Fußball aber schon beschreiben?

Klopp: Natürlich, aber sie ist nicht intensiver als andere Herangehensweisen, und sie tut auch nicht weh. Weh tut es, wenn dich Barcelona laufen lässt und du immer wieder versuchst, an die Kugel zu kommen. Wenn man aber den Ball gewinnt und anschließend im Idealfall zum Abschluss kommt, dann ist das körperliche wie mentale Erholung. Fragen Sie einen Boxer: Der gibt 100 Schläge ab, und die 95, die nicht das Ziel treffen, sind total anstrengend. Die fünf, die er beim Gegner platzieren kann, fühlen sich dafür weltklasse an. Das ist das Ziel unserer Maßnahmen: Die Spieler sollen merken, dass sich der Aufwand lohnt, den sie betreiben. Das Spiel ist viel zu lang, um sich vom einen guten Moment zum nächsten zu hangeln. Dazwischen passiert zu viel. Die Mannschaft sollte ständig das Gefühl haben, im Spiel zu sein - und wir als Trainer kümmern uns darum, dass dieses Gefühl bei den Spielern gegeben ist.

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