355 Spiele hat Angel Rangel in seiner bisher doch eher highlightarmen Karriere für Swansea City bereits absolviert und dabei genau zehn Treffer erzielt. Wirklich oft darf der Spanier also nicht jubeln. Umso bitterer ist es dann natürlich, wenn Rangel tatsächlich mal trifft - dafür aber gar nicht entsprechend gefeiert wird. Speziell wenn es sich um so ein wichtiges Tor handelt wie jüngst beim späten 2:1 gegen den Abstiegskampf-Rivalen Crystal Palace.
"In der Umkleidekabine meinten alle Jungs, sie dachten Sigurdsson hätte getroffen und nicht ich", sagte Rangel nachher etwas konsterniert, aber auch etwas erheitert. Einen Vorwurf kann man seinen Kollegen für diesen Irrglauben aber nicht machen. Rangel selbst hätte wohl dasselbe gedacht, hätte er nicht zufälligerweise selbst getroffen. Denn in dieser Saison ist es eben meist Gylfi Sigurdsson, der Swansea rettet, wenn es noch was zu retten gibt. An elf der 23 Ligatreffern seines Klubs war er direkt beteiligt.
Zu mehr als Platz 19 reichte diese Ausbeute bisher aber nicht, denn auch die drei Rivalen im Kampf um den Abstieg haben ihre großen Retter. Sollte es im Fußball tatsächlich so etwas wie Lebensversicherungen geben, sie hätten in verschiedenen geographischen Regionen verschiedene Fachbegriffe: Robert Snodgrass würde sie in Hull (Platz 20, 13 Punkte) heißen, Gylfi Sigurdsson in Swansea (Platz 19, 15 Punkte), Jermain Defoe in Sunderland (Platz 18, 15 Punkte) und Wilfried Zaha in London, dort wo Crystal Palace (Platz 17, 16 Punkte) zuhause ist.
Das sind die vier Spieler, die das kleine Lichtlein Namens Hoffnung bei ihrem jeweiligen Verein wieder und wieder am Leben halten oder gar neu entfachen. Sie alle waren an knapp der Hälfte der Treffer ihres Vereins beteiligt, oder sogar mehr. So unterschiedlich ihre bisherigen Karrieren auch verliefen: Sie alle sind von der besserplatzierten und besserbezahlenden Konkurrenz umworben, für ihren schlechterplatzierten und schlechterbezahlenden aktuellen Verein aber überlebensnotwendig.
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Hohn vom Maskottchen, zu gut für den Rest
Dass bei Crystal Palace in dieser Saison überhaupt irgendjemand überlebensnotwenig sein muss, damit war vor der Saison nicht unbedingt zu rechnen. Knapp 60 Millionen Euro gaben die Eagles aus, hinsichtlich des Marktwerts befindet sich Palace im Tabellenmittelfeld. Und trotzdem müssen sie sich nach 20. Spieltagen sogar mit fußballerischem Betrug helfen.
Da wagte es Wilfried Zaha (19 Spiele, 4 Tore, 8 Assists) beim Gastspiel in Watford doch tatsächlich, mit einer Schwalbe einen Elfmeter zu schinden. Den Hohn dafür gab es in gelber Form und sogar doppelt. Erst zückte Schiedsrichter Mark Clattenburg die Gelbe Karte und dann musste sich Zaha auch noch vom gelb eingefärbten Watford-Maskottchen Harry the Hornet erniedrigen lassen. Nach dem Abpfiff schlich sich Harry neben Zaha und ließ sich wie vom Blitz getroffen theatralisch fallen.
"Er hätte mit dieser Aktion eine falsche Reaktion provozieren können", tadelte Palace-Trainer Sam Allardyce Harry anschließend und vollbrachte somit gleichzeitig eine seiner ersten Amtshandlungen, erst kurz zuvor übernahm Allardyce von Alan Pardew. Hätte Zaha jedenfalls tatsächlich auf diese Aktion reagiert, er hätte Harry wohl eingefangen und zur Rede gestellt. Zaha ist nämlich äußerst schnell und leichtfüßig und auch trickreich.
Und selbstbewusst ist Zaha ebenfalls. "Abgesehen von Messi und Ronaldo sehe ich niemanden, der besser ist als ich", sagte Zaha mal, 2012 war das und Zaha war 20 Jahre alt. Wenige Wochen später wechselte er von seinem Jugendverein Palace zu Manchester United. Er machte zwei Ligaspiele für United und kehrte 2014 wieder zurück. Dorthin, wo Zaha verehrt wird. "He's just too good for you", plakatierte Palace einst in London. "He", das war Zaha. Mittlerweile ist er 24 Jahre alt, spielte 242 Mal für Palace und sammelte 78 Scorerpunkte.
Damit Zaha diese Bilanz bald weiter aufhübschen kann, gilt es als Palace-Fan, dem Kongo, Marokko und Togo die Daumen zu drücken. Auf diese Nationen trifft Zaha mit seiner Heimat Elfenbeinküste beim Afrika Cup in der Vorrunde. Vor einigen Jahren absolvierte der Flügelstürmer auch mal zwei Freundschaftsspiele für England, wurde dann aber ignoriert. Als Three-Lions-Trainer Gareth Southgate Zaha jüngst wieder einbestellen wollte, hatte er sich bereits für die Elfenbeinküste entschieden. Southgates Überredungsversuche waren vergeblich.
Red Bull im Club, Torflut am Platz
Sunderlands Jermain Defoe (20 Spiele, 11 Tore, 2 Assists) müsste von Southgate wohl nicht erst zu einer Nationalteam-Nominierung überredet werden, die Nummer auf dem Handy-Bildschirm würde wahrscheinlich schon reichen, um ihn zu überzeugen. Aber für den 34-Jährigen hat der Trainer der Three Lions offenbar keine Verwendung. "Nicht einmal, wenn ich den Goldenen Schuh gewinne, würde ich nominiert werden", klagte Defoe jüngst.
Es wird wohl bei seinen 55 Länderspielen und 19 Treffern bleiben, daran ändert auch seine aktuelle Saison nichts. Jüngst passierte Defoe die Marke von 150 Premier-League-Toren, elfmal netzte er bereits in der laufenden Spielzeit. Öfter als jeder andere englische Stürmer.
Tee, Alkohol-Abstinenz und Yoga ("Deshalb komme ich nie aus der Puste") sind Defoes drei Prinzipien, die ihn auch in hohem Alter jung bleiben lassen. "Nur einen Drink, JD", sagen seine Freunde oft zu ihm, wie JD mal erzählte, aber er antwortet dann immer nur: "Ich gehe in einen Club, trinke ein Red Bull und fühle mich am nächsten Tag gut." Zwischenzeitlich absolvierte er dieses Unterhaltungsprogramm in Nordamerika, wo er in der MLS beim FC Toronto kickte.
Fünf Jahre stürmte Defoe zuvor für Tottenham, Publikumsliebling war er an der White Hart Lane sogar. "Jermain Defoe is a Yiddo", sangen die Fans dort und hoben ihn somit in den Rang "Einer von ihnen". In Toronto wurde wohl eher weniger gesungen, Defoe sehnte sich nach der Premier League und kehrte vor einem Jahr zurück. Nach Sunderland. Dort wird Defoe mittlerweile von seinem Trainer David Moyes besungen: "Er ist unbezahlbar wichtig."