Angebot von Barcelona, Zusammenhalt in Hull
Fast wäre er doch tatsächlich im Camp Nou gelandet, dieser Robert Snodgrass (19 Spiele, 7 Tore, 2 Assists). Damals, es muss vor etwas mehr als zehn Jahren gewesen sein, zog er es dann aber doch vor, im Almondvale Stadium zu bleiben. Livingston, irgendwo zwischen Edinburgh und Glasgow. "Es war aber schon schön zu hören, dass Barcelona interessiert ist", sagte Snodgrass später beschwichtigend. War eben so.
Statt im Camp Nou spielte Snodgrass dann halt ein paar Jahre an der Elland Road, Leeds, und dann an der Carrow Road, Norwich. Mit seiner mitreißenden, energischen und aufopferungsvollen Spielweise passte der Rechtsaußen perfekt ins Ambiente. "Die letzten vier Monate hatte ich permanent Schmerzen", erzählt Snodgrass mal, als er noch bei Norwich spielte, "aber das Team brauchte mich." Durchbeißen.
29 ist Snodgrass mittlerweile, seit 2014 opfert er sich für Hull City auf. Er kam mit der Empfehlung von zwei Titeln zum Drittligaspieler des Monats (jeweils 2009) und ebenfalls zwei zum Zweitligaspielers des Monats (jeweils 2011). Seine Schlüsselfähigkeiten sind neben dem Aufopfern das Schlagen von Flanken und das Treten von Standardsituationen.
Viele potentielle Abnehmer für seine Flanken gab es bei Hull zu Saisonbeginn aber nicht. Beim ersten Ligaspiel des Aufsteigers gegen Leicester verfügte Trainer Mike Phelan, mittlerweile entlassen, lediglich über 13 einsatzfähige Profis. Bei Hull herrscht Chaos auf allen Ebenen. Grund dafür ist der Dauerclinch mit dem ägyptischen Investor, dem die Namensänderung seines Klubs von "City" in "Tigers" offenbar wichtiger ist, als einen brauchbaren Kader zur Verfügung zu stellen. "Wir haben aber das, was jedes Team braucht", sagt Snodgrass: "Zusammenhalt."
EM-Held mit Island, terrific mit Swansea
Würde sein Name nicht auf "grass" sondern "son" enden und wäre er nicht zufällig in Glasgow geboren sondern beispielsweise in Sauðárkrókur, Snodgrass würde einen ganz vorzüglichen Isländer geben. Wie intensiv er den Vokabel "Zusammenhalt" lebt, taten das zuletzt wahrscheinlich nur die Helden aus dem Nordatlantik bei der EM in Frankreich. Der vermeintlich beste und renommierteste dieser Helden heißt Gylfi Sigurdsson (20 Spiele, 5 Tore, 6 Assists) und spielt für Swansea.
Während er bei der EM noch einer von vielen Leistungsträgern war, ist er in Südwales einer von sehr wenigen. Nach Stationen bei Hoffenheim und Tottenham scheint Sigurdsson mit 27 Jahren in Swansea sein Glück gefunden zu haben, erst im Sommer verlängerte er seinen Vertrag bis 2020. Damals hieß sein Trainer noch Francesco Guidolin. Entlassen. Es kam Bob Bradley, der von elf Ligaspielen sieben verlor, Sigurdsson lobte ("terrific") und ebenfalls entlassen wurde. Zwei Spiele lang betreute Alan Curtis die Swans, mittlerweile hat Paul Clement das Sagen.
Kein Premier-League-Verein verfügt über eine vergleichbare Inkonstanz auf dem Trainerposten, keiner verfügt aber auch über eine vergleichbare Konstanz an gefährlichen Freistößen. Sigurdsson ist der ungekrönte König der Standardsituationen. "Es braucht nur einen Freistoß nahe des Strafraums und schon ist seine Mannschaft in Führung", heißt es in einem West-Ham-Blog. Unberechtigt ist diese Klage eher nicht.
"Er ist entscheidend für unsere Zukunft, aber ich bin sicher, viele Klubs beobachten seine Entwicklung", sagte Bradley, als er noch im Amt war über Sigurdsson und beschrieb damit nicht nur die missliche Lage bei Swansea, sondern auch bei Hull, Crystal Palace und Sunderland.
Es ist Transferzeit und der Konkurrenz ist nicht verborgen geblieben, was die Mensch gewordenen Lebensversicherungen bei den Kellerkindern der Liga leisten. Wehe ihnen, sie würden wechseln: Ohne einen Zaha, einen Sigurdsson, einen Snodgrass oder Defoe würde das kleine Lichtlein namens Hoffnung wohl nicht mehr lange glimmen.
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