Als Sportdirektor von Manchester City ist Txiki Begiristain natürlich wie jeder andere Sportdirektor dieser Welt hauptsächlich für Tätigkeiten wie Kaderplanungen, Spielertransfers und Terminorganisationen zuständig. Zuletzt musste sich der gebürtige Baske zwangsläufig aber auch intensiv mit der Vielfalt der englischen Sprache beschäftigen. Dreimal innerhalb kürzester Zeit galt es, einen neuen Außenverteidiger vorzustellen und naturgemäß auch zu loben (es geziemt sich traditionell ja eher weniger, teure Verpflichtungen gleich schlechtzureden) ohne sich dabei allzu sehr zu wiederholen.
Erst präsentierte Begiristain also den 51-Millionen-Euro-Außenverteidiger als einen "ausgezeichneten Außenverteidiger, der mit großer Vielseitigkeit überzeugt" und noch dazu "einer der besten Außenverteidiger der Premier League" sei. Dann, neun Tage später, nannte er den 30-Millionen-Euro-Außenverteidiger einen "ausgezeichneten Fußballer", der noch dazu "auf verschiedenen Positionen in der Verteidigung und im Mittelfeld spielen kann". Und abschließend, einen Tag später, den 57,5-Millionen-Euro-Außenverteidiger: Er sei jemand, der "alle Fähigkeiten hat, die ein Außenverteidiger aus unserer Sicht haben sollte" und außerdem noch "zweifelsohne einer der besten Außenverteidiger der Welt" sei.
Zusammengefasst: Begiristain hat die knifflige Situation gut gelöst und direkte Wortwiederholungen fast gänzlich vermieden. Gleichzeitig sind seine Aussagen zwischen den verschiedenen Außenverteidigern fast beliebig austauschbar, bis auf das mit der "Premier League" vielleicht (da spielte bisher eben nur der 51-Millionen-Euro-Außenverteidiger).
Innerhalb von nur zehn Tagen hat Begiristain jedenfalls insgesamt 138,5 Millionen Euro für drei neue Außenverteidiger ausgegeben und dabei kurzerhand den Verteidiger-Transferrekord gebrochen. Begiristain holte erst Kyle Walker (von Tottenham Hotspur) und daraufhin sagte sein Trainer Pep Guardiola: "Wir brauchen noch zwei oder drei neue Verteidiger, nicht nur Kyle." Und ließ auch noch ausrichten: "Natürlich wollen wir sie so schnell es geht." Dann holte Begiristain eben so schnell es ging Danilo (von Real Madrid) und Benjamin Mendy (von AS Monaco).
Sagna, Clichy, Zabaleta und Kolarov: Die betagten Vorgänger
Guardiola hatte im Verlauf der vergangenen Saison offenbar festgestellt, dass seine Verteidigung und dabei speziell die äußere die größte Schwachstelle seines Kaders ist. Das zeigte sich zum Beispiel beim Ausscheiden aus der Champions League gegen die AS Monaco. City schoss zwar acht Tore, aber kassierte halt auch acht. Vor dem Rückspiel warnte Guardiola noch: "Wenn wir 90 Minuten nur ans Verteidigen denken, dann töten wir uns selbst."
Guardiola hatte wohl schon damals Bedenken, ob seine Verteidigung dem geballten gegnerischen Druck standhalten würde, sollte sich die allgemeine Ausrichtung vornehmlich auf die Defensive konzentrieren. City griff also an, aber nicht genug. "Wir hätten mehr Tore schießen müssen", sagte Innenverteidiger John Stones nach dem Aus mit dem Gesamtergebnis von 8:8. Guardiola kündigte derweil an: "Ich gehe davon aus, dass wir uns in der nächsten Saison verbessern."
Davor musste er aber eben noch die alte Saison fertig spielen und da stand zum Beispiel Ende April das Derby gegen Manchester United an. Diesmal untersagte Guardiola seinen Außenverteidigern eine allzu aktive Beteiligung am Offensivspiel und die Partie endete 0:0. "Wir haben keine Spielertypen, die an der Seitenlinie ununterbrochen hoch und runter laufen können", erklärte Guardiola danach, denn "unsere Außenverteidiger sind weit über 30 Jahre alt." Im Kader standen damals mit Bacary Sagna (34), Gael Clichy (31), Pablo Zabaleta (32) und Aleksandar Kolarov (31) ausschließlich etwas betagtere Außenverteidiger.
In Guardiola wuchs der Wunsch, das Personal auf dieser Position komplett auszutauschen. Erleichternd kam ihm bei diesem Anliegen hinzu, dass die Verträge von Sagna, Clichy und Zabaleta (einst - in einer Zeit, als Außenverteidiger noch keine Luxus-Produkte waren - für insgesamt 16,5 Millionen Euro verpflichtet) ohnehin ausliefen. Sie alle verließen den Klub ablösefrei und Kolarov, der Vierte, verabschiedete sich nun auch noch für knapp fünf Millionen Euro.
Guardiolas Gier nach der Absage von Dani Alves
Fußball-Europa wusste also schnell: City braucht Außenverteidiger und das dringend. Für Guardiola war diese Suche durchaus Neuland, in seinen bisherigen acht Saisons als Erstligatrainer forcierte er bekanntlich vorrangig Transfers von Mittelfeldspielern (siehe: "Thiago oder nix") und konnte somit lediglich auf einen beschränkten Erfahrungsschatz in Sachen Außenverteidiger-Verpflichtungen zurückgreifen. Zu City ließ er vor diesem Sommer noch keinen einzigen Außenverteidiger holen, zum FC Bayern in drei Jahren lediglich Juan Bernat und in seinen vier Jahren in Barcelona nur Adriano, Maxwell und 2008 als allerersten: Dani Alves.
Dieser Dani Alves war auch der einzige Außenverteidiger-Neuzugang, der Guardiola langfristig überzeugte und es ihm wahrhaftig angetan hatte. Nun erinnerte sich Guardiola also an Dani Alves und wollte ihn wieder zu sich holen. Der Brasilianer ist mittlerweile zwar nicht mehr 25, sondern schon 34, aber das war Guardiola offenbar egal. Es schien alles ausgemacht und es soll sogar schon eine mündliche Zusage gegeben haben, doch dann überraschte der Brasilianer mit seinem Transfer zu Paris Saint-Germain. Dani Alves war das wohl selbst etwas unangenehm, er sagte jedenfalls bei seiner Vorstellung in Paris: "Wenn sich Pep Guardiola und Manchester City verletzt fühlen, dann tut mir das leid."
Guardiola machte das wohl nur noch gieriger nach neuen Außenverteidigern, viele Alternativen im Luxus-Sortiment gab es jedoch nicht. Fündig wurde sein Klub schließlich bei Vereinen, die ihm in der vergangenen Saison enteilt waren - bei den Spurs, der besten Defensive der vergangenen Premier-League-Saison, bei Monaco, dem Klub, der City aus der Champions League warf, und bei Real, das sie letztlich gewann. In den Tagen nach dem Alves-Wechsel ließ Guardiola Walker, Mendy und Danilo holen - koste es, was es wolle.
Plakativ unterstrichen wird diese Gier vom Vorspiel der Mendy-Verpflichtung. Drei Tage vor dem Transfer hatte Monacos Vizepräsident Vadim Vasilyev noch gesagt: "Mendy wird nicht gehen, außer es kommt ein außergewöhnliches Angebot." Und dann machte City in aller Verzweiflung eben ein außergewöhnliches Angebot und Mendy somit zum teuersten Verteidiger aller Zeiten, Walker rutschte in diesem Ranking nach zehn Tagen von Rang zwei auf Platz drei ab (Zweiter ist Stones, den City im vergangenen Sommer für 55,6 Millionen Euro verpflichtet hatte). Danilo stellte unterdessen erstaunlicherweise gar keinen Rekord auf.
Gemeinsamer Offensivdrang, unterschiedliche Stärken
Walker, Danilo und Mendy verbindet nicht nur ihr neuer Arbeitgeber im Lebenslauf, sondern auch ihr Offensivdrang auf dem Platz. Sie alle sind Außenverteidiger, die sich eher zur Spezies der Flügelstürmer hingezogen fühlen, denn zu der der Innenverteidiger. Dies macht sie flexibel und sowohl für eine taktische Formation mit drei, als auch mit vier nominellen Verteidigern verwendbar. Zumindest etwas unterscheiden sie sich aber trotzdem in ihrem Spiel - abgesehen von der Tatsache, dass sich Mendy anders als Walker und Danilo auf der linken Seite am wohlsten fühlt.
Walker ist etwa außergewöhnlich schnell: Der englische Mirror erstellte in der vergangenen Saison ein Ranking der schnellsten Premier-League-Spieler, in dem Walker mit einem Topspeed von 35,18 km/h Platz drei belegte. Mendy schlägt außergewöhnlich gefährliche Flanken, in der vergangenen Saison kamen knapp 21 Prozent seiner Hereingaben an (Walker 13, Danilo 14) und Danilo ist außergewöhnlich athletisch und durchsetzungsstark - als einziger gewann er zuletzt mehr als 60 Prozent seiner direkten Duelle.
Nun freuen sie sich alle gemeinsam auf die Arbeit mit Guardiola. Noch bevor Begiristain in den Vorstellungs-Meldungen auf der offiziellen Website von City wortgewandt die Vorzüge der neuen Spieler loben durfte, lobten die neuen Spieler selbst ihren künftigen Trainer. Walker nennt ihn "einen der anerkanntesten Trainer der Welt" und denkt, dass Guardiola "mein Spiel auf ein neues Level heben kann". Mendy freut sich auf einen Trainer, "der sich dem Angriffs-Fußball verpflichtet fühlt", und Danilo sagte gar: "Es war immer mein Ziel, unter Guardiola spielen zu dürfen."
Dass sie alle drei nun zu City gewechselt sind, war derweil die Erfüllung von Guardiolas Ziel: Eine neue Außenverteidigung - die letztlich insgesamt 138,5 Millionen Euro gekostet hat.