Am 6. Februar 2023 jährt sich Manchester Uniteds größte Tragödie zum 65. Mal: Der Flugzeugabsturz von München war der Beginn einer zehnjährigen Reise von der Hölle in den Himmel.
Dieser Artikel erschien erstmals im Mai 2018.
Manchester United hatte Benfica Lissabon gerade im Finale des Europapokals der Landesmeister mit 4:1 nach Verlängerung besiegt und Bobby Charlton konnte es einfach nicht mehr erwarten. Also rannte er die Treppen des Wembley Stadions hinauf und all seine Kollegen hinterher. Oben wartete schließlich der Henkelpott. Oben wartete die Erfüllung des Traums. Des Traums, der für Charlton zehn Jahre zuvor in der Hölle endete und ihn beinahe das Leben gekostet hätte.
Manchester United war der erste englische Verein, der im Europapokal der Landesmeister antrat und wollte der erste werden, der ihn auch gewinnt. Bei der Premierenteilnahme 1957 scheiterte United im Halbfinale und bei der zweiten ebenfalls. Der Preis dafür waren Menschenleben.
Am 6. Februar 1958 reiste die Mannschaft von Belgrad nach Manchester, dank eines 3:3 im Viertelfinal-Rückspiel bei Roter Stern war sie ins Halbfinale eingezogen. Der Heimweg wurde unterbrochen durch einen planmäßigen Tankstopp am Flughafen München-Riem, doch der Motor machte Probleme. Zwei Startversuche hatte der Pilot schon abgebrochen, draußen tobte ein Schneesturm. Den dritten zog er durch. Das Flugzeug erreichte nicht die nötige Geschwindigkeit, streifte ein Wohnhaus, krachte gegen eine Garage und brach auseinander. Erst die Stille, dann die Explosion. Und die Flammen.
Keeper Harry Gregg rettete sich schnell genug aus dem Flugzeug. Und fand davor den regungslosen Charlton im Schnee liegen. Gregg dachte, sein Kollege sei tot, er zog ihn trotzdem in Sicherheit, genau wie kurz darauf Trainer Matt Busby. Sie hatten Glück und überlebten doch, sieben Spieler und etliche andere Passagiere, Betreuer, Journalisten und Flugbegleiter nicht. Sie starben in den Flammen des verschneiten München.
Duncan Edwards und die Busby Babes
Das größte Talent von allen erlag zwei Wochen später seinen inneren Blutungen: Duncan Edwards. Nachdem Busby im Krankenhaus wieder zu Sinnen kam, soll er als erstes gefragt haben: "Wie geht es Duncan Edwards?" Und sie antworteten ihm: "Duncan Edwards ist tot." Mit ihm starb eine Mannschaft, die Busby Babes.
1945 hatte Busby das Traineramt bei Manchester United übernommen und sieben Jahre später mit einer erfahrenen Mannschaft seinen ersten Meistertitel geholt. Als die prägenden Spieler nach und nach zurücktraten, verzichtete Busby auf teure Neuverpflichtungen und holte stattdessen junge Talente aus der eigenen Nachwuchsabteilung zu den Profis. Edwards war der talentierteste, kein Engländer debütierte bis dahin jünger in der ersten englischen Liga.
1956 und 1957 wurden die Busby Babes Meister - und dann in den Flammen von München größtenteils ausgelöscht. Vor dem Old Trafford hängt heute eine Uhr, auf ihr ist es immer 15:04. In ewigem Gedenken an die Minute des Flugzeugunglücks.
gettyHilfe des Erzrivalen und Überzeugungsarbeit der Ehefrau
Busby begab sich danach zur Regeneration in die Schweiz, das Traineramt übernahm interimistisch sein Assistent Jimmy Murphy. Er war nicht mit nach Belgrad geflogen, verhindert wegen seiner Nebentätigkeit als Trainer der walisischen Nationalmannschaft. Im ersten Spiel nach dem Unglück besiegte ein Team aus Reserve- und Nachwuchsspieler Sheffield Wednesday im FA-Cup-Achtelfinale mit 3:0.
United verstärkte die Mannschaft mit einigen kurzfristig unter Vertrag genommenen Neuzugängen, zu Hilfe kam sogar der größte Rivale FC Liverpool, der leihweise fünf Spieler zur Verfügung stellte. Beim FA-Cup-Viertelfinale gegen West Bromwich Albion lief erstmals wieder Charlton auf, auch Foulkes war mit dabei. Sie siegten im Wiederholungsspiel und zogen dann sogar ins Finale ein. Im Halbfinale des Europapokals der Landesmeister scheiterte United aber am AC Milan.
Busby verfolgte die Restsaison aus der Ferne, er wollte mit dem Fußball abschließen. "Matt", sagte seine Ehefrau Jean aber immer wieder, "die Jungs hätten von dir erwartet, dass du weitermachst." Und was seine Jungs wollten, wollte Busby natürlich auch. Er ließ sich überreden, reiste zurück nach England und besuchte erstmals seit dem Unglück wieder ein United-Spiel: das FA-Cup-Finale. Im Wembley Stadion verlor United mit 0:2 gegen die Bolton Wanderers.
gettyCharlton, Best und Law: Die Holy Trinity
Im Sommer übernahm Busby wieder das Traineramt. "Ich habe mich kaum zum Old Trafford getraut", erzählte er, "weil ich wusste, dass die Geister der Babes immer noch dort sind und es immer sein werden." Leibhaft anwesend waren dagegen Foulkes und Charlton. Die Stützen einer Mannschaft, die nicht mehr existierte. Busby musste Aufbauarbeit leisten, United rutschte in den folgenden Saisons ins Tabellenmittelfeld ab.
1961 bekam Busby dann eine aufregende Nachricht seines Scouts Bob Bishop aus der nordirischen Hauptstadt Belfast: "Ich glaube, ich habe ein Genie gefunden." Bubsy vertraute ihm und holte dieses angeblich Genie in die Nachwuchsabteilung: George Best. Ein Jahr später verpflichtete Busby kein nordirisches Talent, sondern einen schottischen Star. Denis Law, der nach einer Saison als Legionär beim Serie-A-Klub FC Turin nach England zurückkehrte. Im darauffolgenden Jahr feierte Best sein Debüt in der Profimannschaft, ein weiteres später, 1964, liefen Best, Law und der ewige Charlton erstmals gemeinsam auf.
Es war zwar nur ein gewöhnliches Ligaspiel gegen West Brom, aber eigentlich viel mehr als das. Es war die Geburt der Holy Trinity. Best, Law und Charlton trafen jeweils und machten das fortan eigentlich immer. "Von Anfang an war die gute Chemie zwischen ihnen spürbar", sagte ihr Mitspieler Pat Crerand später. "Entweder Bobby zog einfach von irgendwo ab. Oder Dennis tauchte im Strafraum wie aus dem Nichts auf. Oder George machte etwas Magisches."
Best entwickelte sich zum prägenden Spieler der Mannschaft. "Die Taktikbesprechungen waren sehr einfach", erzählte Busby. "Ich musste nur sagen: 'Gebt George den Ball.'" Best stand im Mittelpunkt. Auf dem Platz resultierte das in genialen Dribblings und zahlreichen Toren, neben dem Platz in einem Leben als Star. "Ich habe viel Geld für Alkohol, Frauen und schnelle Autos ausgegeben", sagte Best, "und den Rest einfach verschwendet."
Die Leistungsdaten von Charlton, Best und Law bei Manchester United
Spieler | Spiele | Tore |
Bobby Charlton | 606 | 199 |
George Best | 361 | 137 |
Denis Law | 309 | 171 |
Manchester Uniteds Sieg im Europapokal der Landesmeister 1968
Im Laufe der 1960er Jahre gewannen alle drei Mitglieder der Holy Trinity den Ballon d'Or. 1964 Law, 1966 Charlton, 1968 Best. Später baute man ihnen vor dem Old Trafford eine Statue, aber erst führten sie United gemeinsam zurück an die nationale Spitze. 1965 gelang der erste Meistertitel seit dem Flugzeugunglück und dafür gab es Siegermedaillen sowie die Berechtigung zur Traumerfüllung. United nahm wieder am Europapokal der Landesmeister teil, wieder ging es nach Belgrad. Diesmal kam die Mannschaft zwar sicher vom Halbfinal-Auswärtsspiel bei Partizan zurück - sportlich aber geschlagen.
Im darauffolgenden Jahr wurde United erneut Meister. Und dann machten sie sich auf nach Europa und triumphierten. Siege gegen den FK Sarajevo, Gornik Zabrze und Real Madrid, dann das Finale im Wembley Stadion gegen Benfica. Charlton erzielte das 1:0, Benfica glich aus. Verlängerung! Best, Brian Kidd und erneut Charlton trafen. 4:1. Schlusspfiff! United gewann als erster englischer Verein den Europapokal der Landesmeister.
"Es ist die großartigste Nacht meines Lebens, die Erfüllung meines größten Traums", sagte Busby. "Ich bin stolz auf das Team und ganz besonders stolz auf Charlton und Foulkes, die diese Reise mit mir durchgemacht haben." Sie waren die einzigen Überlebenden des Flugzeugunglücks von München, die im Wembley Stadion Europapokalsieger wurden.
Sie hatten die Hölle gesehen und schafften es genau zehn Jahre später in den Himmel.
Matt Busbys Titel mit Manchester United
Titel | Jahr |
Englische Meisterschaft | 1952, 1956, 1957, 1965, 1967 |
FA Cup | 1948, 1963 |
Euroapokal der Landesmeister | 1968 |