Ex-BVB-Innenverteidiger Sokratis beim FC Arsenal: Schluss mit Schwiegervater

Im Sommer 2018 wechselte Sokratis vom BVB zum FC Arsenal.
© getty

Nach fünf Jahren beim BVB wechselte Innenverteidiger Sokratis im Sommer nach England in die Premier League zum FC Arsenal. Der bislang gesetzte Grieche soll die zuletzt so löchrige Defensive stabilisieren - ein Prozess, der dauern und das gesamte Team betreffen wird.

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Es war Wasser auf die Mühlen der Kritiker, als das britische Online-Portal Whoscored.com vor einer Woche sein Ranking der schlechtesten Sommer-Neuzugänge der Premier League veröffentlichte. Eine sogenannte Flop-Elf war dort zu sehen und der FC Arsenal der prominenteste Klub, der einen Spieler in der Startformation stellte.

Es war Sokratis, Anfang Juli vom BVB verpflichtet. Das Urteil: Probleme mit dem englischen Tempo und nur sechs von 13 Kopfballduellen gewonnen - mit einer Bewertung von 6,27 landete der Grieche auf Platz fünf der schlechtesten Neueinkäufe.

Dass Sokratis keine Verstärkung für die Gunners darstellen würde, das hatten rund um seine Verpflichtung viele Experten, Fans und weitere Menschen geäußert. Nach dem Motto: Wie soll ein 30-jähriger Innenverteidiger, der weder für überbordende Athletik, noch für technische Fertigkeit bekannt ist und noch dazu von einem zuletzt in der Abwehr schwächelnden Team kommt, die Lösung für Arsenals mannigfaltige Defensivdefizite sein?

FC Arsenal: Der Traum eines Schwiegervaters

Das Team aus Londons Norden wies in der Vorsaison die schlechteste Abwehr unter den ersten Sieben auf und war unter Trainer Arsene Wenger zumeist eine Mannschaft, die für offensiven Fußball stand und besonders in den letzten Jahren unter einer nicht zu leugnenden Konteranfälligkeit litt.

In England hieß es deshalb häufiger, die Truppe sei zu soft. Graham Souness, langjähriger Kapitän des FC Liverpool, sprach in seiner Funktion als Sky-Sports-Experte beispielsweise vom "Traum eines Schwiegervaters" und meinte damit die fehlende defensive Physis, um Gegnern auch mit ausreichend Körperlichkeit und entsprechender Mentalität begegnen zu können.

Die Probleme mit gegnerischen Gegenangriffen wurden im letzten Jahr besonders dann offensichtlich, wenn Arsenal auswärts spielte. Die Gunners machten zwar oft das Spiel und hatten den Großteil des Ballbesitzes, bekamen die Konter der Underdogs aber nicht in den Griff und kassierten Pleiten, die anfangs noch überraschend kamen, in der Folge aber beinahe zum Regelfall mutierten.

Sokratis bisher in allen Spielen gesetzt

Diese defensive Naivität abzustellen und eine stabile Struktur im Spiel gegen den Ball in den weiterhin in der Offensive glänzend besetzten Kader zu bringen, gehört aktuell zu den wichtigsten Entwicklungsschritten unter dem neuen Trainer Unai Emery. Und dies zudem im Einklang mit der Notwendigkeit, auch bereits bei eigenem Ballbesitz eine defensive Absicherung in die eigenen Angriffe einzubauen.

Um dies zu gewährleisten, verpflichteten die Gunners unter anderem Sokratis. Der Grieche, der am Ende in Dortmund auch mehr Probleme hatte, als er selbst lösen konnte, stand bislang in allen vier Ligaspielen in der Startelf und bildete als linker Innenverteidiger mit Shkodran Mustafi das zentrale Pärchen der Viererkette.

Dass Arsenal defensiv stabilisiert gehört, davon hatte auch Sokratis rund um seinen Wechsel gehört und daher äußerte er sich frühzeitig zu diesem Aspekt - was die Anhänger sofort goutierten, weil die Abwehrkante den Fokus auf die größte Problemzone legte: "Ich bin hier um zu zeigen, dass ich in erster Linie ein Verteidiger bin und alles andere erst danach kommt. Natürlich muss man wissen, wie man mit dem Ball spielen möchte, aber der Fußball hat sich in den letzten fünf, sechs Jahren sehr verändert. Viele Trainer und Mannschaften achten jetzt nur darauf, wie gespielt, aber nicht wie verteidigt wird", sagte der Grieche.

Unai Emery muss an der Balance arbeiten

Nach - lediglich - vier gespielten Partien fällt das Echo von Presse und Fans geteilt aus. Auch, weil Emery noch viel Arbeit vor sich hat und sich die Probleme nicht allein durch die Anwesenheit des Spaniers in Luft auflösten. Gegen Manchester City und den FC Chelsea hagelte es in den ersten beiden Spielen Niederlagen und fünf Gegentore.

Sokratis: Leistungsdaten beim BVB in der Saison 2017/18

WettbewerbSpieleToreAssists
Bundesliga302-
Champions League51-
Europa League4--
DFB-Pokal3--
Gesamt423

Es folgte ein Heimsieg gegen West Ham United, der das gewissermaßen traditionelle Dilemma statistisch ganz gut verdeutlicht: Arsenal siegte 3:1, die Hammers kamen auf 38 Prozent Ballbesitz - und schafften es dennoch, 13 Torschüsse abzugeben, fünf davon direkt auf den Kasten. Angesichts der Qualität dieser Abschlüsse hieß das: West Ham hätte deutlich mehr als das eine Tor schießen können.

Emery muss hier vor allem an der Balance der beiden Bewegungen arbeiten, damit die Offensive nicht auf Kosten der Defensive geht und andersrum. Die Innenverteidigung um Sokratis stand in den bisherigen Begegnungen auch deshalb das eine oder andere Mal entblößt da, weil relativ hoch verteidigt wurde, die Außenverteidiger nach vorne schoben und diesem Konstrukt die Absicherung aus dem Mittelfeld heraus fehlte, dem es darüber hinaus an Kompaktheit mangelte.

Sokratis empfiehlt häufigere Foulspiele in Notsituationen

Sokratis empfahl dafür die rustikale Variante, die er in Notsituationen auch beim BVB hin und wieder auspackte: "Manchmal müssen wir etwas cleverer sein. Wenn wir nicht den Ball haben, müssen wir in manchen Situationen Foul spielen. Dann fangen wir uns keinen Konter", so der Nationalspieler. "Wenn der Gegner auf Konter spielt, können sie 30 Prozent Ballbesitz haben, aber trotzdem noch Torchancen gegen uns herausspielen. Wir müssen daher alle zusammen verteidigen und besser arbeiten, wenn wir den Ball nicht haben."

Sokratis hat sich in der bisherigen Zeit in England zum Chef-Organisator in Emerys Anfangsformation gemausert und genau dafür hat man ihn auch geholt. Die gesamte Truppe benötigt aber noch einige Zeit, um die Vorstellungen des Trainers umzusetzen.

Die defensiven Probleme sind bei weitem nicht gelöst und so kann der Grieche aktuell noch nicht der Anker sein, der er zu seinen besten Zeiten in Dortmund war. Gelingt ihm dies, dürfte er bald auch in anderen Rankings auftauchen.

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