Der Xhaka-Eklat beim FC Arsenal: Wenn eine Mannschaft zum Pulverfass wird

Granit Xhaka ist nach seinem Wutausbruch beim 2:2-Remis gegen Crystal Palace zum Sündenbock beim FC Arsenal.
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Granit Xhaka gerät mit seinem Wutausbruch beim 2:2-Remis gegen Crystal Palace zum Sündenbock der erfolgshungrigen Fans des FC Arsenal. Der Kapitän ist aber nur einer von vielen, die den Verein derzeit wie ein Pulverfass aussehen lassen.

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Granit Xhaka, das wissen vor allem die Anhänger von Borussia Mönchengladbach, ist sich für keinen Zweikampf zu schade. Wann immer sich die Möglichkeit ergibt, den Ball zu erobern: Er ergreift sie. Das mag durchaus von Vorteil sein, wenn man in einer Mannschaft spielt, die den Ball nicht unbedingt als besten Freund betrachtet.

Der FC Arsenal, für den Xhaka seit nunmehr drei Jahren seine Treter schnürt, ist nach eigenem Selbstverständnis aber nicht eine solche Mannschaft. Gerade die nach Champions-League-Fußball gierende Anhängerschaft der Gunners will eine ballverliebte Mannschaft, die sich wie zu Zeiten der legendären "Invincibles" um Sol Campbell, Ashley Cole, Patrick Vieira, Frederik Ljungberg, Robert Pires, Dennis Bergkamp und Thierry Henry vom eigenen bis an den gegnerischen Strafraum durchkombiniert.

Dass mit Xhaka ausgerechnet ein Spieler die Kapitänsbinde trägt, der mehr über seinen leidenschaftlichen Charakter als über seine fußballerische Eleganz kommt, ist so manchem Fan offenbar ein Dorn im Auge. Xhaka wird häufig zum Sündenbock auf dem Rasen deklariert, wenn es so läuft wie aktuell. Wenn Arsenals Elf berechenbar, inspirationslos und ermüdend auftritt. So wie am Sonntagabend, als der Tabellenfünfte der Premier League im heimischen Emirates Stadium noch eine 2:0-Führung gegen Crystal Palace aus der Hand gab und am Ende nur 2:2 spielte.

Zoff zwischen Xhaka und Arsenals Fans eskaliert

Xhaka machte kein schlechtes Spiel. Allerdings schaffte er es auch nicht, für die gewünschte Unterhaltung zu sorgen und seine Kollegen mitzureißen - nicht zum ersten Mal in den vergangenen Wochen. Deswegen entschloss sich Unai Emery, der unter Druck stehende Trainer der Gunners, nach 62 Minuten dazu, den Schweizer Nationalspieler mit kosovo-albanischen Wurzeln vom Platz zu nehmen und ein Zeichen an sein überfordertes Team zu setzen.

Als die Nummer 34 in roten Lettern auf der Anzeigetafel des vierten Offiziellen erschien, gingen mit Xhaka die Pferde durch. Unzufrieden mit sich selbst und der Gesamtsituation drückte er Pierre-Emerick Aubameyang, dem Vizekapitän, die Binde in die Hand. Danach legte er sich mit den Fans an, die seinen Aufreger mit Pfiffen begleiteten. Er animierte sie mit wilden Handbewegungen förmlich dazu, ihn noch lauter auszupfeifen. Ein unübersehbares "F**ck off" und ein verunglückter Handschlag mit Emery garnierten einen Abend zum Vergessen für den 27-Jährigen. Einen Abend, der ihn womöglich das Amt des Kapitäns kosten wird. Und seine Zukunft in London?

Emery kündigt Gespräch an - Lacazette sorgt für Aufruhr

"Er hat sich falsch verhalten", sagte Emery wenig später. "Ich werde in den nächsten Tagen in Ruhe mit ihm sprechen und eine Entscheidung treffen. Man muss die Fans respektieren, egal, ob sie applaudieren oder pfeifen." Der erst im August zum Kapitän ernannte Xhaka meldete sich bislang nicht zu dem unwürdigen Vorfall zu Wort. Sollte er das noch tun und möglicherweise sogar um Entschuldigung bitten, dürfte ihn nur wenig Gnade vonseiten der Gunners-Gemeinde erwarten.

Jedenfalls kursierten noch am späten Sonntagabend zuhauf wüste Beschimpfungen bei Arsenal Fan-TV, einem beliebten YouTube-Kanal, der in Stadionnähe geführte Fan-Interviews veröffentlicht - Beschimpfungen wie "Diese Ratte soll sich verpi**en" oder "Sch**kerl". Zu allem Überfluss scheint Xhaka auch innerhalb der Mannschaft mit seiner Aktion Kredit verloren zu haben. Stürmer Alexandre Lacazette versah etwa einen Post auf Instagram mit einem Like, der neben Trainer Emery auch den früheren Gladbacher diffamierte.

Kritik an Xhaka: "Bringt nicht nur sich in brenzlige Lage"

"So etwas erwartest du nicht von einem Kapitän. Er hat ja nicht nur sich selbst in eine brenzlige Lage gebracht, sondern auch seinen Trainer", meinte der frühere Arsenal-Profi Nigel Winterburn gegenüber talkSPORT. "Wie soll ihn Emery jetzt unterstützen, ohne die Fans noch mehr gegen sich aufzubringen? Emery sollte ihn jetzt aus der Schusslinie nehmen und einen anderen Kapitän wählen."

Ob eine Kapitänsablösung die heikle Lage der Gunners entschärfen würde, sei einmal dahingestellt. Das Xhaka-Problem ist nur eines von vielen.

Der kaum ausbalancierte Kader von Emery, der insbesondere an Unordnung in der Viererkette und fehlender Struktur im Mittelfeld krankt sowie dessen Umgang mit dem seit einem Monat ausgebooteten Mesut Özil sorgten schon vor dem 2:2 gegen Palace für reichlich Unruhe.

Arsenal schlechter als in der finalen Wenger-Saison

Die englischen Buchmacher sehen den Nachfolger von Arsene Wenger neben Mauricio Pochettino (Tottenham Hotspur) inzwischen schon als Top-Entlassungskandidaten aller 20 Premier-League-Trainer.

Arsenals Absturz unter Emery lässt sich auch statistisch belegen: Die Mannschaft schießt in dieser Saison im Schnitt weniger Tore (1,83 statt 1,95) und kassiert genauso viele (1,34) wie in der finalen Wenger-Saison. Darüber hinaus gibt die Mannschaft weniger Torschüsse pro Spiel ab (12,4 statt 15,6) und lässt mehr Torschüsse zu (13,7 statt 11,1). Schuld daran kann nicht nur Granit Xhaka sein.

Die Tabelle der Premier League nach zehn Spieltagen

PlatzTeamSp.ToreDiffPkt.
1.FC Liverpool1023:81528
2.Manchester City1032:92322
3.Leicester City1025:81720
4.FC Chelsea1023:16720
5.FC Arsenal1015:14116
6.Crystal Palace1010:12-215
7.Manchester United1013:10313
8.Sheffield United109:8113
9.AFC Bournemouth1013:13013
10.West Ham United1012:14-213
11.Tottenham Hotspur1016:15112
12.Wolverhampton Wanderers1013:13012
13.FC Burnley1014:15-112
14.Brighton & Hove Albion1012:14-212
15.Aston Villa1015:16-111
16.FC Everton1010:16-610
17.Newcastle United106:15-99
18.FC Southampton109:25-168
19.Norwich City1011:24-137
20.FC Watford105:21-165
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