"Macht euch nicht lächerlich", sagte Trainer Alan Pardew im Spätsommer 2006 zu englischen Journalisten, die ihn auf einen angeblich bevorstehenden Doppel-Transfer von Carlos Tevez und Javier Mascherano zu seinem Klub West Ham United angesprochen hatten.
Diese beiden 22-jährigen Weltklasse-Fußballer, die gerade für Argentinien an der Weltmeisterschaft in Deutschland teilgenommen haben, an denen zahlreiche europäische Top-Klubs interessiert sind: Die sollen zum Premier-League-Neunten der Vorsaison West Ham wechseln? "Das wird niemals passieren", sagte Pardew.
Nun, wenig später stand er da und grinste ein kleines bisschen ungläubig. Rechts neben ihm Tevez mit einem West-Ham-Trikot, links neben ihm Mascherano mit einem West-Ham-Trikot. "Das ist ein unglaublicher Coup für die Hammers", ließen diese in einer Pressemitteilung verkünden. Wie konnte das, was eigentlich niemals passieren konnte, doch passieren?
MSI und die Galacticos-Pläne mit den Corinthinas
Die Geschichte begann zwei Jahre früher und auf einem anderen Kontinent, sie begann in Südamerika. 2004 stieg der Investmentfonds Media Sports Investment (MSI) mit viel Geld und großen Plänen beim brasilianischen Top-Klub Corinthians Sao Paulo ein. Vertreten wurde MSI von Kia Joorabchian: Geboren im Iran, aufgewachsen in England und bis heute im Fußball-Business aktiv, unter anderem als Berater von Philippe Coutinho.
Woher MSI das viele Geld hatte, blieb unklar. Gerüchteweise unter anderem von russischen Investoren sowie dem legendären Spielerberater Pini Zahavi, heute unter anderem für Robert Lewandowski tätig. Die Corinthians avancierten durch die Übernahme jedenfalls zum wohl reichsten südamerikanischen Klub aller Zeiten. "Es ist unser Plan, aus den Corinthians ein Team von Galacticos zusammenzustellen", verkündete Joorabchian und machte sich an die Arbeit.
Innerhalb kürzester Zeit zerschmetterte er den südamerikanischen Transferrekord und holte für 15 Millionen Euro Stürmer Tevez von den Boca Juniors und wenig später für zwölf Millionen Euro Defensivallrounder Mascherano von River Plate. Die Transfers sollten sich lohnen: Wenige Monate später krönten sich die Corinthians zum brasilianischen Meister 2005.
Die Titelhelden gehörten aber gar nicht dem Klub, sie standen offiziell bei MSI oder anderen, ebenfalls von Joorabchian vertretenen Fonds unter Vertrag. Tevez' Rechte lagen bei MSI sowie Just Sports Inc, Mascheranos bei Global Soccer Agencies und Mystere Services Ltd. Es handelte sich um damals vor allem in Südamerika weitverbreitete Third-Party-Ownerships, die von der FIFA erst 2015 verboten wurden.
Wie Tevez und Mascherano bei West Ham United landeten
Die anfangs erfolgreiche Ehe zwischen MSI und den Corinthians kriselte aber bald: Vorwürfe der Geldwäsche wurden laut, es folgten Polizei-Ermittlungen. Tevez überwarf sich unterdessen mit der Klubführung, weigerte sich weiterhin für die Corinthians zu spielen und drängte auf einen Abschied.
Wechsel zu den interessierten europäischen Top-Klubs zerschlugen sich aber und so landete er am letzten Tag der Sommertransferphase 2006 gemeinsam mit seinem Teamkollegen Mascherano bei West Ham. Einem Klub, zu dem Joorabchian beste Beziehungen unterhielt - erwog er ihn doch einige Monate zuvor im Namen von MSI zu kaufen.
Über die Ablösesummen für Tevez und Mascherano wollte West Ham damals keine Angaben machen. Mit gutem Grund. Diese Angaben hätten nämlich nur für noch mehr Erstaunen gesorgt, als die Transfers an sich ohnehin schon: West Ham bezahlte nämlich keine Ablösesummen. Der Klub lieh die Spieler lediglich von den unterschiedlichen Fonds, zahlte Gebühren und Teile der Gehälter und diente offensichtlich als Schaufenster. Tevez und Mascherano sollten offenbar in der besten Liga der Welt präsentiert werden, um bei einem späteren Verkauf höhere Erträge einzuspielen als bei einem direkten Wechsel von Südamerika nach Europa.